Tod im Schatten der Drohne

Bild: USAF

Taliban-Chef Mullah Akhtar Mohammad Mansour wurde wieder einmal für tot erklärt

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Es war überraschend, als es in der Nacht zum Sonntag plötzlich hieß, Mullah Akhtar Mohammad Mansour, der Führer der afghanischen Taliban, sei "wahrscheinlich" irgendwo im Gebiet zwischen Afghanistan und Pakistan durch einen US-amerikanischen Luftangriff getötet worden. Dementsprechend groß war jedoch auch die Skepsis.

Bereits Ende 2015 berichteten zahlreiche Medien weltweit vom Tod Mansours. Damals hieß es, er sei internen Taliban-Streitigkeiten zum Opfer gefallen und von einem Rivalen niedergeschossen worden. Erst im Juli vergangenen Jahres beerbte Mansour den Gründer der Taliban-Bewegung, Mullah Mohammad Omar, nachdem bekannt wurde, dass dieser schon seit längerem verstorben sei.

Das Szenario um Mansour ähnelt jenem Omars. In beiden Fällen wurde des Öfteren vom Tod der der beiden Männer berichtet. Im Fall Omars, von dem es kaum Bilder gab, wurden etwa immer wieder falsche, oftmals völlig unschuldige Personen gejagt und getötet. Widersprüchliche Aussagen seitens verschiedener Akteure dominierten die Berichterstattung. Dies ist auch gegenwärtig zu beobachten. Anfangs hieß es etwa, Mansours Aufenthaltsort in der afghanischen Provinz Zabul sei ausgemacht und bombardiert worden. Kurz darauf änderte sich dies jedoch. Mansours Fahrzeug wurde nahe der Stadt Nushki in der pakistanischen Provinz Belutschistan Ziel eines Drohnen-Angriffs, hieß es plötzlich.

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Letztere Version hat sich mittlerweile durchgesetzt - und lässt gleichzeitig viele Fragen offen. Während sowohl die afghanische Regierung als auch das Weiße Haus sich sicher sein wollen, dass Mansour dieses Mal getötet wurde - ohne die Todesberichte aus dem vergangenen Jahr zurückzunehmen -, ist die Identität der Drohnen-Opfer weiterhin ungeklärt. Die beiden Leichen sind aufgrund ihrer Unkenntlichkeit nicht zu identifizieren. Bei einem Mann soll es sich um den Taxifahrer handeln, bei dem anderen - so spekuliert man - um Mansour.

Auffallend ist die Tatsache, dass trotz des erheblichen Schadens an Fahrzeug und menschlichen Körpern ein unbeschädigter pakistanischer Reisepass gefunden wurde, den man nun Mansour zuordnen will. Laut dem Dokument handelt es sich bei den Toten um einen Mann namens Wali Mohammad, der 1972 geboren wurde. Bekannterweise ist Akhtar Mohammad Mansour, der schon in der Taliban-Regierung Ende der 90er-Jahre einen Ministerposten hatte, mindestens acht bis zehn Jahre älter. Des Weiteren hieß es, Mansour sei meistens unter dem Decknamen Hajji Nazir unterwegs und benutze keine anderen Namen.

"Ich kannte Mansour persönlich. Er war übergewichtig und hatte eine füllige Statur wie das Opfer. Da das Gesicht jedoch nicht erkennbar ist, kann ich nicht Genaueres sagen", meint etwa Sami Yousafzai, ein afghanischer Journalist. Besonders auffallend war jedoch, dass im gefundenen Pass iranische Ein- und Ausreisetempel vorzufinden waren. Demnach soll sich besagter Wali Mohammad in den letzten Wochen im Iran aufgehalten haben.

Von der iranischen Regierung wurde dieser Umstand bereits dementiert. Laut Hossein Jaberi Ansari, dem Sprecher des iranischen Außenministeriums, befand sich die besagte Person nicht im Iran. "Die verantwortlichen Offiziellen der Islamischen Republik bestreiten, dass diese Person zum besagten Zeitpunkt über Pakistan in den Iran eingereist ist", so Jaberi.

"Es wäre für die Amerikaner sehr peinlich, wenn es sich bei dem Opfer nicht um Mansour handelt", betont Waheed Mozhdah, ein politischer Analyst aus Kabul. "Egal, was die Schlagzeilen zur Zeit sagen: Die Identität dieses Mannes ist weiterhin nicht geklärt", fügt er hinzu.

