Berlin hält an Flüchtlingsdeal mit Ankara fest

Regierungssprecher und Ministerium dementieren Bericht der Bild-Zeitung. Diplomat bestätigt jedoch Kritik der EU-Kommission an türkischer Innenpolitik

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Die Bundesregierung hat Spekulationen über eine Aufkündigung oder Änderung des Flüchtlingsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Türkei zurückgewiesen. Die Nachrichtenagentur dpa zitiert Regierungssprecher Steffen Seibert, dem zufolge Berlin nach wie vor von der Umsetzung des Abkommens ausgeht.

Zuvor hatte die Bild-Zeitung berichtet, dass vor allem in der Europäischen Union die Bedenken vor einem Scheitern des Deals mit Ankara zunehmen und dass Regierungschefs einiger EU-Staaten bereits über Alternativen diskutieren. Die EU könne dann, so habe es in der Debatte geheißen, Aufnahmestellen auf griechischen Inseln einrichten. Dies könne nötig werden, wenn die türkische Regierung die Grenzen für Flüchtlinge in Richtung Europa wieder durchlässig mache, den bestehenden Deal also faktisch aufkündige.

Tatsächlich wird die Situation in der Türkei zwischen der EU-Kommission und Mitgliedsstaaten seit geraumer Zeit intensiv diskutiert. Nach Angaben eines beteiligten Diplomaten bezeichneten Vertreter der Kommission die innenpolitische Situation in der Türkei bei einer der letzten größeren Aussprachen bereits vor gut zwei Monaten als "sehr schwierig". Die gelte vor allem mit Blick auf die Verfolgung von unabhängigen Pressevertretern. Besonders hob die EU-Kommission damals den Krieg der türkischen Armee gegen einen Teil der Bevölkerung im Südosten des Landes hervor. Dieses militärische Vorgehen sei auch in völkerrechtlicher Hinsicht sehr besorgniserregend, hieß es in Brüssel nach Informationen von Telepolis.

Dennoch will man sich in Berlin zumindest öffentlich nicht an Spekulationen beteiligen. Nach einem Bericht des deutschen Dienstes der französischen Nachrichtenagentur AFP hat auch das Bundesinnenministerium am Montag den Artikel der Bild-Zeitung zurückgewiesen. Es gebe keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Umsetzung der Vereinbarung "weiter voranschreitet", sagte ein Ministeriumssprecher demnach, die Frage nach Alternativen stelle sich derzeit nicht. Eine Sprecherin der EU-Kommission verwies auf Stellungnahmen von Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Dieser der am Wochenende bekräftigt, es gelte "das Wort der türkischen Regierung".

Wegen der repressiven Politik der Führung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat der Druck auf die EU und die Mitgliedsstaaten der Union zuletzt massiv zugenommen. Für internationale Kritik hatte die Verurteilung der beiden Journalisten Can Dündar und Erdem Gül gesorgt. Vor der Urteilsverkündung hatte ein Unbekannter – offenbar ein türkischer Nationalist – zudem auf Dündar geschossen.