Ein Déjà-vu mit der Staatspleite Griechenlands

Foto: Wassilis Aswestopoulos

Premierminister Alexis Tsipras stehen schwierige Wochen bevor: Er muss weitere unpopuläre Maßnahmen an seine Wählerschaft verkaufen

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Griechenland feiert das orthodoxe Osterfest. Doch am Fest der Auferstehung, dem höchsten christlichen Fest, scheint kaum etwas so weit entfernt wie die Auferstehung der brach liegenden Wirtschaft oder des normalen politischen Lebens.

Zu Beginn der Verhandlungen mit den Kreditgebern, im Winter 2015-16 hatte Finanzminister Euklid Tsakalotos verkündet, "wir sind verloren, wenn sich die Verhandlungen bis in den Mai ziehen". Eigentlich sollte die Beurteilung der Fortschritte Griechenlands bereits im Oktober 2015 abgeschlossen sein. Aber die Verhandlungen ziehen sich weiter hin.

Griechenlands schwere Wochen

Nachdem die Regierung mit der Forderung eines EU-Gipfels zur griechischen Schuldenfrage und zu den Verhandlungen mit der erneut allseits Troika genannten Gruppe von Kreditgebern gescheitert ist, wurde ein Treffen der Eurogruppe für den 9. Mai angesetzt.

Premierminister Alexis Tsipras stehen schwierige Wochen bevor. Er hatte vor Monatsfrist in einem Fernsehinterview verkündet, dass Griechenlands Wirtschaft mit dem Osterfest eine totale Wende zum Guten erleben würde. Stattdessen muss er nun ein zusätzliches Sparmemorandum auf Reserve, das insgesamt vierte seit 2010, unterschreiben. Das Maßnahmenpaket hat einen für Tsipras geradezu fatalen Haken. Es greift, wenn Griechenland ab 2018 nicht die geforderten 3,5 Prozent am BIP gemessenen Primärüberschuss im Staatshaushalt präsentieren kann.

Dann sind knapp 3,5 Milliarden Euro umfassende Maßnahmen erforderlich. Diese sind nur nominell als Sparmaßnahmen oder Reformen betitelt. Im Kern handelt es sich um einen Mix aus Steuerhöhungen, welche ein Drittel der Maßnahmen ausmachen sollen und zu zwei Dritteln um Ausgabenkürzungen. Bei den Ausgabenkürzungen sind natürlich weitere Renten- und Gehaltskürzungen zu erwarten.

Foto: Wassilis Aswestopoulos

Für die griechische Regierung kommt erschwerend hinzu, dass der IWF die Daten von Eurostat anzweifelt. Ebenso wie vor sechs Jahren die Statistiken der griechischen ElStat nicht akzeptiert wurden, wird nun mit den Bekanntmachungen der EU-Behörde verfahren. Somit hat Tsipras bei einer Unterschrift unter die Vereinbarung nicht mehr die Sicherheit, dass die Eurostat-Zahlen entscheidend sind.

Ohne weitere Diskussion würde das Memorandum also in Kraft treten, wenn der IWF den Griechen einen geringeren Primärüberschuss als die ohnehin bereits schwer erreichbaren 3,5 Prozent des Primärüberschusses attestieren würde.

Der Automatisierungsmechanismus birgt jedoch noch einen weiteren Fallstrick. Das Paket dient dazu, die in Griechenland so genannte "Lebensfähigkeit", also die Tragbarkeit der Staatsschulden zu erhalten. Damit wäre ein Schuldenschnitt in noch weitere Ferne gerückt als bisher. Genau damit aber, mit der bei seiner Unterschrift im Juli 2015 gemachten Versprechung seitens der Kreditgeber über die Diskussion zu einem Schuldenschnitt, hatte Tsipras seine Anhänger bislang bei Laune gehalten. Die Maßnahmen dienen jedoch schlicht dazu, den Schuldendienst des Landes zu gewährleisten.

Rentenkürzungen, Mehrwertsteuererhöhung, längere Lebensarbeitszeiten

Allerdings muss Tsipras neben den schlussendlich doch angebotenen massiven Rentenkürzungen bereits jetzt zahlreiche weitere unpopuläre Maßnahmen an seine Wählerschaft und vor allem an seine Abgeordneten verkaufen. So steigt bei der Mehrwertsteuer der Spitzensteuersatz, der 2009 noch bei 19 Prozent lag und erheblich weniger Produkte betraf, nach Verabschiedung eines weiteren, sofort gültigen Sparpaket über ungefähr 5,4 Milliarden Euro von 23 auf 24 Prozent.

Damit werden unter anderem die Nahrungsmittel, aber auch der Tourismus erneut verteuert. Zusätzlich dazu werden die Mineralölsteuern und weitere Verbrauchssteuern erhöht. Der Tourismus leidet zudem darunter, dass die Preise für bestimmte Museen verdoppelt wurden. Der traditionelle Gang auf die Akropolis in Athen kostet nunmehr 20 Euro pro Person, während es bislang nur 10 Euro waren. Durch Veränderung, aber auch Erhöhung der Einkommenssteuersätze wird die direkte Besteuerung von natürlichen Personen, aber auch von Unternehmen weiter erhöht.

Die Nebenkosten für Arbeitgeber werden zudem ebenso angehoben wie die Lebensarbeitszeit. Faktisch zahlen Freiberufler und Selbstständige künftig mehr als doppelt so viel an Sozialbeiträgen, um eine im Schnitt dreißig Prozent geringere Rente zu erhalten. Als Gipfel wird von vielen empfunden, dass künftig auch auf die Benutzung des Internets Steuern erhoben werden sollen. Alles in allem führen fast alle dieser "Reformen" genannten Maßnahmen zu einer Rezession, was wiederum das angestrebte Plus im Haushalt deutlich in Frage stellt.

Die perfekte Schuldenfalle

Selbst die einer Reformpolitik eigentlich nahe stehende, wirtschaftsliberale Zeitung Kathimerini kommentierte daher , "trotz der Vorschritte in den Verhandlungen, ist die Wirtschaft im Niedergang. Ein Symptom dessen ist eine wachsende Unfähigkeit Steuern zu zahlen. Heute überschreiten die ausstehenden Steuern 87 Milliarden Euro. Ende 2012 waren es 55,1 Milliarden." Die Zeitung diagnostiziert eine Schuldenfalle, in die das Land bei Beibehaltung des bestehenden Musters der von den Kreditgebern diktierten Wirtschaftspolitik unmöglich heraus kommen kann.

Die Kathimerini listet ferner auf, dass die faulen, also nicht mehr bedienten Bankkredite von 8,2 Prozent des Gesamtkreditvolumens im Jahr 2010 bis Ende 2015 auf 36,4 Prozent anstiegen. Bei den Sozialabgaben ist die Entwicklung noch dramatischer. Von 13,02 Milliarden Euro im vergangenen September stiegen die ausstehenden Beitragszahlungen auf 15,78 Milliarden Euro zum Ende des ersten Quartals 2015.