TTIP-Widerstand aus den Kommunen

Bild: Ecologistas en Accion

Aus den europäischen Kommunen soll nach einem Treffen in Barcelona der Widerstand gegen umstrittene Freihandelsabkommen entwickelt werden

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Die katalanische Metropole Barcelona hatte geladen und aus Wien, Sevilla, Köln, Birmingham, Madrid, Grenoble, Gorna Malina, Brüssel, Korfu und aus insgesamt 40 europäischen Städten und neun Ländern waren Bürgermeister oder Stadträte in den spanischen Staat gereist. Am vergangenen Donnerstag und Freitag wurde dort der Grundstein zur Vernetzung von Kommunen und Regionen gegen die umstrittenen Freihandelsabkommen gelegt, gegen die zehntausende Menschen am Samstag in Hannover demonstriert haben (Ein Signal an Obama und Merkel).

Barcelona hatte die Initiative einer internationalen Koordination aufgegriffen und Lokalpolitiker aus ganz Europa zur Konferenz "Local Authorities and the New Generation of Free Trade Agreements" eingeladen, um ein Netzwerk gegen die umstrittenen Abkommen TTIP, CETA und TiSA zu gründen. Neben der linken Stadtregierung, die seit knapp einem Jahr auch Barcelona regiert, war auch die große Umweltschutzorganisation "Umweltschützer in Aktion" an der Vorbereitung beteiligt. Für deren Sprecher Tom Kucharz ist es "besonders bedeutsam", dass sich eine so wichtige Stadt gegen TTIP stellt.

Gegenüber Telepolis unterstrich er die Bedeutung, dass Barcelona sich gegen TTIP verpflichtet habe und nun darüber hinausgegangen werde, "nur Erklärungen zu verfassen". Einen solchen Beschluss gegen TTIP hatte der Stadtrat schon vergangenen Oktober verabschiedet und mit der Vernetzung und der Koordination, an der sich auch große Städte beteiligen, könnten kleine Gemeinden sich zum Beispiel an Klagen beteiligen oder zivilen Ungehorsam organisieren, was sie alleine niemals stemmen könnten.

"Wir wollen informiert und zu den Entscheidungen gehört werden, die unser Leben beeinflussen", erklärte der Vize-Bürgermeister Gerardo Pisarello den Konferenzteilnehmern. "Wir wollen nicht, dass Entscheidungen getroffen werden, die nicht der Kontrolle gewählter Vertreter unterworfen sind", kritisierte er Geheimniskrämerei und Intransparenz bei den Verhandlungen über die Abkommen.

Dies schlägt sich auch in der "Barcelona-Erklärung" nieder, die gemeinsam verabschiedet wurde: "Diese Verträge werden intransparent ausgehandelt und erfüllen damit nicht die europäischen demokratischen und partizipativen Standards." Sie dürften nicht Handelsgeheimnissen geopfert werden. Europa stehe am Scheideweg und die Lösung der derzeitigen Krisen müsse politischer Natur sein. "Daher sind wir der Meinung, dass Europa zentrale Werte wie Solidarität, die Achtung von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit in den Mittelpunkt seiner Politik stellen muss."

Die neuen Abkommen basierten dagegen auf Freihandel, dabei müsse Europa "soziale und ökologische Rechte, ebenso wie Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern stärken". Gefordert wird, die "Verhandlungen über TTIP und TiSA so lange auszusetzen, bis den Anliegen von lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Ratifizierung eines jeden dieser Verträge in vollem Umfang Rechnung getragen wird".

Wichtiger Schritt zur Vernetzung

Dass es auch in Nordamerika Widerstand gegen TTIP gibt, machte Sharon Treat deutlich. Sie war aus dem US-Bundesstaat Maine angereist. Denn auch dort gehen viele davon aus, dass die Abkommen vor allem Nachteile für die Bevölkerung bringen werden. "Die öffentlichen Verwaltungen und Gemeinderegierungen laufen die größte Gefahr, ihre Souveränität zu verlieren", erklärte sie. Deshalb hätten sich schon mehr als 100 Städte gegen TTIP ausgesprochen, darunter Miami oder Seattle.

Die Beteiligung aus Deutschland war begrenzt. Nur aus Köln war mit Frieder Wolf mit dem Leiter für Internationale Angelegenheiten ein Vertreter einer Stadt angereist. Dabei haben sich schon etwa 350 Kommunen kritisch oder ablehnend gegen TTIP ausgesprochen. Anwesend waren aber auch Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, wie Arno Behlau von Attac. "TTIP, CETA und TiSA gefährden die kommunale Selbstverwaltung." Mit ihnen drohe europaweit eine neue Privatisierungswelle in den Städten und Gemeinden, argumentiert er gegenüber Telepolis. Somit werde auch die Rekommunalisierung der Energieversorgung oder anderer Dienstleistungen massiv erschwert.

Sogar "Soziale Dienstleistungen, die heute vor allem in Deutschland von den Kommunen oder Wohlfahrtsverbänden erbracht werden, müssten künftig über den Atlantik hinweg ausgeschrieben und an renditeorientierte Privatunternehmen vergeben werden." Die Kommunen verlören damit wesentliche Gestaltungmöglichkeiten, meint Behlau. Unternehmen könnten demnach über Sonderklagerechte Schadensersatz fordern, wenn öffentliche Auflagen ihre Gewinnerwartungen einschränken.

Die geringe Beteiligung aus Deutschland erklärt sich der Attac-Sprecher damit, dass die Konferenz "sehr kurzfristig" angesetzt worden sei. Aber wie Kucharz spricht auch er von einem "wichtigen ersten Schritt zur Vernetzung" von Betroffen, die bisher ausgeschlossen seien. "Die Konferenz ist als Beginn eines Prozesses zu sehen - schon jetzt liegen Einladungen von Kommunen vor, die nächste Paneuropäische Konferenz auszurichten." Barcelona sei ein "Angebot an Kommunen in Europa". Die seien nun aufgefordert, "sich der wachsenden Bewegung der anzuschließen". Der Attac-Vertreter hält es für wichtig, dass "eines endlich bekannt wird, nämlich nicht nur bei uns 'hysterischen' Deutschen, sondern überall regt sich Widerstand gegen den geplanten Aufbau einer intransparenten und undemokratischen Wirtschaftsordnung, die an den Bedürfnissen der Menschen vorbei, allein zum Wohl international agierender Finanz- und Wirtschaftsinteressen mit CETA, TTIP, TiSA, EPA usw... einen Rahmen festschreiben will, der einmal in Kraft, kaum noch verrückbar ist."

Die Folgekonferenz soll noch im Herbst im französischen Grenoble stattfinden. Doch sie könnte auch noch verschoben werden, erklärte Kucharz, wenn tatsächlich das CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada im Oktober in Brüssel unterzeichnet werde. Dann würde man zunächst gemeinsam nach Brüssel mobilisieren, erklärte der Sprecher der Umweltschutzorganisation. Allerdings gäbe es Hinweise, dass der Widerstand aus Regionen es unmöglich mache, dieses "Trojanische Pferd" schon festzuzurren, wie Attac das Abkommen bezeichnet.