Europäische Kriminalämter verstärken Druck auf die "Balkanroute"

Ein neues "Ermittlungsbüro" in Wien soll die Kooperation der Polizeiagentur Europol mit Südosteuropa erleichtern. Österreich hat bereits ähnliche Polizeiprojekte auf den Weg gebracht

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Vor zwei Wochen hat der österreichische Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) ein weiteres Polizeizentrum zur Bekämpfung der Fluchthilfe von Migranten gestartet. Trägerin ist die Europäische Union, das Projekt gehört zu den gemeinsamen Maßnahmen gegen sogenannte kriminelle Bedrohungen. Die Plattform soll die Zusammenarbeit von Kriminalpolizeien aus den EU-Mitgliedstaaten, EU-Agenturen und anderen Einrichtungen der Europäischen Union miteinander verzahnen. Möglich ist auch die Einbindung von Nicht-EU-Partnern.

Das neue "Joint Operational Office against Human Smuggling Networks" (JOO) in Wien wird vom Bundesinnenministerium in Österreich als "Internationales Ermittlungsbüro gegen Schlepperei" bezeichnet. Schwerpunkte sind die Balkanroute sowie die Route über Italien.

Das "Ermittlungsbüro" arbeitet eng mit der EU-Polizeiagentur Europol zusammen, die im Februar ein "Europäisches Zentrum zur Bekämpfung der Migrantenschleusung" (EMSC) in Den Haag eröffnet hat. Laut einem aktuellen Bericht verdächtigt Europol 40.000 Personen wegen "Schleusungskriminalität", 10.000 Betroffene sind demnach im vergangenen Jahr in der hierzu geführten Datensammlung gelandet.

Während die Ermittler in Den Haag hauptsächlich strategisch arbeiten, dient das "Ermittlungsbüro" laut Europol als "regionale operative Plattform". Wurden von Europol "Migranten schmuggelnde Gruppen der organisierten Kriminalität" aufgespürt, soll das "operative Bindeglied" in Wien die gemeinsame Verfolgung und Festnahme der Beteiligten organisieren.

Österreich als Schnittstelle zur Zusammenarbeit mit Balkanländern

Spätestens in diesem als "heiße Phase" bezeichneten Ermittlungsstadium bezieht das "Ermittlungsbüro" Beamte aus Nicht-EU-Staaten mit ein. Diese werden zwar nicht näher benannt, vermutlich handelt es sich aber um jene Länder, die an den Außengrenzen der Europäischen Union als Pufferstaaten der Migrationskontrolle dienen. An einer Konferenz zur Eröffnung des Wiener Zentrums waren beispielsweise Innenministerien aus der Türkei und aus Mazedonien beteiligt.

Die Trägerin des neuen Zentrums in Wien ist die Europäische Union, Finanzmittel werden über Europol zur Verfügung gestellt. Die rechtliche Basis zur Zusammenarbeit mit den Nicht-EU-Partnern ist jedoch die "Polizeikooperationskonvention für Südosteuropa" (PCC SEE). Diese multilaterale Vereinbarung erlaubt den Staaten aus der Balkanregion die operative Kooperation mit Polizeien aus EU-Ländern.

Mitgliedstaaten des vor zehn Jahren in der Wiener Hofburg unterzeichneten Abkommens sind außer Österreich die Länder Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Mazedonien, Moldau, Montenegro, Rumänien, Serbien, Slowenien und Ungarn. Die Regierung in Wien ist auch am Sekretariat der "Polizeikooperationskonvention" beteiligt.

Neues Polizeikooperationszentrum in Passau

Das "Ermittlungsbüro" in Österreich vereint bereits eine beträchtliche Zahl von Mitarbeitern. Laut dem dortigen Bundesinnenministerium beginnt das Zentrum mit einer "Fixmannschaft" von 38 Personen. Für jede Operation können bis zu acht zusätzliche internationale Ermittler beigestellt werden. Auch Europol kündigt die Entsendung von Bediensteten an.

Weiteres kriminalpolizeiliches Personal wird im "Außendienst" tätig. Ähnlich wie die EU-Grenzagentur Frontex verfügt Europol mittlerweile über "mobile Ermittlungsunterstützungsteams". Ihre Aufgabe besteht in der "Aufdeckung von Schleusernetzen", aber auch die Vorbereitung "greifbarer operativer Aktivitäten" mit nationalen Ermittlungsteams aus EU-Mitgliedstaaten.

