Pentagon bereitet Offensive auf Mossul mit schweren Waffen vor

Das Pentagon schickt das High Mobility Artillery Rocket System (HIMARS) nach Syrien und in den Irak. Bild: DoD

Noch letzte Woche war Washington optimistisch über die Lage im Irak, aber die Regierung ist seit Wochenende in einer tiefen Krise

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Wieder einmal sind die USA in Syrien abhängig von den Russen, um den Waffenstillstand wieder herzustellen, nachdem die Kämpfe um Aleppo wieder voll entbrannt sind (Aleppo: Jaish-al-Islam, Wolf im Schafspelz). US-Außenminister Kerry erklärte in Genf, dass man auf die Kooperation Russlands setze. Am Sonntag hatte die syrische Armee in Aleppo einseitig die Waffen schweigen lassen.

Die USA wollen mit den Russen über die Einrichtung von Sicherheitszonen in der Stadt verhandeln, wo Zivilisten, aber auch die so genannten Mitglieder der "gemäßigten Opposition" vor Angriffen der syrischen Luftwaffe geschützt wären. Unwahrscheinlich, dass Russland das Assad-Regime zur Umsetzung der Sicherheitszonen unter Druck setzt, so lange nicht mindestens auch die salafistischen Gruppen Jaish Al-Islam und Ahrar al-Sham, die eng mit al-Nusra kooperieren, als Terrorgruppen gelistet und damit bekämpft werden können.

Nach der Revolte von Anhängern des schiitischen Predigers al-Sadr, die nach wochenlangen Protesten in die an sich schwer gesicherte Green Zone in Bagdad eindringen und die Politiker aus dem Parlament vertrieben haben, wird auch die Lage im Irak für Washington schwierig (Iraks Regierung versinkt im Chaos). Zwar sind die Sadr-Anhänger wieder abgezogen, aber sie verlangen eine neue Regierung. Gerade war noch US-Vizepräsident Biden im Irak gewesen und war voll des Lobes für den von den USA installierten Ministerpräsidenten Abadi, da mit diesem der Islamische Staat zurückgedrängt werden konnte. Die Hoffnung ist, dass nun die Offensive wirklich in größerem Umfang gestartet werden kann, um Mossul einzunehmen. Das allerdings könnte sich zu einer ähnlichen Katastrophe entwickeln, in die nun wieder einmal Aleppo versinkt.

Pentagon sieht den IS im Irak in der Defensive

Auch das Pentagon äußerte noch vergangene Woche kurz vor dem Aufruhr in Bagdad laut Optimismus. Generalmajor Peter Gersten, Vize-Kommandeur von Operation Inherent Resolve für Irak und Syrien berichtete aus Bagdad über den "hartnäckigen Krebs, der gestoppt werden muss". Offenbar wurde das von US-Verteidigungsminister Ash Carter eingeführte Bild mittlerweile zur Sprachregelung im Pentagon, um den "Islamischen Staat" zu charakterisieren, was gleichzeitig suggeriert, dass er als Krankheit einen Körper befallen hat und sich dort ausbreitet, weswegen er völlig zerstört und herausgeschnitten werden muss, weil er sonst, so Gersten, Metastasen bildet und "die ganze Welt infiziert".

Im Irak sei man sehr erfolgreich gewesen und habe bei Angriffen auf verschiedene Geldlager, genannt "cash strikes", zwischen 300 und 800 Millionen US-Dollar vernichtet. Die Angriffe auf die Öl-Infrastruktur und die Finanzen überhaupt sollen den IS, der seit letztem Jahr neben geringen Zugewinnen, große territoriale Verluste erlitten hat, erheblich geschwächt haben. Bekannt wurde, dass die Bezahlung der Kämpfer Ende 2015 in Raqqa um die Hälfte gesenkt worden sein soll. Ob das allerdings überall zutrifft, ist fraglich, zumal wenig bekannt ist, was die Kämpfer wirklich erhalten.

