Testfeld für vollautomatisiertes Fahren im deutschen Südwesten

Partner des Karlsruher Testfeldkonsortiums vor zwei seiner automatisierten Fahrzeuge. Foto: Christoph Jehle.

Gute Chancen für ein Konsortium mit den Städten Karlsruhe und Bruchsal

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Die Erfolgsmeldungen aus der Welt des autonomen1 Fahrens kommen bislang zumeist aus dem sonnigen Kalifornien. Der deutsche Südwesten, der sich in der Tradition von Bertha Benz als Keimzelle des Automobilismus sieht, will jetzt sicherstellen, dass die alteingesessene Industrie im Ländle nicht von Start-Ups aus dem Silicon Valley abgehängt wird.

Daher hat die Landesregierung von Baden-Württemberg unter dem Grünen Kretschmann beschlossen, den Aufbau eines Testfelds zum vernetzten und automatisierten Fahren mit fünf Millionen Euro bis zum Jahr 2018 zu fördern.

Die Politik sieht sich damit möglicherweise auch in der Tradition von Bertha Benz, die im August 1888 mit ihrer inzwischen berühmten ersten automobilen Fernfahrt von Mannheim nach Pforzheim startete und damit die Alltagstauglichkeit des Benz Patent-Motorwagen ihres Mannes Carl Benz unter Beweis stellte. Dass sich die IT-Region um Ulm und um Ulm herum um das Testfeld bewirbt pfeifen die Spatzen ebenso von den Dächern, wie die Bewerbung eines Konsortiums aus der schwäbischen Automobilecke um Stuttgart und Ludwigsburg.

Konsortium mit den Städten Karlsruhe und Bruchsal sieht sich als Bertha-Benz-Erbe

Dass aus der grünen Ecke um Freiburg kein Vorschlag kommt, hängt mit dem traditionellen Industriemangel im äußersten Südwesten zusammen, der noch auf das Land Baden und die Nähe zu Frankreich zurück geht. Man wollte damals keine badische Industrie im direkten Vorfeld Frankreichs und konzentrierte diese in Nordbaden. Nordbaden verfügt heute über zahlreiche Standorte der Automobil-Industrie und sieht sich zudem als der wirkliche Erbe der Bertha Benz in der Pflicht das vollautomatisierte, weitestgehend autonome Fahren voran zu bringen.

Man glaubt sich in Karlsruhe für die Bewerbung um das Testfeld nicht zuletzt auch deshalb bestens gerüstet, weil man ein Konsortium schnüren konnte, das mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und dem Forschungszentrum Informatik (FZI) sowie der Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft über mehrere wissenschaftliche Hotspots auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung im Feld des automatisierten Fahrens verfügt und mit den Karlsruher Verkehrsbetrieben und dem KA-WLAN vernetzte Infrastruktur schon im praktischen Einsatz hat. Am 28. April wurde die Bewerbung des Karlsruher Konsortiums der Öffentlichkeit vorgestellt.

Welche Rolle bleibt dem Transportierten beim automatsierten Fahren?

So mancher sieht den Transportierten im automatisierten Fahrzeug als letztverantwortliche Instanz, die eingreifen muss, wenn die Automatik versagt. In der Praxis müsste der Verantwortliche für die Situationsanalyse sich in Sekundenbruchteilen in das Geschehen einfinden können. Kaum denkbar, das dies funktioniert.

Im Land der engagierten Automobilisten, die in beachtlicher Zahl auch heute noch davon überzeugt sind, dass sie mit einem Schaltgetriebe besser und energieeffizienter fahren können, als mit einem Automatikgetriebe, dürfte die Akzeptanz für automatisiertes Fahren in erster Linie bei den Senioren und weniger bei den oft zitierten sportlichen Fahrern zu finden sein.

Ein unerwarteter Fußgänger kreuzt. Foto: Christoph Jehle.

Davon abgesehen stellt sich auch die Frage nach der künftigen Rolle der Menschen, wenn sie nicht als Transportgut in einem autonomen Fahrzeug von A nach B verfrachtet werden, sondern sich als Fußgänger oder Radfahrer mit den Roboterfahrzeugen arrangieren müssen. Im Umfeld der Karlsruher Präsentation hatte Telepolis die Gelegenheit, dem Leiter des an der Bewerbung beteiligten Instituts für Technik der Informationsverarbeitung (ITIV) Prof. Eric Sax die Frage nach dem Verbleib der Menschen im System zu stellen.

Herr Professor Sax, werden erwachsene Fußgänger und Radfahrer als Verkehrsteilnehmer berücksichtigt oder gezielt beispielsweise mittels Zaun ausgeschlossen?

Eric Sax: Ich gehe zwar davon aus, dass wir autonomes Fahren als erstes in eingezäunten Bereichen sehen werden. Teilweise haben wir das auch schon auf Container-Terminals, autonom fahrenden U-Bahnen und bald auch auf Speditions- oder Betriebshöfen.

Beim Testfeld geht es jedoch explizit darum, in den urbanen Verkehr einzutauchen. Damit müssen Fußgänger bzw. Verkehrsteilnehmer jeglicher Art berücksichtigt werden, auch oder gerade wenn sie nicht explizit ausgestattet sind. Sie müssen somit von den Sensoren des autonom fahrenden Fahrzeugs erfasst werden.

Ist daran gedacht, Schulkinder durch RFIDs in Bekleidung, Armbanduhr, Schulranzen oder ähnliche Technik für die Sensoren der Fahrzeuge leichter erkennbar zu machen oder den Hinweis abzugeben, jetzt besser langsamer zu fahren?

Eric Sax: Besondere Gefahrenstellen oder unfallträchtige Bereiche zu kennzeichnen oder zu erlernen ist durchaus eine Option. Individuelle Helferlein einzusetzen, um dieses Lernen zu unterstützen oder sogar die aktuelle Situation zu interpretieren, ist sicherlich sinnvoll.

Ich warne jedoch davor, sich darauf zu verlassen oder Sie vorauszusetzen, denn der eine Fall aus einer Million, bei dem dann das Helferlein nicht präsent ist, würde leicht Gefahr für Leib und Leben bedeuten. Im Testfeld könnten wir uns sehr gut vorstellen, mit industriellen Partnern zusammenzuarbeiten, die solche Sicherheitsdienste entwickeln. Genau auf solche Interessenten freuen wir uns und bieten dann die Infrastruktur und Partnerschaft.

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