Flüchtlinge machen auch Marokko selbstbewusster

Das autokratische Königreich lässt wie die Türkei die Muskeln spielen und wirft sogar Mitarbeiter der UN-Friedensmission aus dem Land

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Marokko weiß, dass die EU-Flüchtlingspolitik das Land in eine neue Lage bringt, da mit dem Türkei-Deal davon ausgegangen wird, dass die Bedeutung Marokkos durch Verschiebung von Fluchtrouten bei der Abschottung zunimmt. Auch die neuen Terroranschläge in Brüssel werden das Selbstbewusstsein des Landes steigern, da es auch in die Bekämpfung islamistischen Terrors eingebunden ist.

Dass Marokko seine Interessen immer offener vertritt, zeigte sich kürzlich sehr deutlich. Mit dem IKEA-Boykott zwang es sogar Schweden in die Knie. Denn das nordeuropäische Land erkannte die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) doch nicht wie geplant als erstes EU-Land an. Dagegen hatte sich Marokko gestemmt, das die Westsahara seit 1975 völkerrechtswidrig besetzt hält.

Dass mit Ban Ki Moon kürzlich erstmals ein UN-Generalsekretär die besetzte Westsahara besucht hat und dabei von einer "Besatzung" durch Marokko sprach, brachte die Regierung auf die Palme. Sie sprach von einer "völlig inakzeptablen" Bemerkung. Als Reaktion wurden 81 zivile Angestellte der UN-Friedensmission (Minurso) und drei Beobachter der Afrikanischen Union (AU) aus dem Land geworfen. Nun droht das autokratische Königreich sogar damit, die knapp 250 Minurso-Blauhelmsoldaten rauszuwerfen.

Die Minurso ist dem Land ein Dorn im Auge, das schon seit 25 Jahren die Durchführung des Referendums über die Unabhängigkeit der Westsahara hintertreibt. Es war die Grundlage des Waffenstillstands mit der Befreiungsfront Polisario und sollte der letzte Schritt zur Entkolonialisierung in Afrika sein. Minurso soll die Waffenruhe überwachen und scheitert seit einem Vierteljahrhundert an Marokko bei der Durchführung des Referendums. Die Mission darf nicht einmal die Menschenrechtsverletzungen Marokkos an den Saharauis überwachen.

Eine Ausweitung des Mandats hat Marokko erfolgreich verhindert. Wie im Fall der Türkei wird auch in Deutschland darüber debattiert, Marokko zu einem sicheren Herkunftsland zu erklären. Dabei ist bekannt, dass Marokko repressiv gegen alle Gegner des Regimes und brutal gegen Flüchtlinge vorgeht. Proteste der Saharauis werden brutal unterdrückt. In den Knästen sitzen politische Gefangene, in denen nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen auch weiter gefoltert wird. Journalisten und Beobachtern wird immer wieder die Einreise in die besetzten Gebiete verweigert, um Berichte über die Lage der Saharauis zu unterdrücken.

Die seit langem schwelende Krise zwischen der UN und Marokko hat nun einen neuen Höhepunkt erreicht und die Kriegsgefahr steigt in der Region weiter. Viel hängt nun davon ab, wie der Sicherheitsrat der UN auf die neue Provokation Marokkos reagiert. Der marokkanische Außenminister Salaheddine Mezouar sprach von "unwiderruflichen" Maßnahmen. Man denke in Rabat schon über weitere nach, doch die Umsetzung hänge davon ab, wie der Sicherheitsrat mit der Zuspitzung des Konflikts umgehe.

Angesichts der immer aussichtsloseren Lage sowohl in den Wüstenlager nahe der algerischen Stadt Tindouf, in denen fast 200.000 Flüchtlinge leben, und der Repression gegenüber den Saharauris in den Gebieten unter marokkanischer Kontrolle, steigt das Risiko seit Jahren, dass die Waffenruhe gebrochen wird. Der Vertreter der Polisario in der UNO wies auf das steigende Kriegsrisiko hin, wenn auch die Blauhelme die Region verließen. "Das ist eine Einladung zum Krieg", erklärte Ahmed Bujari. "Was bleibt, wenn es keinen politischen Prozess gibt?" Bujari hofft, dass sich der Sicherheitsrat hinter Ban stellt, der das Vorgehen Marokkos als "beispiellos" bezeichnet. Marokko greife den UN-Generalsekretär und die Vereinten Nationen an, erklärte dessen Sprecher Stephane Dujarric.