Türkisches Konsulat in Rotterdam forderte zur Meldung von Erdogan-Beleidigungen auf

Noch in einfacheren Zeiten. Ministerpräsident Rutte 2012 beim Besuch von Erdogan, damals noch Regierungschef. Bild: Minister-president Rutte/CC-BY-SA-2.0

Nach Böhmermann interveniert die Türkei auch in den Niederlanden, dort gibt es auch noch ein Verbot von Majestätsbeleidigung

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Nachdem die türkische Regierung unter ihrem Präsidenten, der gerne noch mehr Macht haben würde, bereits erfolgreich mit der deutschen Regierung im Würgegriff der Flüchtlingspolitik ein Exempel setzen konnte, scheint man mit dem Ansatz, im Ausland direkt zu intervenieren, auf die Tube zu drücken. Dabei geht es auch um eine Propaganda-Offensive, aber eine, die das Verhältnis des türkischen Staats zu Medien und Journalisten ins Ausland übertragen will, damit nicht nur Kritik im Inland, sondern auch im Ausland ausgehebelt wird.

Gerade erst wurde dem ARD-Korrespondenten Volker Schwenck die Einreise in die Türkei verweigert. Der Grund ist, er habe Verbindungen zu Terroristen, da der Journalist u.a. Berichte über syrische Kurden gemacht hatte. Als Terroristen oder deren Mithelfer werden von der AKP-Regierung alle Politiker, Journalisten, Akademiker oder Intellektuelle bezeichnet, die das Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte gegen die kurdische Bevölkerung im eigenen Land kritisieren. Kanzlerin Merkel konnte sich nur zu der Bemerkung hinreißen lassen: "Wir sehen das mit gewisser Besorgnis."

Das türkische Außenministerium hat nach Medienberichten Anfang der Woche auch den niederländischen Botschafter einbestellt, weil man mit Karikaturen nicht einverstanden war, die den leicht beleidigbaren und seine (islamische?) Männerehre mit großem Aufwand auch persönlich verteidigenden Präsidenten Erdogan nicht angemessen zeigen. Wie in Deutschland gibt es auch in den Niederlanden noch einen Paragrafen, nach dem Majestätsbeleidigung mit bis zu zwei Jahren bestraft werden kann.

Nach dem Böhmermann-Fall hatten Abgeordnete einen Gesetzesvorschlag zur Abschaffung des Paragrafen eingereicht, der im Parlament auf große Zustimmung stieß. Die niederländische Regierung will sich nun beeilen, das Verbot abzuschaffen, kommt jetzt aber auch ins Dilemma. Offenbar war Majestätsbeleidigung wie in Deutschland auch in den Niederlanden kaum bestraft worden. Ausgerechnet wegen Beleidigung von Adolf Hitler waren in den 1930er Jahren drei Männer belangt worden. 1966 wurde ein Student zu zwei Wochen Gefängnis wegen Beleidigung des US-Präsidenten Lyndon Johnson verurteilt.

Der niederländische Botschafter, der am Freitag ins türkische Außenministerium ging, äußerte allerdings seinerseits Befremden über eine Email, die vom türkischen Konsulat in Rotterdam an türkische Organisationen in den Niederlanden verschickt worden war. Die Empfänger wurden aufgefordert mitzuteilen, wer in welchen Kommentaren auf Facebook, Twitter oder anderen Sozialen Netzwerken den Präsidenten, die Türkei oder das türkische Volk beleidigt hat. Bis Donnerstag zum Dienstschluss sollten die Antworten an dieselbe Adresse gerichtet werden: info.cgrotterdam@mfa.gov.tr.

Am Tag zuvor hatte der niederländische Regierungschef Rutte auf der Pressekonferenz mit Angela Merkel bereits darauf hingewiesen. Er sei überrascht, was die türkische Regierung mit dieser Aktion bezwecken wolle, und werde den Botschafter wegen einer Erklärung anfragen lassen. Abgeordnete hatten den langen Arm Erdogans kritisiert und eine Diskussion im Parlament verlangt. Das türkische Konsulat erklärte, bei der Email handele es sich um ein Missverständnis. Ein Mitarbeiter habe in der Formulierung Fehler gemacht. Der Aufruf, Beleidigungen zu melden, sei nicht beabsichtigt gewesen, man wolle nur die seit Böhmermann laufende Hasskampagne beobachten. Eine Sprecherin der türkischen Botschaft in Den Haag erklärte, die Türkei wolle keine Klagen in den Niederlanden wegen Beleidigung anstrengen, obgleich nach dem Fall Böhmermann eine Flut von "Hassmails" eingehe.