Die pakistanische Regierung will in den nächsten Tagen überprüfen, ob es sich bei der getöteten Person tatsächlich um Mansour handelt. Seitens der afghanischen Taliban gab es bis dato kein offizielles Statement. In mehreren Berichten wurden verschiedene namentlich nicht genannte Taliban-Quellen zitiert, die den Tod Mansours sowohl bestätigten als auch leugneten. Auf dem Schlachtfeld sorgten die Nachrichten über Mansours Tod vorerst für keine Veränderungen.

Mögliche Nachfolge - ein Albtraum?

Falls Mansour auch seitens der Gruppierung für tot erklärt werden sollte, stellt sich die Frage, wer ihn beerben könnte. Schon nach der Bekanntmachung des Todes von Mullah Omars war dessen Nachfolge umstritten. Kurzzeitig versuchten einzelnen Fraktionen, die Führung für sich zu beanspruchen und wendeten sich von Mansour ab. Dieses Szenario könnte sich nun wiederholen.

Auch Barack Obama nahm Stellung zum erklärten Tod Mansours. Immerhin fand der Drohnen-Angriff auf seinem Befehl statt. "Der Tod Mansours ist ein wichtiger Meilenstein in unseren Anstrengungen, Frieden und Wohlstand nach Afghanistan zu bringen", so der US-Präsident in einer vom Weißen Haus herausgegeben Erklärung. Diese Worte erscheinen besonders naiv und irreführend, wenn man die Tatsache in Betracht zieht, dass in der Vergangenheit Führungspositionen nach derartigen Attentatsangriffen meistens von radikaleren und kompromissloseren Personen übernommen wurden.

Ob dies auch nach einem möglichen Tod Mansours, der als Pragmatiker bekannt war, der Fall sein wird, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt schwer sagen. Als Nachfolger stehen etwa Personen wie Mullah Yaqub, der Sohn Mullah Omars, oder der berühmt-berüchtigte Sirajuddin Haqqani, der das mit den Taliban verbundene Haqqani-Netzwerk führt, im Raum.

Haqqani hat vor einigen Jahren die Nachfolge seines Vaters, Jalaluddin Haqqani, unter dessen Führung im Kampf gegen die Sowjets auch zahlreiche Araber kämpften, übernommen und gilt als Schreck afghanischer und US-amerikanischer Soldaten. "Das wäre ein Alptraum", meinte etwa Rahmatullah Nabil, ehemaliger Chef des afghanischen Geheimdienstes NDS, in einem kürzlich erschienenen Interview.

Ausweitung des Drohnen-Krieges

Obwohl die Umstände der jüngsten Ereignisse erst in den nächsten Tagen klarer werden dürften, lässt sich eines schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt sagen: Der stattgefundene Angriff macht einen Schwenk in der Afghanistan-Politik Washingtons deutlich. In diesem Kontext sollte man auch hervorheben, dass die afghanischen Taliban auf keiner Terror-Liste des Weißen Hauses angeführt sind.

Ihr Führer, Mansour, wurde nun allerdings nicht in Afghanistan angegriffen, sondern auf pakistanischem Territorium. Tatsächlich war der Drohnen-Angriff auf die zwei Männer im Taxi der erste seiner Art im pakistanischen Belutschistan, einem der Rückzugsorte zahlreicher afghanischer Taliban-Führer, deren Kreis nicht umsonst als "Quetta-Schura" bekannt ist. Die pakistanische Regierung kritisierte den Angriff und hob hervor, dass ihre Souveränität verletzt worden sei. Wie dem auch sei, der Pfad für weitere amerikanische Attentatsangriffe in dieser Provinz wurde nun eröffnet.

In diesem Kontext fielen in Kabul teils irritierende Reaktionen auf. Amrullah Saleh, ein bekannter Politiker aus dem Umfeld der ehemaligen Nordallianz, meinte etwa auf Twitter, dass ein Bild der Drohne, die Mansour getötet hat, im Nationalmuseum als "Symbol der Gerechtigkeit" ausgestellt werden sollte.

Während die Kritik am Drohnen-Krieg der Amerikaner weltweit wächst, machen führende afghanische Politiker immer wieder ihre Unterstützung für den Kampf mit den Killermaschinen deutlich. Dem Weißen Haus dürfte die Propaganda recht sein. Der mögliche Tod Mansours würde die Narrative der präzisen Drohne, die nur Terroristen tötet, wieder in den Vordergrund stellen.