Suchdienst stellt Fotos, Briefe und Schmuck aus Nazi-KZs online

Millionen Dokumente und Gegenstände aus den Konzentrationslagern der Nazis lagern beim Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen. Die ersten 50.000 davon sind nun digital abrufbar, um die Suche für Angehörige und Überlebende zu erleichtern.

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Effektenkarte

(Bild: ITS)

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Eheringe, Ausweise, Sparbücher oder Gefangenen-Akten: Der Internationale Suchdienst (ITS) im nordhessischen Bad Arolsen hat Tausende Gegenstände und Dokumente von Nazi-Opfern aus Konzentrationslagern fotografiert und online gestellt. Die Nazis hatten ihren Opfern einst alle Habseligkeiten abgenommen - nun sollen Angehörige und Wissenschaftler danach suchen können.

Recherchiert werden kann sowohl nach Namen oder Geburtsdatum als auch nach Häftlingsnummern oder bestimmten Konzentrationslagern. "Wir betreiben einen hohen technischen Aufwand", sagt ITS-Archivleiter Christian Groh.

Beispiel für eine Häftlingspersonalkarte.

(Bild: ITS)

Eine Kette, Ohrringe, ein "Deutsches Sparkassenbuch" mit 126 Reichsmark Guthaben – die Gegenstände repräsentieren das Schicksal von Millionen. Ziel ist die Rückgabe dieser sogenannten Effekten an die Angehörigen. "Wir hatten die leise Hoffnung, dass sich auch heute noch Familien melden. Das ist gelungen", schildert Groh. "Wir konnten vier Effekten zurückgeben, und ein weiterer Termin ist bereits vereinbart. Bei sechs weiteren läuft die Bearbeitung."

Der ITS berichtete etwa im November, dass der Abschiedsbrief eines niederländischen Widerstandskämpfers nach 72 Jahren an seine Söhne übergeben werden konnte. Eine Bekannte der Familie hatte die Brieftasche des Vaters im Archiv gefunden. In dem Bericht heißt es: "Ohne die im Oktober 2015 erfolgte Veröffentlichung im ITS Online-Archiv hätte die Brieftasche vermutlich nie zurückgegeben werden können." Jede Datei des Archivs kann kommentiert werden. Bisher gab es keine antisemitischen Kommentare – auch darüber freut sich Groh.

Seit das Projekt Anfang Oktober startete, haben sich bereits mehr als 36.000 Menschen das Archiv angeschaut. Vor allem aus Deutschland, aber auch aus den Niederlanden wurde die Seite des ITS abgerufen. Es gab aber auch Interessenten aus Israel, den USA und Polen. "Ein Archivbesuch kann durch das Portal natürlich nicht ersetzt werden", fügt Groh hinzu.

Drei Bestände mit insgesamt 50.000 Bildern hat der ITS online gestellt. Damit wird das Archiv auch für historisch interessierte Menschen und Wissenschaftler leichter zugänglich. "In zwei Jahren sollen drei weitere Bestände hinzukommen." Jedes einzelne Dokument wurde mit Vorder- und Rückseite digitalisiert – auch wenn manchmal gar nichts daraufstand. "So ist sichergestellt, dass wir nichts vergessen haben", sagt Groh.

Dokumentenbeispiel von "Schindlers Liste".

(Bild: ITS)

"Wir müssen die Erinnerung wachhalten, denn das Archiv ist der Zeuge, wozu es führen kann, wenn wir nicht intervenieren", sagt Floriane Hohenberg, die im neuen Jahr die ITS-Leitung übernahm. Das Online-Archiv soll weiter ausgebaut werden, gleichwohl bleiben die ursprünglichen Dokumente die Basis des ITS: "Die Erfahrung, dass diese Menschen real waren, ist sehr wichtig", sagt Hohenberg.

Der Internationale Suchdienst ist eine der wichtigsten Aufklärungsstellen für Familien von Nazi-Opfern. Auch wenn es nur noch wenig Überlebende gibt, werden pro Monat immer noch bis zu 1.000 Anfragen von Angehörigen und Überlebenden gestellt. Beim ITS lagern rund 30 Millionen Dokumente aus Konzentrationslagern, Ghettos und Gestapo-Gefängnissen sowie Unterlagen über die Zwangsarbeit und die Migration infolge des Zweiten Weltkrieges, darunter Informationen über Anne Frank, Willy Brandt oder eine Kopie von "Schindlers Liste".

1998 wurde mit der Digitalisierung begonnen, um die Dokumente besser zu schützen. Seit 2007 haben Historiker Zugang. Die Originaldokumente und die Zentrale Namenkartei des ITS gehören zum Unesco-Weltdokumentenerbe. (kbe)