Kalte Dusche für Solarstromproduzenten in Spanien

Das Verfassungsgericht segnet die rückwirkende Kürzungen der Einspeisevergütung ab

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Es war zu erwarten, dass das spanische Verfassungsgericht den rückwirkenden Kürzungen der Einspeisevergütungen für Solarstrom absegnen würde. In diese Richtung konnte schon eine Ablehnung einer Klage durch die höchsten Richter im Dezember interpretiert werden, obwohl der Oberste Gerichtshof kurz zuvor genau in die umgekehrte Richtung argumentiert hatte. Am gestrigen Mittwoch wurde das Urteil gegen die Klagen veröffentlicht, die verschiedene Regionalregierungen gegen das Königliche Dekret 9/2013 und das Gesetz 24/2013 eingereicht hatten, weil die Vergütung für eingespeisten Strom stark beschnitten worden war.

Die Mehrzahl der Verfassungsrichter meint, die Regierung habe "ausreichend" begründet, warum die Änderungen umgesetzt werden müssten. Die Vergütung, die Inverstoren für 25 Jahre versprochen wurde, durfte demnach gekippt werden. Und die Richter störten sich nicht einmal daran, dass dies auch per Dekret geschah, was "außerordentlich und bei dringender Notwendigkeit" gerechtfertigt sei. Dass auch in diesem Fall also das Parlament umgangen werden durfte, ist auch in diesem Gericht nicht unumstritten. Und gegen das Vorgehen der Regierung der konservativen Volkspartei (PP) hatten nicht nur Regionen geklagt, die wie Andalusien von den Sozialisten regiert werden, sondern auch Regionen, die wie Murcia von der PP regiert werden oder wurden.

Das Verfassungsgericht, das nun im Eilverfahren im Sinne der Regierung entschieden hat, sieht weder die "Rechtssicherheit" beeinträchtigt, noch sei gegen den "Grundsatz der Nichtrückwirkung" verstoßen worden. Einig waren sich die Richter aber nicht, denn drei weichen mit einer Stellungnahme davon ab. Die "unerwarteten Kürzungen" verletzten das "legitime Vertrauen" in Gesetze, womit sehr wohl gegen den Grundsatz der Nichtrückwirkung von Gesetzen verstoßen worden sei könne, meinen sie.

Juan Antonio Xiol, der für die drei Richter die Stellungnahme ausgearbeitet hat, wundert sich vor allem über die schwache Argumentation des "sehr summarischen" Urteils. Verwiesen wird auf die Klagen, mit "internationale Inverstoren" gegen das Königreich eingereicht haben und Milliardenentschädigungen fordern. Schon deshalb hätte man sich "gründlich und peinlich genau" mit der Materie befassen müssen, was nicht geschehen ist.

Die Hoffnungen der Regionen und vieler kleiner Anlagenbetreiber im Land ruhen nun beim Obersten Gerichtshof. Denn der hatte kürzlich erhebliche Zweifel an der Rechtsauffassung geäußert, mit der nun das Verfassungsgericht summarisch der Regierungsmeinung gefolgt ist. Dessen Richter hatten 525 Kläger und den beklagten Staat in einem Beschluss aufgefordert, noch einmal zu argumentieren.

Die dritte Kammer hat erheblich Zweifel daran, dass die Änderungen mit spanischen Gesetzen und europäischen Normen vereinbar sind. Sie folgt eher der Ansicht der EU-Kommission, die immer wieder die geschaffene Rechtsunsicherheit in Spanien kritisiert hatte. Erwartet wird, dass sie den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zu einem Vorabentscheidungsverfahren anruft, weil europäische Rechtsnormen verletzt worden seien, meinen Experten.

Bekannt ist, dass das stark politisierte Verfassungsgericht gern im Sinne der Regierung urteilt, wenn es die Regierung will, entscheidet das Gericht – wie im Fall Katalonien – sogar in wenigen Tagen, das sonst Jahre braucht. Es ist die regierende Partei, die die Mehrheit der Richter an das höchste Gericht entsendet, weshalb es von Konservativen dominiert wird.

Unrühmlich für Spanien ist auch, dass der EuGH mit scharfen Worten 2013 rügte, dass dort in existenziellen Fragen Verbraucherrechte mit Füßen getreten werden, die zum "Verlust des Eigentums" einer Wohnung führen. "Es reicht", hatten die Richter in Luxemburg deshalb mit Blick auf zahllose Räumungen 2013 geurteilt. Verbraucher seien "schutzlos", weil sie praktisch keine Möglichkeiten haben, ein einmal eingeleitetes Verfahren wieder zu stoppen, auch wenn es "klar missbräuchlichen Klauseln" in den Kreditverträgen basiert. Daraufhin reformierte Gesetze wurden erst kürzlich erneut vom EuGH als unvereinbar mit europäischen Verbraucherrechten eingestuft.

So dürften es wohl wieder internationale Gerichte sein, die im Fall der Einspeisevergütung die Lage korrigieren. Wegen der bekannten Rechtsunsicherheit im Land wandte sich der Verband kleiner Anlagenbetreiber gleich an den EuGH, während der in Schieflage geratene spanische Abengoa-Konzern vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag klagt. Ausländische Konzerne, Banken oder Investmentfonds, darunter auch große deutsche Energieversorger wie E.On, RWE, Steag oder die Deutsche Bank klagen dagegen am Internationalen Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) mit guten Erfolgsaussichten. Der Weg dorthin ist spanischen Unternehmen versagt. Wegen dieser Klagen ist Spanien in Washington nun hinter Venezuela und Argentinien auf den dritten Rang wegen der Rechtsunsicherheit vorgerückt.