TTIP: Deutsche Abgeordnete dürfen jetzt wissen, worüber sie abstimmen sollen

USA geben Beharren auf totale Geheimhaltung bei transatlantischem Freihandelsabkommen auf

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Nach einem jahrelangen Streit und angesichts massiven Widerstandes gegen das geplante US-europäische Freihandelsabkommen TTIP hat sich die US-Regierung bereit erklärt, deutschen Parlamentariern aus Bund und Ländern Einblick in die Verhandlungsunterlagen zu gewähren.

Zeitungen der Funke-Mediengruppe zitieren () heute aus einem entsprechenden Schreiben von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) an Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bundesratspräsident Stanislaw Tillich (beide CDU). Demnach können Abgeordnete beider Häuser die konsolidierten Verhandlungstexte ab Montag in einem Leseraum des Wirtschaftsministeriums einsehen. In diesen Texten sind jeweils die Textvorschläge der EU und der USA gegenübergestellt.

Nach eher ablehnenden Kommentaren gegenüber TTIP-Kritikern gab sich Gabriel nun versöhnlich. Die Bundesregierung habe sich "seit Beginn der Verhandlungen dafür eingesetzt, den Verhandlungsprozess über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft sowohl gegenüber der Öffentlichkeit als auch gegenüber den Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten transparent zu gestalten", so Gabriel in seinem Brief.

Tatsächlich hatte die mangelnde Transparenz gerade in Deutschland massiven Widerstand provoziert. Im vergangenen Oktober hatten nach Angaben der Veranstalter in Berlin eine Viertel Million Menschen gegen das Abkommen protestiert.

Auch auf parlamentarischer Ebene sorgte der verweigerte Zugang für Unmut. Nicht nur die Opposition, auch Bundestagspräsident Lammert hatte gegen die Praxis protestiert. Die Möglichkeit, die Unterlagen in einem Leseraum der US-Botschaft einzusehen, waren von deutschen Ministern nichtgenutzt worden. Die Regierung informierte den Bundestag nur über vier von zwölf dort zugänglichen Dossiers – und über eher belanglosen Fragen wie sanitäre Maßnahmen, Warenhandel, technische Handelshemmnisse sowie kleinere und mittlere Unternehmen.

Dass nun deutsche Parlamentarier Zugang zu den Unterlagen erhalten sollten, war im Dezember zwischen Brüssel und Washington ausgehandelt worden. Im Wirtschaftsministerium sollen nun nach Angaben aus dem Hause mehrere Computerarbeitsplätze eingerichtet werden, an denen bis zu acht Abgeordnete gleichzeitig Einsicht in die bislang 13 Verhandlungsdossiers nehmen können. Der Raum wird zwei Mal am Tag für zwei Stunden geöffnet sein. Die Unterlagen werden weiterhin mit einer Geheimhaltungsstufe versehen sein. Nach foodwatch gleichen die vom Bundeswirtschaftsministerium bestätigten Bedingungen einem "Hochsicherheitstrakt":

* "Abgeordnete dürfen die Dokumente nur unter Aufsicht einsehen;

* vorher müssen sie eine Vertraulichkeitserklärung unterzeichnen, in der sie zusichern, den Inhalt der Dokumente nicht mit unbefugten Dritten zu teilen;

* Handys, Laptops und andere elektronische Geräte sind nicht erlaubt;

* die Parlamentarier dürfen sich handschriftliche Notizen machen, aber keine Kopien der Dokumente anfertigen. "

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und der Handelsbeauftragte der USA, Michael Froman, waren am 11. Dezember in Brüssel und unlängst noch einmal auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos zusammengekommen, um über den weiteren Verlauf der Verhandlungen zu beraten. Dabei vereinbarten sie weitere Gesprächsrunden bis zum Sommer dieses Jahres. Die letzten strittigen Themen sollen dann bis Jahresende gelöst werden.

Allerdings glaubt an den ambitionierten Zeitplan selbst in Brüssel kaum noch jemand. Nach Angaben eines beteiligten EU-Diplomaten blockieren die USA bei der anstehenden 12. Verhandlungsrunde den Zugang von EU-Unternehmen zu wichtigen Bereichen der US-Wirtschaft, darunter das Bahnunternehmen Amtrack und die US-Luftfahrtbehörde FAA.