Wahlkampfhilfe für die spanischen Konservativen aus Brüssel

Die EU-Kommission hat die Entscheidung über Sanktionen wegen Defizitverstößen verschoben

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Wie erwartet, hat die EU-Kommission hat die Entscheidung über Sanktionen gegen langjährige Defizitsünder wie Spanien und Portugal vertagt. In der wöchentlichen Sitzung hatte sie heute im Rahmen der Wirtschaftskontrolle darüber beraten, ob die 2009 wegen überhöhter Staatsdefizite eingeleiteten Defizitverfahren verschärft werden. Spanien hätte in diesem Fall eine Strafzahlung von mehr als zwei Milliarden Euro gedroht. Da zunächst auch keine symbolischen Sanktionen verhängt wurden, ist Brüssel auch nicht gezwungen, einen Teil der Zahlungsverpflichtungen aus den EU‑Strukturfonds für 2017 zu sperren.

In der Kommission gab es zunächst zwei Linien. Der für den Euro zuständige Vizepräsident Valdis Dombrovskis und der Währungskommissar Pierre Moscovici waren für Strafen, weil keine "effektiven Maßnahmen" zur Einhaltung der Defizitziele ergriffen worden seien. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker war auf Drängen Spaniens im Verein mit dem Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem dagegen. Der geschäftsführende Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte kürzlich mit einem Brief an die EU-Kommission Druck gemacht, um Sanktionen zu verhindern. Die große spanische Tageszeitung "El País" hat am Mittwoch berichtet, Rajoy habe deshalb am Montag erneut mit Juncker telefoniert.

Juncker hat sich durchgesetzt. Auch der Franzose Moscovici erklärte nun mit Blick auf Sanktionen nach dem Treffen: "Das ist – wirtschaftlich und politisch – nicht der geeignete Augenblick, diesen Schritt zu machen." Spanien und Portugal werden in den länderspezifischen Empfehlungen nur aufgefordert, "notwendige Strukturmaßnahmen zu ergreifen". Spanien soll bis 2017 weitere 8 Milliarden Euro einsparen, um dann die Stabilitätsgrenze von 3% wieder einzuhalten.

Das Vorgehen war erwartet worden. Aus der EU-Kommission war durchgesickert, dass sich Brüssel nicht in den spanischen "Wahlkampf einmischen" werde. Für die konservativen Freunde von Juncker in Spanien wäre es fatal, wenn erstmals ein Land zur Strafzahlung verdammt worden wäre. Deshalb war in Brüssel längst gefordert worden, mit "politischer Intelligenz" vorzugehen.

Denn wären die Konservativen von der EU-Kommission abgewatscht worden, würde es Rajoys Volkspartei (PP) noch schwerer bei den Wahlen haben. Sie hätten eine Strafzahlung und den Wegfall von EU-Geldern im Wahlkampf begründen müssen. Dabei waren sich schon bei den Wahlen im Dezember auf knapp 29% abgestürzt. Da die PP und Rajoy treu den Austeritätskurs der Troika gepredigt haben, werden sie nun nicht für ihr Versagen verantwortlich gemacht. Trotz – oder wegen – der Politik der tiefen Einschnitte ins Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssystem, den Lohn- und Rentenkürzungen sowie massiven Steuererhöhungen, konnten sie die vereinbarte Defizitziele bisher in keinem Jahr einhalten. Zuletzt hatte sogar der konservative spanische Außenminister angesichts der aufstrebenden Linken zugegeben, mit der Austeritätspolitik "völlig überzogen" zu haben.

Portugal bekommt wegen der Brüsseler Nachsichtigkeit mit Spanien nun auch etwas Luft

Die EU-Kommission schlägt vor, dass Spanien und Portugal einen Aufschub um ein Jahr bekommen. Portugal müsste also im laufenden Jahr das Defizit nun auf 3% senken und Spanien müsste das Stabilitätsziel erst 2017 wieder einhalten. Portugal soll den Aufschub nur bekommen, weil es zu auffällig wäre, das Land zu bestrafen, aber gegenüber Spanien erneut Gnade walten zu lassen.

Die Linksregierung in Lissabon wird von Brüssel aber nicht mit Samthandschuhen angefasst. Im Chor mit den drei großen Ratingagenturen wird es bisweilen hart angegriffen, dabei steht das Land bei der Defizitbekämpfung besser als Spanien da. Eigentlich hätte Portugal 2015 das Stabilitätsziel von 3% einhalten können. Neue Bankenhilfen, gegen die Brüssel nichts einzuwenden hatte, ließen das Defizit zum Jahresende aber um 1,4 Punkte auf 4,4% steigen.

Anders als Spanien kann Portugal vermutlich das Stabilitätsziel 2016 wieder einhalten. Das hat auch Finanzminister Mário Centeno gerade im Interview mit dem Handelsblatt bekräftigt. "Wir werden in diesem Jahr in der Haushaltspolitik die Wende schaffen", sagte er. Er bekräftigte den behutsamen Ausstieg aus der Austeritätspolitik, die von der Regierung auf den Weg gebracht wurde. Neue Bankenprobleme könnten das aber verhageln. Die konservativen Vorgänger haben riesige Altlasten hinterlassen.