Lobbycontrol oder Reglementierung à la Putin?

Für linke Kritiker nimmt sich Israel im Umgang mit Nichtregierungsorganisationen ein Vorbild an Russland

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Für linke Kritiker nimmt sich das Land im Umgang mit Nichtregierungsorganisationen ein Vorbild an Russland. Dort müssen sich regierungskritische NGO nicht nur als vom Ausland gesteuert und finanziert bezeichnen lassen, sondern müssen diese Klassifizierung auch noch selber beantragen. Nun hat sich nach Meinung der Kritiker Israels Rechte in- und außerhalb der Regierung diese Praxis zum Vorbild genommen.

Vor knapp zwei Wochen hat die rechtsnationalistische Organisation Im Tirtzu per Video Nichtregierungsorganisationen als ausländische "Implantate" bezeichnet. Nun hat die rechtskonservative israelische Regierung nicht etwa die Angegriffenen verteidigt, sondern eine gesetzliche Grundlage für die weitere Reglementierung von kritischen NGOs ins Israel geschaffen.

Das Kabinett verabschiedeteeinen Gesetzentwurf zur schärferen Kontrolle bestimmter Nichtregierungsorganisationen (NGO). Die Arbeit von aus dem Ausland finanzierten Bürgerrechtsgruppen soll damit strenger kontrolliert werden.

NGOs, die mehr als die Hälfte ihres Budgets aus dem Ausland erhalten, müssen diese Verbindungen detailliert offenlegen. Sie werden verpflichtet, in ihren Finanzerklärungen die Namen ihrer Geldgeber anzugeben und ihre Adressen den israelischen Behörden mitzuteilen. Zudem sollen die Bürgerrechtler künftig wie Lobbyisten besondere Plaketten tragen, wenn sie mit Vertretern von Parlamentsausschüssen zusammentreffen.

Geht es um Transparenz bei der Lobbyarbeit?

Nun könnte eine solche Regelung durchaus sinnvoll sein, wenn es darum gehen soll, Lobbyarbeit transparenter zu machen. Daher verweisen auch Verteidiger der israelischen Regierung darauf, dass das Gesetz doch eigentlich nur ein Beitrag zur viel geforderten Lobbycontrol darstellt. Doch die Einseitigkeit des Gesetzes lässt daran zweifeln, dass es den Initiatoren um eine bessere Lobbykontrolle geht.

In einem offenen Brief an Israels Justizministerin Schaked warnt das Israelische Demokratie-Institut vor Schaden für Israels Ansehen als Demokratie. Besonders problematisch sei, dass das "Transparenz-Recht" nur Spenden ausländischer Staaten nennt, für private Gelder
aber nicht gilt. Damit werde der Zweck verfolgt, "nur den NGOs zu schaden, die auf einer bestimmten Seite der politischen Landkarte stehen", so der Verdacht der IDI.

Während linke und friedenspolitisch engagierte NGOs meist Unterstützung von staatlichen Institutionen
im Ausland beziehen, bezieht das konservative und rechtsnationale Lager Israels vor allem von Privatleuten Spenden. Die aber würden bei der neuen Regelung ausgespart bleiben.

Israels Justizministerin Schaked begründete ihren Gesetzesvorschlag damit, dass die Öffentlichkeit ein Recht habe zu wissen, welche ausländischen Regierungen sich in die inneren Angelegenheiten Israels einmischen. Das IDI verweist in dem offenen Brief an Schaked auf ein vergleichbares US-Gesetz, das "keine Unterscheidung zwischen privaten und staatlichen Spenden macht".

Wird hier nicht ein Seismograph der Demokratie beschädigt?

Zu den israelischen NGOs, die von der Neuregelung betroffen wären und sich als ausländisch finanzierte NGO outen müsste, gehört die Organisation Das Schweigen brechen. Dort haben sich Soldatinnen und Soldaten organisiert, die in den besetzten Gebieten eingesetzt waren und über Menschenrechtsverletzungen berichten, die sie dort erlebt hatten. Manchmal waren sie darin selber involviert.