Nach einem in al-Shaddadi in der Provinz Hasakah nach dem Rückzug des IS Anfang des Jahres gefundenen Dokument erhielt ein Kämpfer mit 2 Frauen und 6 Kindern 360 US-Dollar. Aymenn Jawad Al-Tamimi geht davon aus, dass ein Kämpfer 50 US-Dollar erhält und zusätzliches Geld nach der Zahl der Frauen, Kinder, Sklaven, Eltern etc. Auf der Hand liegt, dass der IS nach neuen Einnahmequellen sucht, aber offenbar auch, dass der Zustrom von ausländischen Rekruten geringer wurde. Das wird insbesondere vom Pentagon hervorgehoben.

Nach Berichten hat sich der IS allerdings den neueren Bedingungen angepasst, aufgrund von territorialen Verlusten und Zerstörungen der Ölinfrastruktur Einnahmen aus anderen Quellen zu erzielen. Noch allerdings sollen mehr als 40 Prozent der Einnahmen aus dem Verkauf von Öl stammen. So soll die Erhebung von Steuern in den besetzten Gebieten wichtiger geworden sein, der Fischfang in den Seen scheint ebenso profitabel zu sein wie die landwirtschaftliche Produktion und das Erheben von Zöllen auf importierte Lebensmittel. Man schöpft den Automarkt ab und betreibt einst staatliche Fabriken. Gleichwohl sollen die Einnahmen weiter zurückgehen, im März soll der IS nach Schätzungen nur noch 56 Millionen US-Dollar eingenommen haben.

Präzisionskrieg gegen eine Großstadt

Gersten kündigte die Pläne Washingtons an, die Offensive auf Mossul zu unterstützen. Man war offensichtlich noch optimistisch und setzte auf die Regierung von al-Abadi. Gersten sprach die weitere Verlegung von Soldaten in den Irak an. Der Einsatz von Apache-Kampfhubschraubern wurde genehmigt, Bomber des Typs B-52 Stratofortress sowie das High-Mobility Artillery Rocket System (HIMARS) sollen eingesetzt und wieder einmal wurde der Cyberwar mit "ausgezeichneten Mitteln" als ein weiterer "Präzisionspfeil" angekündigt.

Nachdem bereits u.a. Ramadi und Tikrit großflächig zerstört wurden, erklärte Gersten, dass man alles dafür unternehme, um das Leben von Zivilisten zu schonen. So habe man vor der Bombardierung des Bargeldlagers in Mossul, nachdem man erkannte hatte, dass der zuständige "Finanzamir" manchmal mit Frau und Kindern das Gebäude aufsuchte, nach israelischer Manier eine Hellfire-Rakete über dem Gebäude explodieren lassen. Mit diesem "Klopfen" sollte der Angriff angekündigt werden, so dass die im Gebäude befindlichen Menschen fliehen konnten: "Das ist ein Beispiel dafür, wie genau wir dies machen."

Tatsächlich seien die Kinder und die Frau aus dem Haus vor der Bombardierung gekommen. Allerdings sei die Frau gleich wieder in das Gebäude zurückgekehrt und wurde so doch getötet. Es sei sehr schwierig, alles zu beobachten. In dem Fall sei es unglücklich verlaufen, aber man habe 150 Millionen US-Dollar an Geldscheinen zerstört. Weitere Beispiele für Präzisionsschläge im urbanen Raum gab er nicht. Er musste zudem einräumen, dass der IS eingebettet ist in die sozialen Strukturen. Es sei ein "sehr überfüllter Raum", in dem man zu kämpfen habe.

Das Pentagon räumt ein, dass bei Luftangriffen bislang 46 Zivilisten getötet worden seien. Es gibt allerdings Schätzungen, dass es weiter mehr seien, was Gersten aber abtat. Und dass man beim Angriff auf Mossul mit einzelnen Klopfaktionen nicht weit kommt, dürfte auf der Hand liegen. Mit Luftangriffen, verstärkt durch die B-52-Bomber, und Artillerie wird auch Mossul in Schutt und Asche gelegt werden, sollte es zu einem Angriff kommen. Derweil mehren sich die Auseinandersetzungen zwischen den Fraktionen der "Bodentruppen", so kommt es immer mal wieder zu Konflikten zwischen schiitischen Milizen und Peschmerga. Ob das Pentagon eine nennenswerte Zahl von lokalen sunnitischen Arabern rekrutieren kann, ist zweifelhaft.