TTIP ohne ZerrSPIEGEL

Hamburger Nachrichtenmagazin setzte aufs falsche Pferd

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Greenpeace lässt heute die TTIP-Katze aus dem Sack. Zuvor hatten die Umweltaktivisten dem Rechercheverbund von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung einen Blick auf die Dokumente gestattet. Der Scoop, der erstmals in der Tagesschau platziert wurde, traf das einst führende politische Magazin erneut unvorbereitet. Selbst netzpolitik.org-Blogger Markus Beckedahl war offenbar besser informiert, denn heute wird dessen Veranstaltung re:publica zur Bühne des TTIP-Leaks.

Die Entscheidung von Greenpeace, das Material offenbar nicht dem einst für investigativen Journalismus berühmten Spiegel zuerst anzubieten, dürfte mit dessen tendenzöser Berichterstattung zu TTIP zusammenhängen. Als letzten Sommer in Berlin zwischen 150.000 und 250.000 Menschen gegen TTIP demonstrierten, denunzierte SPIEGEL ONLINE den Protest als "Schauermärchen vom rechten Rand". Bei derart infamer Propaganda bekamen selbst andere atlantisch geprägte Hamburger Blätter Fremdscham.

Obwohl es sich bei der TTIP-Demo um die wohl bislang größte Demo seit den NATO-Protesten im Bonner Hofgarten von 1983 handelte, berichtete der SPIEGEL lieber ausgiebig und nachhaltig über die medial omnipräsenten Pegidioten, obwohl deren deutlich kleinere Spaziergänge ein regionales Phänomen geblieben sind.

Staatsbürgerkunde online

Statt mit Journalismus versuchte es der SPIEGEL dann mit "Staatsbürgerkunde": So präsentierte SPIEGEL ONLINE bei TTIP-Artikeln stets ein groteskes Propaganda-Video, in welchem Redakteurin Annett Meiritz von einer "scheinend mangelnden Transparenz" kündet und es für okay hält, dass "nicht jeder Bürger daran beteiligt" sei. Tapfer doziert die Journalistin, dass TTIP ja demokratisch legitimiert sei, weil die Verhandlungen ja von den gewählten Politikern abgesegnet worden seien.

Wenn Pressevertreter die Öffentlichkeit für überflüssig erklären, kann das eigentlich nur Satire sein. Dieses interessante Verständnis von politischem Journalismus erinnert an den SPIEGEL-Titel "Stoppt Putin jetzt", mit dem die von der EU mitgetragenen US-Sanktionen gegen Russland verkauft werden sollten - und die Leserschaft für dumm.