"Hoffnung und Vertrauen" in Portugal

Das südeuropäische Land sieht erwartungsvoll dem Ende der erdrückenden Austeritätspolitik entgegen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Heute wird über das Regierungsprogramm der Sozialisten in Portugals Parlament debattiert und am Donnerstag wird darüber abgestimmt. Und dabei wird es nicht erneut zum Sturz einer Regierung wie Anfang November kommen. Nach nur zehn Tagen, ein neuer Rekord, musste der konservative Ministerpräsident Pedro Passos Coelho zurücktreten, da sein Programm abgelehnt wurde. Dass dieses Schicksal den Chef der Sozialisten (PS) Antonío Costa erteilt, glaubt niemand im Land.

Vielleicht hoffen Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva und sein Parteifreund Coelho noch insgeheim auf ein Wunder. In der Rechtskoalition "Portugal à Frente" (PàF) wird derweil noch darüber gestritten, ob man einen Misstrauensantrag stellt. Der würde nur eine "neue Niederlage" bringen, sind auch Konservative überzeugt.

Costa wird, trotz Widersprüchen mit dem marxistischen Linksblock (BE) und der grün-kommunistischen Koalition CDU, eine Mehrheit für sein Programm der "Hoffnung und Vertrauen" bekommen. Auch Kommunistenchef Jerónimo de Sousa glaubt, man werde eine "Lösung" für strittige Fragen finden. Vor allem wird um den Aufschlag um 3,5% auf die Lohnsteuer gestritten. Während die PS ihn in zwei Schritten zurücknehmen will, fordert die CDU, ihn sofort abschaffen. Und bei der schrittweisen Rücknahme der Lohn- und Rentenkürzungen wollen die Kommunisten einen Zahn zulegen. De Sousa weiß, dass mit der PS nur "begrenzte Schritte" möglich sind, doch es seien "wichtige Schritte", um "eine neue politische Phase" zu eröffnen, um den Kurs der letzten Jahre umzukehren.

Auch bisherige Anhänger der Konservativen sind froh, dass es nach den Wahlen Anfang Oktober endlich eine stabile Regierung gibt, da Silva für eine gefährliche Instabilität gesorgt hatte. Deshalb war Luís Albuquerque über "seinen" Staatschef irritiert. Der Restaurantbesitzer in der Kleinstadt Pombal nennt dessen Vorgehen ein "Trauerspiel".

Silva hatte mit allen Mitteln versucht, eine Linksregierung zu verhindern. Er gab inzwischen zu, Costa vergangene Woche nur zum Ministerpräsident ernannt zu haben, weil er das Parlament nicht mehr auflösen konnte. Das verbot ihm die Verfassung vor den Präsidentschaftswahlen im Januar.

"Ich werde wohl erstmals keine Konservativen mehr wählen", erklärt der Gastronom gegenüber Telepolis. Verantwortlich dafür ist auch, dass die PS-Regierung die Steuern in der Gastronomie wieder auf 13% senken will, die von Coelho auf 23% angehoben worden war. Er war bestürzt, dass die Konservativen die Steuern gegen alle Versprechen erhöhten, es nun aber nun die Linken sind, die die Steuern senken. Denn auch bei Albuquerque brach der Umsatz deutlich ein und er musste seine Bedienung entlassen. "Das tat weh, denn sie gehörte nach 15 Jahren zur Familie."

Mit seiner Frau und dem Bruder schmeißt er an langen Tagen seither mühsam das Lokal. Blieb der damit verbundene Preisanstieg für Touristen an der Küste verkraftbar, machte es diese Steuererhöhung den von Lohn- und Rentenkürzungen betroffenen Portugiesen im Innenland fast unmöglich, noch in die Kneipe zu gehen. Und da die neue Regierung auch Lohn- und Rentenkürzungen zurücknehmen, Niedrigrenten und den Mindestlohn erhöhen und Steuern senken will, hofft der Gastronom darauf, dass nun auch die Wirtschaft in Pombal wieder auflebt. Dann könne er die noch immer arbeitslose Ex-Angestellte als "Weihnachtsgeschenk‘" wieder einstellen.

Vor den Linken hat auch der Leiter einer städtischen Bibliothek in einer Kleinstadt im Norden Portugals keine Angst. Seinen Namen will er nicht veröffentlicht sehen: "Der Bürgermeister ist Parteigänger von Coelho und nicht sehr tolerant." Dass er im November erstmals die Sozialisten gewählt habe, könne ihn den Job kosten. Dem grauhaarigen Mittfünfziger gefällt, dass relativ viele Frauen in der neuen Regierung sind: "Vier auf Ministerposten, doppelt so viele als bisher, und dazu kommen 17 von 41 Staatssekretärinnen".

Ihn freut, dass mit Francisca Van Dunem erstmals eine "Schwarze" Ministerin wurde. 1955 in Luanda geboren, in der früheren Kolonie Angola, wird sie nun über die Justiz wachen. "Willkommen in der vielfältigen Realität", erklärt er. Begeistert ist der Bücherwurm darüber, dass es wieder ein Kultusministerium gibt, das die Konservativen geschleift hatten. Gerade Kultur hätte in den Krisenjahren gelitten und das war ein Grund für seinen Linksschwenk.

Dass die Kommunisten aus der Nato und dem Euro austreten wollen, mache ihm keine Angst. "Das sind vernünftige und pragmatische Leute", weiß er auch er aus der Zusammenarbeit mit ihnen in verschiedenen Gremien. "Sie versprechen nur, was sie auch halten können." Sie seien verlässlich und sich der Realität bewusst, dass sie für ihr Programm keine Mehrheit haben und beim Linksblock, der ähnliche Vorstellungen hätte, sei das ganz ähnlich. Umstürze, wie sie in Europa befürchtet werden, seien genauso wenig zu erwarten, wie ein erneutes Abrutschen unter den Rettungsschirm. "Sogar Revolutionen sind bei uns friedlich", fügt er mit Blick auf die Nelkenrevolution 1974 und den Sturz der Diktatur hinzu.