Der Finanz-Tsunami nimmt seinen Lauf

Die gegenwärtige Lage auf den Finanzmärkten ist erheblich instabiler als zu irgendeinem Zeitpunkt seit der Jahrtausendwende

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Die relative Ruhe an den Finanzmärkten in den vergangenen Wochen und Monaten hat viele Menschen glauben lassen, die Lage habe sich nach den Turbulenzen zu Jahresbeginn entspannt und sei doch nicht so ernst ist wie zunächst angenommen. Sie irren. Die gegenwärtige Lage ist erheblich instabiler als zu irgendeinem Zeitpunkt seit der Jahrtausendwende und birgt erhebliche Gefahren in sich.

Acht Jahre sind vergangen, seit das globale Finanzsystem unmittelbar vor dem Zusammenbruch stand. Statt die Schuldigen - skrupellose Spekulanten in den Führungsetagen der Finanzindustrie - zur Rechenschaft zu ziehen, erklärten die Regierungen in aller Welt die großen Finanzinstitute für "too big to fail" und retteten sie mit Hilfe von Steuergeldern, also dem Geld arbeitender Menschen.

Um die dadurch entstandenen riesigen Löcher in den Staatshaushalten zu stopfen, bürdeten sie die Folgen dieser Politik ebenfalls der arbeitenden Bevölkerung auf. Unter dem Banner der "Austeritätspolitik" senkten sie deren Lebensstandard und zwangen sie, Einbußen aller Art hinzunehmen.

Die Verursacher der Krise wurden sogar noch belohnt

Die Verursacher der Krise dagegen wurden für ihr Verhalten sogar noch belohnt. Für sie wurden riesige Mengen an Geld geschaffen, das ihnen bis heute zu immer niedrigeren Zinssätzen zur Verfügung gestellt wird. Statt es - wie von der Politik zur Täuschung der Öffentlichkeit behauptet - für neue Investitionen und damit zur Ankurbelung der Realwirtschaft zu benutzen, setzt die Finanzindustrie den Löwenanteil des Geldes auch nach dem Beinahe-Crash wieder zur Spekulation an den Finanzmärkten ein. In der Gewissheit, "too big to fail" zu sein und im Notfall erneut gerettet zu werden, haben die Banker ihre spekulativen Aktivitäten seit 2008 sogar ausgeweitet und gehen heute größere Risiken ein als zuvor.

Der Finanzsektor, der das System damals existentiell bedroht hat, wuchert deshalb unkontrolliert weiter. Die Realwirtschaft dagegen stagniert und schrumpft, da ihr durch den Finanzsektor das Blut in Form von Kapital entzogen wird und auch die Nachfrage auf Grund der austeritätsbedingten geringeren Einkommen zurückgeht. Das wiederum führt dazu, dass die Kluft zwischen denen, die von ihren Vermögen leben, und denen, die von ihrer Arbeit leben müssen, immer größer wird.

Inzwischen hat die Entwicklung jedoch eine neue Stufe erreicht, da die bisherigen Maßnahmen nicht mehr richtig greifen oder neue Risiken mit sich gebracht haben: Jahrelanges Gelddrucken hat zur Entwertung des Geldes und zur Inflation geführt - nicht in der Realwirtschaft, sondern an den Anleihen-, Aktien- und Immobilienmärkten, in die das frische Geld größtenteils geflossen ist. Unterstützt durch das parasitäre Verhalten der großen Marktteilnehmer (zum Beispiel das Rückkaufen eigener Aktien durch das Management von Großkonzernen zum Zweck der Erhöhung der eigenen Boni), haben sich riesige Blasen gebildet, die jederzeit platzen und zu einer Panik an den Märkten führen können.

Der Weg führt zwangsläufig zu immer größerer Instabilität

Die kontinuierliche und mittlerweile bis in den Negativbereich reichende Senkung der Zinsen (auch "billiges Geld" genannt) erhöht ebenfalls die Instabilität des Systems: Sie zwingt bisher zur Vorsicht neigende Anleger wie Pensionsfonds, Rentenkassen und Krankenkassen, konservative Anlageformen über Bord zu werfen und durch Spekulation an den Finanzmärkten immer höhere Risiken einzugehen. Außerdem untergräbt sie die Lebensgrundlage kleiner und mittlerer Banken (z.B. deutscher Sparkassen und Raiffeisenbanken), die derzeit händeringend nach Rezepten suchen, um die Verluste in ihrem früheren Kerngeschäft - der Kreditvergabe an den Mittelstand - auszugleichen.

Beide Entwicklungen zusammen haben dazu geführt, dass selbst früher als normal geltende Korrekturen der Märkte verhindert werden müssen, da diese durch den Bankrott einzelner Marktteilnehmer rasch zu einer Kettenreaktion und so zum Zusammenbruch des Systems führen könnten. Sobald es zu ersten schärferen Abwärtsbewegungen an den Märkten kommt, greifen deshalb die Zentralbanken - von der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt - direkt oder über Mittelsmänner mit frischem Geld ein, manipulieren auf diese Weise die Kurse noch stärker und verzerren so das im Verhältnis zur Realwirtschaft mittlerweile groteske Bild der Märkte bis zur Unkenntlichkeit.

Die größte Gefahr aber lauert wie schon seit Jahren im Bereich der Derivate, deren Umfang von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich auf zurzeit ca. $ 550 Billionen, von Insidern sogar auf $ 1,5 Trillionen geschätzt wird. Unter diesen von der Realwirtschaft abgekoppelten reinen Finanzwetten müssen zurzeit insbesondere die Kreditausfallversicherungen und die Zins-Swaps als finanzielle Tellerminen gelten.

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