Sozialisten in Spanien laufen vor die Wand

Der PSOE-Parteichef Sánchez verstrickt sich immer stärker in seinem Versuch, irgendwie spanischer Regierungschef zu werden

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Eigentlich blickt in Spanien niemand mehr richtig durch, wie der Chef der Sozialisten (PSOE) Pedro Sánchez Ministerpräsident werden will. Vielleicht hat auch Sánchez den Überblick schon vor der ersten Abstimmung im Madrider Parlament heute verloren. In seiner Rede zur Amtseinführung vor dem Parlament hat er am Dienstag an alle Parteien appelliert, eine Regierung "der Reformen", des "Wandels und Fortschritts" zu ermöglichen, um Neuwahlen und politische Instabilität zu vermeiden.

Doch seine Kandidatur ist extrem schwach, obwohl er sich am vergangenen Wochenende mit einer allgemeinen Frage bei einer Mitgliederbefragung Unterstützung für seine "Abkommen" geholt hat. Knapp 79 % stimmten mit Ja, doch nur 51% nahmen teil. Viele – vor allem die Parteilinke – verstehen seinen Kurs nicht. Viele blieben der Abstimmung fern, um Sánchez und die PSOE nicht noch weiter zu schwächen.

Sein Problem ist, dass er nur über ein Abkommen mit den neoliberal-konservativen "Ciudadanos"(Bürger) verfügt. Damit ist klar, dass er der erste Kandidat in der neueren Landesgeschichte wird, der heute durchfällt. Insgesamt schreibt der PSOE-Chef Geschichte. Er präsentiert sich als erster Kandidat, der nicht nur die Wahlen klar verloren hat und so Ministerpräsident werden will, sondern dies auch noch mit dem schlechtesten Ergebnis der Parteigeschichte versucht.

Auf seiner Flucht nach vorne ist aber das größte Problem des rechten Sozialdemokraten, dass die 130 Stimmen seiner PSOE und der Bürger auch im zweiten Wahlgang am Freitag nur reichen, wenn sich entweder die konservative Volkspartei (PP) oder die linke neue Podemos (Wir können es) enthält. Sánchez Pakt zielte mit seinem Rechtspakt mit den Ciudadanos auf eine Unterstützung der PP ab, denn die Grundlinien ihrer Politik der letzten vier Jahren werden darin fortgeschrieben. Die PP hat zwar ihre Mehrheit verloren, aber gewann Wahlen im Dezember mit knapp 29% und will keinen "Wahlverlierer" stützen. "Nein ist Nein", hat der PP-Chef Mariano Rajoy heute erklärt. "Welchen Teil davon haben Sie nicht verstanden", antworte er auf das Werben von Sánchez Unterstützung von "rechts und links" und einer "Vermischung der Ideologien".

Da längst klar war, dass die PP heute und Freitag definitiv gegen Sánchez stimmen wird, hat dieser schon vor seiner Kandidatenrede am Dienstag wie ein gehetztes Kaninchen Haken nach links geschlagen. Mit seinen Schachzügen versucht er nun vor allem Linksparteien ins Boot zu holen. Doch die hatte er mit seinem Pakt vergrätzt, weil es ein "Abkommen ist, das die Börse fasziniert", sind sich Podemos und die Vereinte Linke (IU) einig.

Mit Erstaunen stellten aber die Bürger fest, wie der um seine Karriere kämpfende Sánchez das gemeinsame Abkommen interpretiert. Er behauptet, man werde die PP-Arbeitsmarktreform genauso "abschaffen" wie ihr "Knebelgesetz", das demokratische Grundrechte massiv beschneidet oder auch das restriktive Bildungsgesetz (Lomce). Der Ciudadanos-Chef Albert Rivera erklärte: "Ich kann nicht verhindern, wenn Pedro Sánchez etwas sagt, was nicht im Dokument vereinbart wurde", sagte er mit Blick darauf, dass er den PSOE-Mitgliedern für die Befragung etwas "verkaufen musste", was nicht den Tatsachen entspricht.

Sánchez reagierte damit auch darauf, dass es den Bürgern in den letzten Tagen etwas zu bunt wurde, wie er die Vereinbarungen ausgelegt hatte. Sánchez könne nicht "etwas Widersprüchliches dazu" mit anderen vereinbaren, sagte Parlamentssprecher Juan Carlos Girauta Blick auf Angebote, die er am Montag der Linken noch gemacht hat.

Linke fordert Entscheidung zwischen den neoliberalen "Bürgern" und dem Anti-Austeritätskurs

Diese Angebote wies der Podemos-Chef Pablo Iglesias ohnehin sofort zurück: "Es ist unseriös." Man habe mit "Kopieren und Einfügen" Teile aus dem Pakt mit der Rechten herausgetrennt, allgemeine und "unkonkrete" und "hohle" Angebote eingefügt, aber die "sehr beschämenden Maßnahmen" daraus weggelassen. Dieses Spiel wird keine Linkspartei mitspielen. Sie fordern von Sánchez, sich zwischen dem neoliberalen Rivera und einem Anti-Austeritätskurs zu entscheiden. Man könne nicht auf zwei Hochzeiten tanzen und in zwei Verhandlungen diametral gegensätzliche Maßnahmen fordern.

Vor allem die starke Podemos versucht Sánchez nun schon für sein Scheitern verantwortlich zu machen. Denn damit erhalte die rechte PP wieder eine Chance, weiter zu regieren. Der König könnte den PP-Chef Mariano Rajoy mit der Regierungsbildung beauftragen, der dies angesichts fehlender Unterstützung im Januar abgelehnt hatte. Sánchez versucht den gesamten Vorgang in ein Ja oder Nein zu Mariano Rajoy zu verwandeln.

Doch Podemos erinnert daran, dass es keinen Sinn hat, Rajoy zu beseitigen, wenn seine Politik von PSOE und Ciudadanos fortgeführt werde. Und auch an der Podemos-Basis verfängt diese Argumentation nicht. Bei Umfragen lehnen es mehr als 90% der Sympathisanten ab, eine Regierung auf Basis dieses Pakts zu ermöglichen. Zudem bleiben zwei Monate bis zum 3. Mai, nachdem Sánchez am Freitag in der zweiten Abstimmung vor die Wand läuft. Denn erst wenn Anfang Mai keine Regierung steht, müssen Neuwahlen angesetzt werden.

Also hat auch Sánchez weiter die Chance, nach links zu schwenken und der Austeritätspolitik eine Absage zu erteilen, um mit Podemos und IU eine Regierung zu bilden, die ihm weiter die Hände entgegenstrecken. Podemos wird nach dem Rechtsschwenk mit noch mehr Nachdruck eine Koalitionsregierung fordern, um Sánchez kontrollieren zu können. Eine portugiesische Lösung, wo die radikale Linke den vertrauenswürdigen Sozialisten stützt, ist angesichts der Winkelzüge von Sánchez und seiner Partei in Spanien unmöglich.