Vorprogrammierter Eklat

Gehören Minarette nicht zu Deutschland? Bild: Frank Vincentz/CC-BY-3.0

Das Gespräch zwischen Spitzenvertretern der AfD und des Zentralrats der Muslime ist wegen unüberbrückbarer Differenzen geplatzt

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Der Islam gehört nicht zur "Alternative für Deutschland" (AfD). Dies könnte die Kurzfassung dessen sein, was sich am Montag in Berlin zutrug. Das Treffen zwischen Spitzenvertretern der rechtspopulistischen Partei mit weiter nach rechts ausfransenden Rändern und solchen des "Zentralrates der Muslime in Deutschland" (ZMD) scheiterte gestern. Zu unüberbrückbar scheinen die Meinungen, zu verletzend offenbar Vorurteile, Aussagen und Programmpunkte der beteiligten Protagonisten gegenüber der jeweils anderen Seite im Vorfeld.

Oder war es nur eine Inszenierung? Hatten die AfD-Vertreter nicht erneut einen Weg gefunden, dank der gleichfalls medienwirksam inszenierten Einladung des Zentralratsvorsitzenden Aiman Mazyek zum Dialog die Medienöffentlichkeit über Tage entern zu können? Die üblichen Flügelstreitigkeiten bei der Partei sorgten zudem dafür, dass man genug darüber via Medien erfuhr und wieder einmal konnten die Rechtspopulisten sich als Nabel der Welt präsentieren. Ausgeteilt hatten indes beide Seiten vorab. Auf ihrem letzten Parteitag hatte die AfD Parteipunkte gegen "den Islam" und gegen Muslime abgesegnet, die wahrscheinlich in Teilen grundgesetzwidrig sind (AfD auf Kurs, auch gegen Muslime…) und in einem Punkt sogar die Religionsausübung von Juden beschneiden könnte.

Zentralratsvorsitzender Mazyek hatte im zeitlichen Umfeld jenes Parteitages in extrem zuspitzender Weise darauf hingewiesen, dass erstmals eine Partei in Deutschland seit der NSDAP wieder einen politischen Kampf gegen eine Religionsgemeinschaft führe und sie "existenziell bedroht". Die AfD hatte indes beschlossen, dass "der Islam" nicht "zu Deutschland" gehöre. Was beide Seiten eint? Beide spitzen ihre Aussagen plakativ zu, und beide dürften manchmal Recht und Unrecht zugleich haben. Insbesondere Mazyeks zugespitzte Aussage musste dabei Missverständnisse hervorrufen. Bei den Schlagworten Hitler, Antisemitismus und NSDAP denkt man eben im heutigen Deutschland reflexartig nur an die Endphase des Nationalsozialismus und an die mörderische Massenvernichtung von Juden in den KZs.

Viel zu selten wird angesichts der heutigen Lage und mancher rechtspopulistischen Propaganda aber an die Ursuppe des Nationalsozialismus Anfang der 1920er Jahren gedacht - und manches, was seinerzeit die aufkeimende Partei NSDAP und deren bis dahin oft mittelständisch geprägte, gleichwohl faschistische Bewegung den Juden und deren Religion vorwarfen, klingt eben dann doch ähnlich wie manches, was heute gegen Muslime und "dem Islam" in Stellung gebracht wird. So wies die Islamkritikerin Mina Ahadi in einem offenen Brief darauf hin, warum sie zu einem (anderen) Gespräch mit AfD-Bundessprecherin Frauke Petry nicht erscheinen werde:

Auch wenn sich die AfD öffentlich zur humanistischen Tradition der Aufklärung bekennt, bleibt dies ein Lippenbekenntnis. Denn im Grunde genommen vertritt sie eine ähnliche autoritäre, homophobe und sexistische - kurz: menschenfeindliche - Position wie die ultrakonservativen Islamverbände. Mit ihrem traditionell-patriarchalen Familienbild, ihrer Aversion gegen eine fortschrittliche Sexualerziehung und ihrer rückständigen Haltung zu Menschenrechten und Wissenschaft träumt Ihre Partei den gleichen fundamentalistischen Traum wie die Islamisten. Sie beide reduzieren Menschen auf Gruppenidentitäten, statt einzelne Menschen als Individuen in ihrer Unterschiedlichkeit ernst zu nehmen.

Mina Ahadi

Dass das Gespräch zwischen AfD und ZMD unter dem Motto "Warum hassen Sie uns Muslime?" scheitern würde, zeichnete sich ab. Ob der Medien- und Politikprofi Mazyek wirklich so naiv war, dass er tatsächlich glaubte, die AfD würde sich ihren Propagandaschlager Islamfeindschaft und Petrys Kitt zwischen den widerstreitenden AfD-Flügeln ausreden lassen, sei dahin gestellt. AfD-Vorstandsmitglied Alice Weidel hatte ihre Teilnahme abgesagt und bezeichnet Mazyek Einladung als "scheinheilig". In Erfurt mobilisiert die AfD gegen den Neubau einer Moschee der reformistischen Ahmadiyya-Gemeinde.

