Friedensprozess und baskische Gefangene im Blick

Europaabgeordnete machten sich ein Bild , nachdem die ETA vor vier Jahren ihren bewaffneten Kampf eingestellt hat

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Eigentlich hat sich die Lage im Baskenland vor mehr als vier Jahren grundlegend geändert, als die Untergrundorganisation ETA ihren bewaffneten Kampf nach 50 Jahren "definitiv" eingestellt hat. Doch weiterhin kann von einer Normalisierung und Konfliktlösung nicht gesprochen werden.

Das zeigt sehr deutlich der Umgang mit den 400 Gefangenen, die weiter in spanischen und französischen Gefängnissen sitzen. Drei Tage hat sich eine Delegation aus verschiedensten Fraktionen des Europaparlaments bis Mittwoch im Baskenland ein Bild auch von der Lage gemacht. Dabei war auch Gabi Zimmer, die Vorsitzende der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke.

Sieben Parlamentarier aus Irland, Belgien, Litauen, Schweden, Spanien und Deutschland, machten sich "vor Ort ein Bild über den Friedensprozess und die Situation der baskischen Gefangenen", sagte Zimmer Telepolis. Ausgangspunkt war, dass vor knapp einem Jahr Vertreter der Angehörigen der Gefangenen im Europaparlament berichtet hatten, wie sich die Lage der Gefangenen gestaltet, nicht einmal schwer erkrankte Gefangene Haftverschonung erhalten.

Ganz unbekannt war die fatale Situation - besonders in Spanien - den Europaparlamentariern nicht, schließlich hat ganz in der Nähe vom Europaparlament der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in den letzten Jahren das Land immer wieder wegen Folter verurteilt, die sogar Journalisten von illegal geschlossenen Zeitungen erleiden mussten. Auch sorgte das Urteil gegen Spanien für Furore, weil es willkürlich Haftstrafen von ETA-Gefangenen verlängert hatte, um ihre Freilassung zu verhindern.

In 30 Treffen tauschten sich die Europaparlamentarier im französischen wie im spanischen Baskenland mit Anwälten, Opfern, Angehörigen der Gefangenen, Abgeordneten, Regierungsvertretern, Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften über die derzeitige Situation aus. Die in Spanien regierende Volkspartei (PP), die sogar die Entwaffnung der ETA boykottiert, nahm wie üblich nicht an solchen Gesprächen teil.

"Die Wunden des jahrzehntelangen, gewalttätigen Konflikts sind noch überall zu spüren", erklärte Zimmer gegenüber Telepolis. Doch sie betonte auch, dass sich viele "Menschen aus Opfer- und Angehörigenvereinen, sozialen Bewegungen und Parteien dafür engagieren, Menschen zu versöhnen und den politischen Konflikt friedlich zu lösen". Das gilt aber nicht für die spanische Regierung, die an weiter an ihrer Repressionspolitik festhält.

So stellte die Delegation fest, dass nur vier der 400 Gefangenen, die noch auf Grund des Konflikts inhaftiert sind, ihre Strafe hier verbüßen. Dabei sehen die Strafgesetze eine heimatnahe Verbüßung vor. "Alle anderen sind absichtlich in ganz Spanien und Frankreich verteilt, so dass ihre Familien meist hunderte Kilometer für einen Kurzbesuch reisen müssen", kritisiert Zimmer auch das Vorgehen der sozialistischen Regierung in Frankreich. "Um Hafterleichterungen wie jeder andere Häftling zu erhalten, müssen die baskischen Gefangenen zusätzliche Auflagen erfüllen, die nur für sie gelten", beschreibt sie die besonderen Bedingungen, denen sie unterworfen sind.

Auch Martina Anderson von der irischen Sinn Féin fand klare Worte für die Zerstreuung der Gefangenen über beide Staaten. Sie spricht gegenüber Telepolis von einer "kollektive Strafe". Auch die Familie und Freundeskreise würden bestraft und die Konsequenz seien "Verletzte und Tote bei Unfällen" auf den langen Reisen.

Anderson weiß, wovon sie spricht. Sie hat selbst 13 Jahre im Knast verbringen müssen, davon zehn Jahre weit entfernt von der nordirischen Heimat in England. Sie spricht deshalb von massiven "Verletzungen von Grundrechten". Sie weiß aus den eigenen Erfahrungen im irischen Friedensprozess auch, wie wichtig Gespräche und Verhandlungen sind, um den Konflikt beizulegen, denen sich Spanien verweigert. Sie weiß auch, dass es in einer Friedenslösung auch eine Lösung der Gefangenenfrage geben muss.

Mit Zimmer appelliert die Delegation an Madrid deshalb, "diese historische Chance nicht durch eine Politik des Revanchismus leichtfertig zu verspielen". Selbst ETA-Opfer hätten der Delegation erklärt, diese Politik nicht nachvollziehen können. "Wenn die konservative Regierung in Madrid ein echtes Interesse an der Friedenslösung hat, dann ist jetzt der Moment die nötigen Schritte zu gehen", sagte Zimmer. Die Delegation will einen Bericht über die Vorgänge verfassen und Initiativen starten, damit sich die Lage ändert.