Brasiliens Umstürzler beraten sich schon in Washington

Senator aus dem Umfeld des Vizepräsidenten und Rousseff-Gegners Temer traf am Montag in den USA ein. Mittagessen mit Lobbyisten

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Brasiliens Vizepräsident Michel Temer, der nach Darstellung der regierenden Arbeiterpartei (PT) an der Spitze eines parlamentarischen Putschversuchs gegen Präsidentin Dilma Rousseff steht, hat nach Darstellung einer führenden brasilianischen Tageszeitung bereits einen Emissär nach Washington entsandt. Senator Aloysio Nunes kam nach Angaben der Zeitung Folha de Sao Paulo am Montag in Washington mit US-Funktionären und Lobbyisten aus dem Umfeld von Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton zusammen.

Das Investigativ-Portal The Intercept griff die international wenig beachtete Meldung auf und recherchierte zur Reise Nunes'. Demnach kommt der Senator der rechtsgerichteten Partei PSDB mit dem republikanischen Vorsitzenden des Außenpolitischen Komitees des US-Senats, Bob Corker, und dem Staatssekretär im US-Außenministerium, Thomas Shannon, zusammen, der die USA zuvor als Botschafter in Brasilien vertreten hatte und dabei mehrfach in Konflikt mit der PT-Führung gekommen war. Die PSDB von Nunes bezeichnet sich als sozialdemokratisch, nimmt inzwischen aber eine Mitte-rechts-Position ein und unterstützt das Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff uneingeschränkt.

Im Zuge dieses Verfahrens hatten sich am Sonntag mehr als zwei Drittel der Abgeordneten wenig überraschend für die Ermittlungen ausgesprochen. Zuvor waren zwei ehemals mit Rousseff verbündete Parteien nacheinander aus der Koalition ausgetreten. 367 Abgeordnete stimmten für das Amtsenthebungsverfahren, 137 dagegen. Zwei Abgeordnete fehlten, sieben enthielten sich. Die Gegner der Regierung werfen Rousseff vor, mit dem Haushalt getrickst zu haben, um im Wahlkampf 2014 ihre Chancen zu verbessern.

Die Reise des brasilianischen Senators Nunes findet, so schreiben Folha de Sao Paulo und The Intercept, im Rahmen einer PR-Offensive von Vize-Präsident Temer statt. Dieser, so heißt es bei The Intercept, "agiert schon so, als ob er an der Spitze Brasiliens stehen würde". Zuvor waren ebenfalls von Folha de Sao Paulo Audioaufnahmen veröffentlicht worden, in denen Temer eine Regierungsansprache im Fall des Sturzes von Rousseff einübt.

Die zunehmend schlechte Presse angesichts des unglaubwürdigen und konstruierten Amtsenthebungsverfahrens (Brasiliens korrupte Bonzen setzen zum Putsch an), macht dem Möchtegernpräsidenten aber zu schaffen. Daher habe er Nunes nach Washington geschickt, um dort mit dem Lobbyunternehmen Albright Stonebridge Group zusammenzukommen, der die ehemalige Außenministerin (unter Bill Clinton), Madelaine Albright, vorsteht.

Die brasilianische Botschaft in Washington und das Büro von Nunes gaben auf Anfrage von The Intercept an, keine weiteren Informationen zu einem für Donnerstag geplanten Arbeitsessen zu haben, das die Albright Stonebridge Group für Nunes organisiert. Die Lobbyorganisation selbst antwortete, dass es "keine Medientermine" gebe. Das Büro von Temer verwies auf eine Stellungnahme gegenüber der Folha de Sao Paulo. Darin weist der Politiker die Darstellung zurück, er persönlich habe die Reise angeordnet.