Linkspakt in Spanien steht vor Neuwahlen

Die konservative PP wendet sich angesichts des Zusammengehens der Vereinten Linken und Podemos plakativ vom Austeritätskurs ab

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Vom "grummelnden Zwerg" einer "traurigen Linken", die im "eigenen Saft" schmore, ist die "Vereinte Linke" (IU) nun an einem "historischen Tag" in Spanien vor den Neuwahlen am 26. Juni zum strategischen Partner für "Podemos" (Wir können es) mutiert.

Nicht wenige Medien reiben dem Podemos-Chef Pablo Iglesias die arroganten Sprüche unter die Nase, mit denen er die IU vor den Wahlen im vergangenen Dezember abgekanzelt und deren Versuche zu einem Wahlbündnis eine heftige Abfuhr erteilt hatte. Denn er machte die IU sogar "verantwortlich dafür, dass sich in diesem Land nichts ändert".

Doch die Wahlen im Dezember haben für Ernüchterung gesorgt und dem Podemos-Chef mehr Realitätssinn verschafft. Weder wurde Podemos wie erhofft zur stärksten Kraft, noch reichte es dafür, die Sozialisten (PSOE) vom zweiten Rang zu verdrängen, was knapp verfehlt wurde. Um das nach der gescheiterten Regierungsbildung nun zu ändern, wurde auf dem zentralen Platz in der Hauptstadt Madrid der Pakt mit einer Umarmung besiegelt. Auf der "Puerta del Sol" wurde vor fast genau fünf Jahren am 15. Mai die Empörten-Bewegung geboren, aus der letztlich Podemos entstand.

Iglesias erklärte nun: "Auf diesem Platz und vielen anderen", die über Wochen mit Protestcamps besetzt waren, "wurden viele Sachen verändert". Es habe sich dort gezeigt, dass sich etwas ändern kann. "Um zu gewinnen, muss man sich mit vielen Menschen vereinigen", kündigte er auf seinem Weg gestern zum "Sol" eine Überraschung an, die gar keine war. Die soll den "Wandel im Land näher" bringen. Er schritt dann theatralisch über Platz und verkündete, dass sich die "Möglichkeit zum Sieg nähert", um dann den designierten IU-Chef Alberto Garzón feierlich zu umarmen.

Auch dieser bezieht sich im begonnenen Vorwahlkampf nun auf die Vorgänge vor fünf Jahren, obwohl seine Partei auf den Plätzen des Landes bestenfalls eine untergeordnete Rolle spielte. "Man braucht ein Projekt zur sozialen Umwandlung der Gesellschaft", erklärte Garzón. Die sei nur möglich, wenn man zusammenarbeitet. "Deshalb sind wir stets für die Volkseinheit eingetreten", um die "Ausplünderung" durch eine Minderheit genauso zu stoppen wie "Zwangsräumungen". Es müssten Alternativen aufgezeigt und umgesetzt werden. Das sei nur gemeinsam möglich, erklärte er vor der Umarmung.

Klar ist, dass der gesteigerte Realitätssinn bei Podemos den Weg geebnet hat. Damit die knapp eine Million Stimmen der IU im Juni auf die Koalition entfallen, bekommt die IU neun Listenplätze, bei denen ein Einzug ins Parlament von IU-Führungsmitgliedern praktisch gesichert ist. Sie macht als Partei eigenständig Wahlkampf und ihr Logo wird auf dem Stimmzettel erscheinen, geht aus dem Text der Vorvereinbarung hervor. Bei den letzten Wahlen errang sie gerade zwei Sitze. Obwohl beide Formationen deutlich mehr Stimmen als die Sozialisten erhielten, kommen sie derzeit auf Grund des ungerechten Wahlsystems nur auf 67 Sitze, während die PSOE 90 errang. Letztlich erhält die IU, die praktisch wegen des schlechten Abschneidens bei den letzten Wahlen pleite ist, eine Geldspritze. Überdurchschnittlich viel Geld soll aus der Verteilung der Wahlkampfhilfe und der Parteienfinanzierung der IU zukommen.

Gemeinsam mit der IU wird Podemos der "sorpasso" – wie das auf Neuspanisch genannt wird – gelingen. Eine Umfrage bestätigt die 29% der PP bei den Wahlen im Dezember, doch die Linkskoalition soll schon über 24% kommen und läge deutlich vor der PSOE. Sie würde damit 75-80 Sitze erhalten. Wie ungerecht das spanische Wahlsystem ist, zeigt sich nun noch deutlicher. Obwohl die Sozialisten nur gut 22% erhalten würden, wären das 85-89 Sitze, also etwa 10 mehr als für die Linkskoalition, obwohl sie auf deutlich weniger Stimmen kämen.

Dass bei den Konservativen nun die Angst umgeht, ist auch klar. Die PP ändert deshalb drastisch ihren Diskurs, um keine weiteren Wähler zu verlieren. Hatte sie mehr als vier Jahre mit Schwert und Feuer die Austeritätspolitik brutal durchgezogen, die Brüssel und Berlin von Madrid verlangt hatten, mutiert sie verbal nun auch zum Gegner harter Einschnitte und der drakonischen Sparpolitik. "Wir haben es mit der Austerität völlig überzogen", erklärte angesichts der neuen Situation der geschäftsführende Außenminister José Manuel García-Margallo. Man "töte das eierlegende Huhn", sagte er, weil diese Politik die Wirtschaft abgewürgt und die Arbeitslosigkeit auf Rekorde getrieben hat. Weil Sozialausgaben steigen und Steuereinnahmen sinken, wurden die Ausgaben real nämlich kaum gesenkt.

Das Versagen der Konservativen ist offensichtlich. Sie haben mit dieser Politik in keinem Regierungsjahr das jeweilige Defizitziel eingehalten. Allerdings wurden sie aus Brüssel immer wieder mit Anpassungen der Ziele nach Oben belohnt. 2015 war das Haushaltsdefizit nur in Griechenland – wie die Arbeitslosenquote – noch höher als in Spanien. Deshalb Land blickt das Land nun einer Strafzahlung in Höhe von etwa zwei Milliarden Euro entgegen. Die geschäftsführende Regierung versucht mit allen Mitteln die Entscheidung darüber zu verzögern, um das nicht mitten im Wahlkampf erklären zu müssen.

In Brüssel ist man offensichtlich gewillt, den Konservativen Wahlunterstützung zu gewähren, die man nun als Nichteinmischung verhüllt. Die Angst ist groß, dass es zu einer Linksregierung nach portugiesischem Vorbild kommt und damit ein großes Euroland aus der Austeritätspolitik aussteigt, das nicht so gegängelt werden kann wie Griechenland oder Portugal.