Zweifel an erhöhtem Etat für Entwicklungszusammenarbeit

Entwicklungsgelder nach Angaben der Bundesregierung auf 0,52 Prozent des Bruttonationaleinkommens gestiegen. Fragen von NGOs und Opposition

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Deutschland hat nach Angabe des Entwicklungsministeriums im vergangenen Jahr rund 26 Prozent mehr für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt. "Das zeigen die heute von der OECD veröffentlichten vorläufigen Zahlen zu den staatlichen Leistungen für Entwicklungszusammenarbeit, die als ODA (Official Development Assistance) bezeichnet werden", heißt es in einer Presseerklärung des Ministeriums.

Die Höhe der deutschen ODA-Leistungen habe im vergangenen Jahr rund 16 Milliarden Euro betragen. Damit bleibe Deutschland der drittgrößte Geber von Entwicklungsleistungen nach den USA und Großbritannien. "Die deutsche ODA-Quote, das heißt, das Verhältnis der öffentlichen Entwicklungsleistungen zum Bruttonationaleinkommen, stieg auf 0,52 Prozent. Im Jahr 2014 waren es noch 0,42 Prozent", betont das Entwicklungsministerium.

Nach Ansicht von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) steht Deutschland "mit der Flüchtlingskrise vor einer historischen Herausforderung", der die Bundesregierung mit einer "erheblichen Steigerung des Haushalts des Entwicklungsministeriums" Rechnung trage. "Höhere Flüchtlingskosten in Deutschland sind dabei keine Konkurrenz für unser Ziel, den Flüchtlingen in der Krisenregion rund um Syrien zu helfen und eine langfristige Perspektive zu geben: Mit Schulunterricht, Ausbildung, Arbeit", so Müller weiter.

Fachorganisationen stellen dieses Selbstlob jedoch in Frage. Nach Ansicht der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam kommt der massive Sprung vor allem zustande, "weil Deutschland die anfallenden Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen einrechnet". Dabei habe die Bundesregierung vorherigen Beteuerungen zum Trotz viel höhere Ausgaben pro Flüchtling angerechnet als in den vergangenen Jahren.

Oxfam-Experte Tobias Hauschild forderte die Bundesregierung auf, die Flüchtlingskosten nicht als ODA-Ausgaben zu deklarieren. "ODA-Ausgaben müssen ausschließlich der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung armer Länder dienen. Ansonsten führt das zu einer Verzerrung der ODA-Quote. Dies wird zudem zum Bumerang, wenn die Flüchtlingskosten wieder sinken sollten und die Quote dann in sich zusammenfällt", so Hauschild.

"Deutschland rechnet rund 2,7 Milliarden Euro Flüchtlingskosten als Entwicklungsgelder an", kritisierte auch Renate Bähr, Geschäftsführerin der Stiftung Weltbevölkerung. Damit werde Deutschland zum größten Empfänger seiner eigenen Entwicklungsausgaben. "So wichtig es auch ist, dass Deutschland in die Menschen investiert, die hierher geflüchtet sind – diese Mittel tragen nicht zur Entwicklung armer Länder und zur Bekämpfung von Fluchtursachen bei", so Bär weiter.

Die Grünen-Bundestagsabgeordneten Uwe Kekeritz und Anja Hajduk bezeichneten es als problematisch, dass die ODA-Quoten der Länder nicht vergleichbar sind. "Einige Länder melden in hohem Maße Inlandsausgaben für Geflüchtete, andere fast gar keine", schrieben sie. "Wir fordern, dass das Meldeverfahren für Inlandskosten vereinheitlicht wird und transparent gemacht wird, wie hoch der Inlandsanteil ist. Nur so können die Entwicklungsausgaben vergleichbar gemacht werden", so Kekeritz und Hajduk.

"Seit Jahrzehnten erreicht die Bundesregierung die Mindestquote von 0,7 Prozent nicht, und nun wird die Quote künstlich aufgebläht", meint die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Heike Hänsel. Dadurch fehle reales Geld für Armutsbekämpfung und soziale Entwicklung in den Ländern des Südens. "Im Rüstungsbereich sieht das ganz anders aus, hier will die Bundesregierung mit 130 Milliarden Euro Mehrausgaben in den nächsten Jahren klotzen und nicht kleckern", fügte Hänsel an: "Wir fordern, diese Militärausgaben umzuwidmen in Investitionen in Soziales, Bildung und Armutsbekämpfung."