Nato will ein bisschen Entspannung mit Russland

Am Abend vor dem Abschuss eines russischen Bombers durch die Türkei kamen Vertreter des Nordatlantikpaktes in Berlin zur Diskussion zusammen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Nach Monaten der Spannung scheinen führende Vertreter der Nato-Staaten die Spannungen mit Russland reduzieren zu wollen. Trotz der Krise in der Ostukraine und des Streits um die Krim-Halbinsel waren bei einer Nato-Tagung in Berlin diese Woche durchaus neue Töne zu vernehmen.

Auch wenn Vertreter Deutschlands, Polens und den USA beim "Nato-Talk" im Berliner Hotel Adlon – nur einen Tag vor dem Abschuss eines russischen Bombers durch das Nato-Mitglied Türkei – deutlich die russische Ukraine-Politik kritisierten, schlossen sie eine Wiederaufnahme der Gespräche mit Moskau nicht mehr gänzlich aus.

Selbst Polens Botschafter bei der Nato, Jerzy Marganski, einer der deutlichsten Russland-Kritiker bei der Veranstaltung der Deutschen Atlantischen Gesellschaft, plädierte dafür, die Lage zwischen dem Militärbündnis und Moskau "realistisch einzuschätzen". Dies sei notwendig, weil eine "Demokratisierung Russlands" durch westliche Einflussnahme nicht erreicht werden konnte, so Jerzy, der ein geschlossenes Konzept für die Krisen an der Ostflanke (Ukraine/Baltikum/Russland) und an der Südflanke (Syrien/Irak) forderte.

Marganski trat vor mehreren hundert Gästen, darunter zahlreiche Militärs, dafür ein, Staaten wie Georgien sowie Moldawien in die Nato aufzunehmen und auch generell neuen Mitgliedern
die Tür offen zu halten.

Stefan Steinlein, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, wies den Vorwurf zurück, die Nato habe einen Konflikt mit Russland provoziert. Mit der Schaffung des Nordatlantischen Kooperationsrates im Jahr 1991 sei man bemüht gewesen, die Hinterlassenschaften des Kalten Krieges abzuwickeln, so Steinlein, der – indirekt an Russland gewandt – eine gemeinsame Sicherheitspolitik auf Basis von zwei Prinzipien forderte: die Akzeptanz der Unverletzlichkeit von Grenzen und der Verzicht auf Androhung von Gewalt.

Dass Deutschland seit 1991 an mehreren Kriegen ohne UN-Mandat teilgenommen hat, ließ Steinlein freilich unerwähnt. Auch der Staatsminister plädierte indes dafür, "zumindest auf Ebene der Botschafter im Nato-Russland-Rat rasch zum Gespräch zurückzukehren".

Trotz des eskalierenden Krieges und Stellvertreterkrieges in Syrien zeigte sich bei der Nato-Debatte in Berlin, dass die Spannungen mit Russland ganz oben auf der Agenda des Nordatlantikpaktes stehen. Der Generalleutnant der Bundeswehr, Horst-HeinrichBrauß, äußerte seine Hoffnung, dass bei einem bevorstehenden Treffen zwischen den Außenministern Frank-Walter Steinmeier und Sergei Lawrow das Risiko von Spannungen bei Militärmanövern reduziert werde. Angesichts des russischen Engagements in Syrien sprach sich Brauß, Beigeordneter
Generalsekretär der Nato für Verteidigungspolitik und Streitkräfteplanung, für eine politische Lösung aus.

Die militärisch und politisch umfassendsten Einblicke in die Strategiedebatten des Nordatlantikpaktes bot US-Admiral a.D. James G. Stavridis, von 2009 bis 2013 Oberkommandierender im Nato-Hauptquartier in Europa. Stavridis machte sechs Herausforderungen für die Nato aus: den sogenannten Islamischen Staat, die Lage in der Ukraine und auf der Krim, Iran, Afghanistan, Kosovo sowie russische Cyber-Attacken auf baltische Staaten sowie Georgien und die Ukraine.

Sichtlich bemüht war der Stavridis, eine strategische Allianz zwischen den USA und Europa im Energiegeschäft zu bewerben. Washington sei bereit, Europa mit aus Fracking gewonnen Gas zu versorgen. Dies könne dazu beitragen, die Abhängigkeit von Russland zu mindern.