Xavier Naidoo - die deutsche Stimme beim Euro Vision Song Contest

Ist seine Nominierung ein Skandal?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

"Xavier singt für Deutschland", heißt es knapp auf der Homepage des Soulsängers Xavier Naidoo. Am 19. November war bekannt geworden, dass ARD und NDR Naidoo im nächsten Jahr zum Euro Song Context nach Stockholm schicken wollen. Sofort gab es dagegen Widerspruch und Protest.

Dabei wurde einerseits moniert, dass Naidoo ohne Vorentscheid ernannt wurde. Mehr noch aber stritt man sich über die politische Positionierung des Sängers. Manche wollen in seiner Nominierung sogar einen Skandal sehen.

Doch hier beginnt schon das Problem. Im Rhythmus von wenigen Wochen werden im Kulturbereich Skandale ausgerufen, die meistens irgendwann mangels Interesse an Bedeutung verlieren. Nur die Skandalisierten sind in der Regel dann noch bekannter und profitieren davon.

Warum soll die Nominierung ein Skandal sein?

Dieses Prozedere dürfte auch bei Xavier Naidoo ähnlich ablaufen. Entweder es gelingt seinen Kritikern, schnell einen enormen Druck auszuüben, dass Naidoo doch noch zurücktreten muss, was ihn bei seinen treuen Fans natürlich noch populärer machen würde.

Ansonsten könnte er sich nur selber aus dem Rennen schießen, indem er etwa Äußerungen zum angeblichen Inside-Job der USA bei den Anschlägen vom 11.09. wiederholt. Hierin liegt einer der Hauptkritikpunkte an den Sänger. Zudem ist er bei den Reichsbürgern aufgetreten, einer besonders skurrilen Strömung der extremen Rechten.

Naidoo hat mittlerweile in einer Erklärung zu den Vorwürfen klargestellt, dass er "die Auffassung der Reichsbürger nicht teile" und sich sogar öffentlich von ihnen distanziert habe. Nun ist eine solche Erklärung wohl nur logisch. Würde er die Auffassung der Reichsbürger teilen, dürfte er nicht für die Bundesrepublik Deutschland, sondern für das Deutsche Reich in Stockholm auftreten. Denn die Reichsbürger bestreiten der BRD ihre Existenzberechtigung und behaupten, dass das Deutsche Reich nie untergegangen sei.

Mittlerweile wird auch schon kräftig die politische Biographie Naidoos redigiert. Unter der Überschrift: "Musikalisch erfolgreich, gesellschaftlich engagiert", wird daran erinnert, dass Naidoo als Mitglied der Söhne Mannheims "Rock gegen Rechts" sowie Initiativen gegen soziale Ausgrenzung und für Menschenrechte unterstützt hat und anlässlich des 40ten Jahrestags der Aufnahme der deutsch-israelischen Beziehungen als erste deutsche Band überhaupt im Opernhaus von Tel Aviv aufgetreten sei.

ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber hat mit seinen Statement "Wenn Xavier Naidoo singt, geht die Sonne auf“ die Frage aufgeworfen, ob es sich hier nur um die üblichen Plattitüden handelt oder ob der Mann die Behauptungen selber glaubt. Sollte Naidoo doch noch gecancelt werden, dürfte auch Schreiber seinen Posten räumen müssen.

Deutschland von Xavier nicht angemessen vertreten?

Eine kurzfristig initiierte Petition gegen Naidoos Teilnahme hat bisher fast 10.000 Unterstützer. Dort wird nachgewiesen, dass Naidoo wegen eines schwulenfeindlichen Songtextes angezeigt wurde. Dass er bei einer rechten Demonstration verschwörungstheoretische Thesen verbreitet und Deutschland als besetztes Land bezeichnet hat.

Doch wenn in der Petition dann der stärkste Einwand gegen Naidoos Teilnahme beim ECS darin besteht, dass damit Deutschland in ein schlechtes Licht gerückt werde, dann wetteifern auch die Gegner mit Naidoo um die Frage, wer Deutschland besser repräsentiert. Wenn man sich gar nicht unter Deutschland subsumieren möchte, kann einem auch ganz egal sein, wer dieses Deutschland in Stockholm vertritt.

Mit dem Blick von Außen kommt einen dann die Wahl von Naidoo gar nicht mehr so absurd vor. Im Gegenteil repräsentiert er doch recht gut viele der Menschen, die sich in der Republik unter Deutschlandlandfahnen versammeln, also sicher auch angesprochen werden, wenn es um Deutschland geht. Viele von ihnen haben im, wie wir mittlerweile wissen, gekauften Sommermärchen 2006, der Fußball-WM in Deutschland, erstmals mit der Deutschlandfahnen gewedelt und den angeblich ganz entspannten Patriotismus kennen- und lieben gelernt.

Xavier Naidoo hatte auf der Fanmeile von Berlin seinen Auftritt und legte im Anschluss noch mit einem Dankessong auf die deutsche Fußball-Mannschaft nach. Wie viele andere, die sich auf Deutschland berufen, hatte er also im Jahr 2006 sein patriotisches Coming Out, und wie so viele andere von den damals Feiernden hat er es nicht mehr abgelegt. Seitdem treibt Naidoo die Sorge um Deutschland, oder was er dafür hält, um. Deshalb tummelt er sich überall dort, wo sich Menschen ähnliche Sorgen machen.

So kommt er immer wieder in die Nähe von Reichsbürgern und anderen Rechten. Dabei hat er sich deren Ansichten selbstverständlich nie zu Eigen gemacht. Auch hierin unterscheidet sich Naidoo nicht von den meisten Menschen, die auf Deutschland stehen und mit Deutschlandfahnen wedeln. Kaum einer von ihnen will ein Nationalist sein, ein Nazi schon gleich gar nicht.

Es ist die Generation "Aber man wird ja noch mal sagen dürfen …", die Naidoo sicher auch in Stockholm gut vertreten kann. Schließlich hat er auch schon verkündet, dass er nicht nur für Deutschland, sondern auch für Meinungsfreiheit steht und singt. Auch dieser Begriff hat so seine unterschiedlichen Auslegungen.

Schon lange reklamieren Rechte der unterschiedlichen Couleur Meinungsfreiheit und sehen sich von einer politisch korrekten Elite am Gängelband geführt. So wird Naidoos Nominierung auch in den unterschiedlichen rechten Homepages gefeiert. Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer hat gleich ein Foto ins Netz gestellt, das ihn gemeinsam mit Naidoo am Rande einer Montagsmahnwachen-Aktion zeigt.

Wenn Naidoo in Stockholm auftritt, kann man wohl kaum sagen, dass er Deutschland nicht gut vertreten wird. Da ist auch Jan Feddersen zuzustimmen, der in der Taz spätestens 2006 sein patriotisches Coming Out hatte und konsequenterweise die Nominierung von Naidoo, den "Mann mit Mut" sehr begrüßt.

Enttäuscht müssen jetzt die sein, die im ESC eine Art Alternative zu Deutschland gesehen haben.