Polnische Regierung: Clinton und Trump sind wie "Pest und Cholera"

Der Wagenburgstimmung in Polen liegt ein Mix aus Hybris und Minderwertigkeitskomplexen zugrunde

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"Bill Clinton soll sich bei den Polen entschuldigen", forderte die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo letzte Woche im Radio. Der ehemalige US-Präsident hatte zuvor bei einem Wahlkampfauftritt für seine Frau Polen und Ungarn "Putin-mäßige Führung" vorgeworfen. Die beiden Länder hätten zudem entschieden, dass "Demokratie zu viele Schwierigkeiten" bereite.

Die Kritik an den Veränderungen in Polen, kommt in der westlichen Welt nicht aus der Mode und die allein regierende Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) reagiert immer dünnhäutiger darauf. Vor allem durch die faktische Entmachtung des Verfassungsgerichts und die indirekte Herrschaft des Parteichefs Jaroslaw Kaczynski steht das Land immer wieder im Fokus der internationalen Öffentlichkeit.

Jaroslaw Kaczynski. Bild: Adrian Grycuk/CC-BY-SA-3.0

Dieser für seine krawallige Art bekannte Politiker blieb Bill Clinton die Antwort nicht lange schuldig und schickte ihn umgehend zum Arzt: "Wenn heute jemand behauptet, dass es in Polen keine Demokratie gäbe, sollte er medizinisch untersucht werden." Das bescherte ihm immerhin die Aufmerksamkeit in Form eines mittelgroßen Berichts in der Washington Post.

Grundsätzlich setzt das konservative Polen auf die Republikaner, die traditionell ein offeneres Ohr für polnische Ängste vor Russland haben. Doch diesmal ist kein "echter" Nachfolger von Reagan oder den Bushs zu erwarten. Dies erklärt, jedoch entschuldigt nicht, den härtesten Spruch aus Warschau, den sich Polens Vizepremier und Wirtschaftsminister Mateusz Morawiecki im Sender TVN leistete: "Pest oder Cholera" dies sei die Wahl, die Amerika angesichts der Kandidaten Donald Trump und Hillary Clinton hätte. Morawiecki dachte wohl nicht darüber nach, mit einer dieser "Seuchen" künftig verhandeln zu müssen - und kaum aus überlegener Position.

Gerade die PiS setzt bewusst auf die exklusiven Beziehungen mit den USA, um den möglichen Aggressor Russland abzuschrecken. Der Baubeginn einer Raketenabschussbasis nahe Stolp (Slupsk) am vergangenen Freitag im Rahmen des europäischen Antiraketensystems "European Phased Adaptive Approach" (EPAA) gilt als solcher Meilensteil der bilateralen Zusammenarbeit, auch im Vorfeld zum Warschauer NATO-Gipfel im Juli.

Doch auch Verteidigungsminister Antoni Macierewicz keilte schon über den Atlantik. "Sie haben ihren Staat erst im 18. Jahrhundert gegründet und wollen uns belehren?", sagte er im März. Eine Reaktion auf die informelle Nachricht, der amerikanische Kongress könne sich mit Polen aufgrund des Verfassungsgerichts beschäftigen.

Polnische Regierung will Achtung des Landes rechtlich schützen

US-Ratingagenturen, die das Land in seiner Kreditwürdigkeit herunterstufen oder pessimistische Prognosen veröffentlichen, zehren zudem am Selbstwertgefühl der Regierung (Polen: Ratingagentur "Moody's" sorgt für schlechte Laune), Die Regierung wird auch vom "Wall Street Journal" als "nationalistisch" bezeichnet, sie empfiehlt, die USA möge eine "helfende Hand" reichen.

Ob bei dem zunehmenden Druck dem Regierungslager so langsam die Nerven durchgehen, ob die markigen Sprüche dazu gedacht sind, die Wähler zu beeindrucken, wobei in Kauf genommen wird, dass man international immer weniger ernst genommen wird, ist schwer einzuschätzen. Vielleicht liegt der Wagenburgstimmung in Polen ein Mix aus Hybris und Minderwertigkeitskomplexen zugrunde.

So stört sich das traditionelle Polen daran, dass die Welt so wenig über die Verdienste des Landes in Sachen Freiheit und Demokratie weiß. Macierewicz verwies in seiner Schelte auf demokratische Strukturen in Polen, die es bereits im 16. Jahrhundert gegeben habe, in der damaligen "Adelsrepublik". In seinem Verständnis stehen darum die USA hierarchisch unter Polen. Das Land wird eher mit einem rustikalen Katholizismus als mit Aufklärung verbunden, dabei verabschiedete Polen 1791 eine der ersten modernen Verfassungen Europas, die jeden 3. Mai gefeiert wird.

Das Verdienst der Solidarnosc in der Umbruchzeit der späten Achtziger und die Rolle des polnischen Papstes dabei gab dem konservativen Milieu in Polen ein fast schon missionarisches Sendungsbewusstsein gegenüber der westlichen Welt, die Polen vielleicht technisch, jedoch nicht moralisch voraus war.

So schmerzt jede Nichtanerkennung, sei es etwa, dass die USA immer noch keine Visumsfreiheit für polnische Bürger eingeführt haben, da man Schwarzarbeit befürchtet, oder dass westliche Zeitungen achtlos von "polnischen Konzentrationslagern" schreiben, was jedes Mal zu einem Medienaufruhr und teils zu Prozessen führt.

Ministerpräsidentin Beata Szydlo kündigte bereits rechtliche Maßnahmen an, die zum Schutz des guten Namens des Vaterlandes dienen werden. Schließlich stellt jede Kritik an der polnischen Demokratie für verunsicherte Traditionalisten die Geschichte der Demokratie in Polen in Frage und muss mit Verve verteidigt werden.

Skeptiker und Mäkler mit tatsächlichem Wohnsitz in Polen sollten darum ihre Worte in Zukunft vorsichtiger wählen. Aber auch die Clintons müssen nun mit den Folgen leben. Die einflussreiche Polonia in den USA (etwa neun Millionen) protestierte bereits bei Wahlveranstaltungen. Polnisch stämmige Wähler werden sich überlegen, wo sie ihr Kreuz machen.