AfD-Parteichef Jörg Meuthen sprach sich indes weitaus weniger kritisch gegenüber Muslime aus, er betonte sogar, dass er "nicht gegen Moscheen in Deutschland" eingestellt sei, dies seien "Orte der Religionsausübung" und diese gehörten "dazu". AfD-Chefin Petry keilte indes gegen die Muslime und sprach sich gegen "die verschiedenen Verschleierungsarten von Frauen", also gegen das Tragen des Kopftuches aus.

Die Integrationsbeauftragten der Unions-Bundestagsfraktion, Cemile Giousouf (CDU), die erste Muslima im Bundestag, hatte indes gegenüber Petry gesagt, wenn "heute Molotowcocktails fliegen, dann ist das ein Produkt Ihrer zündelnden Sprache und Ihrer Politik, Frau Petry". Kämen "Menschen zu Schaden", dann sei Petry "dafür mitverantwortlich". Der Vorsitzende des ZMD, Mazyek, hatte unmittelbar vor dem Treffen am Montag seine Kritik am Anti-Islam-Kurs der AfD bekräftigt und als Ziel des Gespräches vorgegeben, dass die Partei entsprechende Punkte in ihrem Programm abändern müsse.

Sich rhetorisch so aufeinander einzuschießen mag ausreichen, um eine zünftige Schlägerei zwischen den Hooligans zweier verfeindeter Fußballclubs einzuleiten. Einem gesitteten und auf Kompromiss ausgerichteten Dialog zwischen zwei derart unterschiedlichen Protagonisten förderlich war derlei Vorspiel jedoch kaum und endete denn auch im "Eklat mit Ansage" respektive als "Kindergeburtstag mit Petry und Mazyek".

Erinnerung an dunkle Zeiten

Es ist die alte Leier der Unversöhnlichkeit, statt gemeinsam vor die Kameras, Mikrophone und Stenoblöcke der Reporter zu treten, ging man auch bei den Pressestatements getrennte Wege. Petry sagte: "Wir mussten uns vorwerfen lassen, eine Partei aus dem Dritten Reich zu sein." Mazyek habe diesen Vergleich nicht zurückgenommen, obwohl man darum gebeten habe. Zugleich habe er verlangt, "ein demokratisch beschlossenes Parteiprogramm zurückzunehmen" und diesem "Verfassungswidrigkeit" unterstellt.

Mazyek indes erklärte, die AfD habe klargemacht, "dass man den Weg des Populismus und der Diffamierung und […] der Vorurteile weitergehen will". Er betonte abermals, das Programm der AfD erinnere "an die dunkelste Zeit" in der deutschen Geschichte. Die AfD-Vertreter hätten sich geweigert, Passagen aus ihrem Parteiprogramm zu debattieren oder zu ändern, die sich gegen die Muslime und das Grundgesetz richteten.

Petry kommentierte dies damit, dass man eine demokratisch legitimierte Partei sei, die 15 Prozent der Deutschen vertrete, während der ZMD lediglich 10.000 der mehr als vier Millionen Muslime vertrete. Nach dem Gespräch twitterte die AfD-Chefin: "Arroganz statt Augenhöhe von Seiten des Zentralrats der Muslime!" Niedersachsens AfD-Chef Armin Paul Hampel befand, es überrasche ihn "immer wieder, dass eine Glaubensgemeinschaft, die erst seit einigen Jahrzehnten nach Deutschland gekommen und hier heimisch geworden ist, andauernd Forderungen in solcher Vehemenz formuliert".

Derlei Aussagen sind Opfer-Mythen, vorwiegend gerichtet an die eigene Klientel und an die Gemeinde der Sympathisanten. Es ist eine seichte Art von Fremdenfeindlichkeit, weil Hampel andeutet, dass diese für Deutschland neue, andere und wohl doch nicht ganz so heimisch gewordene Religion sich Dinge anmaßt, die ihr so und gerade deswegen nicht zustehen. Ähnliches mussten sich Anhänger der so genannten Fremdreligion des Judentums in den 1920er Jahren ff. ebenso anhören, nachdem im Ersten Weltkrieg Juden noch gemeinsam mit den deutsch-nationalen Kameraden in den Schützengräben fürs Vaterland kämpfen und fallen durften.

Seinerzeit, in der Weimarer Republik, warfen manche den Juden auch Arroganz vor, wenn diese versuchten, selbstbewusst für ihre Belange einzustehen, sie die ihnen zustehenden Rechte einforderten und auf gesellschaftliche, antisemitische Fehlentwicklungen und Gefahren hinwiesen. Aktuell dürfte nun also abzuwarten bleiben, ob und wem das Gespräch zwischen AfD und ZMD mehr genutzt oder geschadet hat. Einem Dialog auf Augenhöhe glich das, was sich am Montag in Berlin zutrug, sicher nicht.

Manches erinnerte im Gesamtbild sogar mehr an eine unnachgiebige Trollschlacht in den sozialen Netzwerken, inklusive Zeige- und Mittelfinger im Anschlag. Die taz stellt dazu fest, Petry habe eventuell den gestrigen Skandal einkalkuliert. Statt Dialogbereitschaft zu zeigen, werfe die AfD anderen dann lieber reflexartig vor, "nicht dialogwillig" zu sein. Die "Anti-Establishment-Partei" könne nur Attacke und nutze dazu jede ihr gebotene öffentliche Bühne. Medien- und Politikprofi Mazyek dürfte das nun auch erkannt haben.