Sicherlich sind die Darstellungen oft subjektiv. Allerdings wurden hier tatsächlich vorher verschwiegene Menschenrechtsverletzungen aufgedeckt und dann manchmal nachträglich geahndet. Deshalb haben sich auch israelische Politiker, die mit der politischen Ausrichtung der NGO oder ihres Umfeld nicht einverstanden sind, deren Arbeit verteidigt. Schließich sind sie Seismograph für eine Demokratie und machen mit ihrer sicher einseitigen Arbeit auf Fehlentwicklungen aufmerksam. Es ist für eine bürgerliche Demokratie kein gutes Zeichen, wenn solche Seismographen eingeschränkt werden.

Ähnlich argumentierte auch der israelisch-solidarische Publizist und Buchautor Stephan Grigat, der sich ausführlich und kritisch mit der israelischen Linken sowie mit der Szene der Nichtregierungsorganisationen befasst hat. Er kritisiert, dass sie oft politisch naiv seien und Islamismus und Antisemitismus unterschätzen würden. Allerdings verweist auch Grigat auf die wichtige Rolle der israelischen NGO und Nichtregierungsorganisationen als Frühwarnsystem vor eventuellen Gefährdungen der Demokratie.

Genau diese Rolle könnte durch die Arbeit der israelischen Rechten nun eingeschränkt und gefährdet werden. So kann man feststellen, dass mit dem Gesetz Israel noch nicht zu einem System à la Putin wird. Doch ein Stück in Richtung autoritären Staat wird Israel damit gerückt.

Hat die Initiative eine antisemitische Komponente?

Israels Rechte in und außerhalb des Parlaments unterscheidet sich damit nicht von der Rechten in allen Ländern der Welt, die die Autorität des Staates erhöhen, kritische Gruppen reglementieren und als vom Ausland gesteuert darstellen wollen. In diese Kategorie gehören auch linkstrappierte autoritäre Bewegungen wie der Stalinismus in all seinen Spielarten, der ja bekanntlich, alle Kritiker zu ausländischen Agenten stempelte.

Oft haben solch Vorwürfe einen offen oder latent antisemitischen Unterton. So richtete sich die stalinistische Kampagne gegen den Kosmopolitismus gegen linke Jüdinnen und Juden im Umfeld der damaligen kommunistischen Parteien. Nun könnte man argumentieren, der Initiative der israelischen Rechten könne man zumindest keinen Antisemitismus vorwerfen. Doch dies sollte zumindest in Frage gestellt werden.

Zu den Unterstützern der inkriminierten israelischen NGO gehören jüdische Menschen in vielen Ländern der Welt. Schließlich ist Israel das Modell eines Einwandererlandes. Jüdische Menschen aus allen Kontinenten leben dort. Viele haben Verwandte, Freunde und Bekannte in ihren Herkunftsländern. Es ist daher auch nicht verwunderlich, wenn sich auch diese Menschen für die innenpolitische Situation in Israel interessieren und deshalb auch Einzelpersonen und Gruppen unterstützen, die ihnen politisch nahestehen.

Die Reglementierungen gegen die kritischen NGO richten sich so auch gegen jüdische Unterstützer in aller Welt, die nicht in Israel leben. So wäre es vielleicht unpräzise, wenn man der israelischen Rechten mit ihren Maßnahmen direkt Antisemitismus unterstellt. Allerdings kann man schon konstatieren, dass sich die Maßnahmen gegen die kosmopolitische Vorstellungen eines Judentums richtete, das die ganze Menschheit und nicht ein Land zu Heimat hatte. So ist die israelische Rechte auch in dieser Frage den autoritären Strömungen in anderen Ländern nahe und sieht in Regierungskritikern und Kosmopoliten ausländische Agenten.