Die "Ermittlungsunterstützungsteams" erstellen "operative und strategische Produkte" zur Vorbereitung oder Durchführung von polizeilichen Maßnahmen. Zu den Empfängern der Europol-Berichte gehört auch das neue deutsch-österreichische Polizeikooperationszentrum in Passau. Beteiligt sind die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt Österreichs und Deutschlands sowie die bayerische Landespolizei. Ziel ist der Informationsaustausch "im Hinblick auf die Migrationsproblematik". Das Büro in Passau ist rund um die Uhr besetzt. Allein auf deutscher Seite sollen 24 Polizisten abgeordnet werden.

"Prüm für Südosteuropa"

Eine Woche nach Eröffnung des Wiener "Ermittlungsbüros" richtete Österreich ein Jubiläumstreffen der "Polizeikooperationskonvention für Südosteuropa" aus. Ziel ist der Ausbau der Zusammenarbeit in den Bereichen Migration, organisierte Kriminalität sowie Terrorismus und Extremismus. Zu den verabredeten Maßnahmen gehört die verbesserte Identifizierung durch DNA- und Fingerabdrücke. Auf Initiative Österreich soll deshalb der unter allen EU-Mitgliedstaaten geschlossene "Vertrag von Prüm" (Nadelsuche im wachsenden Heuhaufen) auf die Balkan-Staaten übertragen werden.

Der Vertrag von Prüm bestimmt die automatisierte Abfrage biometrischer Daten zur Verfolgung und Verhinderung schwerwiegender Straftaten. Ein anderer Teil des Abkommens regelt die Modalitäten der Einsätze von Polizisten im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten.

Die PCC-Vertragsstaaten haben nun den Auftrag zu Verhandlungen über den Start eines "Prüm für Südosteuropa" erteilt. Die Europäische Union soll das Vorhaben unterstützen, in einem Schreiben an den EU-Kommissar für Inneres und Migration, Dimitris Avramopoulos werden Finanzmittel beantragt.

Kriminalpolizeiliches Zentrum in Rumänien

Mit dem geplanten Datentausch von DNA- und Fingerabdrücken würde eine weitere Zusammenarbeitsform von Nicht-EU-Staaten und der Europäischen Union gestärkt. Seit 2011 betreiben mehrere südosteuropäische Länder ein eigenes Zentrum zur kriminalpolizeilichen Zusammenarbeit in Rumänien. Dieses "Southeast European Law Enforcement Center" (SELEC) in Bukarest entstand nach Vorbild Europols und ist wohl das wichtigste Standbein der "Polizeikooperationskonvention für Südosteuropa". Als Nicht-EU-Länder sind Albanien, Bosnien und Herzegovina, Kroatien, Mazedonien, Moldawien, Montenegro, Serbien und die Türkei beteiligt, aus der Europäischen Union arbeiten Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Ungarn, Slowenien mit (Wer kontrolliert Europol?).

Das SELEC wird von der EU-Kommission gefördert, wieder war die Regierung in Wien maßgeblich beteiligt. Die Bundesinnenministerien Österreichs und Deutschlands unterstützten zunächst den Aufbau des SELEC. Unter Federführung von Rumänien und zusammen mit Italien und Europol beteiligte sich die österreichische Kriminalpolizei an einem Projekt zur "Entwicklung des Bereichs der personenbezogenen Daten". Das Vorhaben wurde ebenfalls von der Europäischen Union im Rahmen des "Instruments für Heranführungshilfe" finanziert, um die zukünftigen Beitrittskandidaten auch im polizeilichen Bereich mit EU-Standards zu ertüchtigen.

Im Zuge der aktuellen Migrationskrise erhält das SELEC in Rumänien eine zentrale Rolle. Mehrmals nahm das kriminalpolizeiliche Zentrum bereits an gesamteuropäischen Polizeioperationen teil, eine eigene Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit "Menschenhandel und illegaler Migration". Nun ist die engere Zusammenarbeit mit Europol geplant.

Vergangene Woche war der Leiter der Europol-Abteilung "Operationen" in Bukarest. Vermutlich stand dabei die Operation "Hydra" im Mittelpunkt, mit der internationale Polizeiorganisationen und -behörden bald gegen Personen, die im Zusammenhang mit Schleusungskriminalität gesucht werden, vorgehen wollen.