Atomkraft: Auch in China verzögern sich die EPR

In der Nähe von Hongkong wird seit 2008 an zwei Reaktoren nach französischem Design gebaut. Die Inbetriebnahme verzögert sich um ein weiteres Jahr

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Zwei sogenannte Europäische Druckwasserreaktoren (EPR) werden derzeit in der EU gebaut, und das schon seit vielen Jahren. Die einst viel gepriesene neue AKW-Generation glänzt an den beiden Baustellen in Frankreich und Finnland vor allem mit Schlagzeilen über Verzögerungen, Pfusch und Kostenexplosion.

Der französische AKW-Bauer Areva ist darüber bereits erheblich ins Straucheln geraten und benötigt nach verlustreichen Jahren eine staatliche Geldspritze von fünf Milliarden Euro. Arevas Atomsparte soll von EDF übernommen werden, doch der Konzern möchte vorher die Verbindlichkeiten los werden, die Areva vor allem aus einem Rechtsstreit über die Verzögeruzngen in Finnland drohen.

Nur in China klappt es mit dem EPR-Bau, hieß es bisher. Neue Nachrichten aus der Volksrepublik widersprechen dem allerdings. Auch beim Bau des AKW Taishan in der Nähe von Hongkong gibt es Probleme. Der Ecologist berichtet, dass sich dort die Inbetriebnahme der beiden im Bau befindlichen EPR um ein weiteres Jahr auf 2017 verzögert. Ursprünglich hatte Taishan 2013 ans Netz gehen sollen. Im Vergleich zur Verzögerung um neun Jahre in Finnland erscheint das aber noch moderat.

Doch sind das womöglich nicht die einzigen Sorgen, die man sich in China machen muss. Die britische Zeitung The Telegraph berichtete schon letzten Sommer französische Medien zitierend, dass die französische Atombehörde zahlreiche Fehlfunktionen bei Ventilen des EPR in Flamanville festgestellt habe. Die Fehler könnten schlimmsten Falls zu einer Reaktorschmelze führen, wenn das Kühlsystem versagt.

In der autonomen Stadt Hongkong halten dortige Beobachter Taishan für eine der gefährlichsten Baustellen Chinas, wie die South China Morning Post (SCMP) schreibt. China baue allgemein zu schnell und habe nicht genügend Erfahrungen und fachkundiges Personal für den Betrieb. Landesweit sind derzeit 64 Reaktoren im Bau oder in der konkreten Planung und 92 weitere als Vorschläge in der Diskussion.

30 seien bereits im Betrieb, so das in der ehemaligen britischen Kolonie erscheinende Blatt. In Hongkongs Nachbarprovinz Guangdong seien derzeit 18 Reaktoren im Bau, in Planung oder vorgeschlagen. 12 weitere könnten hinzukommen. In Guangdong leben 104 Millionen Menschen, weitere 7,3 Millionen in Hongkong.

Die in Flamanville gefundenen Fehler betreffen offensichtlich das Design der Anlage, stellen also auch für den Bau in Taishan ein Problem dar. Da verwundert es schon, dass AKW-Bauer Areva in China mit seinen Erfahrungen auf den europäischen Baustellen wirbt, wie die SCMP schreibt, und unter Berufung auf "erprobte Technologie" eine Verkürzung der Bauzeit um 40 Monate versprach. Pierre-Franck Chevet, Chef der französischen Atomaufsicht, habe nach dem Bekanntwerden der Ventil-Fehler mit den Behörden in Beijing (Peking) konferiert, aber über die Ergebnisse ist nichts bekannt.

In Taishan wird der französische Staatskonzern mit 30 Prozent Minderheitenbetreiber sein. Die Mehrheit wird vom chinesischen Unternehmen CGN (China General Nuclear Power Group) gehalten, das auch die meisten anderen AKW in Guangdong betreiben und Partner von EDF am britischen AKW Hinkley Point sein wird. Die SCMP schätzt, dass das Unternehmen bis 2020 umgerechnet rund 100 Milliarden Euro in Atomkraftwerke investiert haben wird, und befürchtet, dass diese enorme ökonomische Macht alle Sicherheitsbedenken vom Tisch fegen wird.