Wenn die Mainstream-Medien versagen

Alternative Nachrichtenplattform soll die Menschen in Griechenland besser informieren

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wenn die großen Medien eines Landes einseitig und realitätsverzerrend berichten, müssen alternative Formate gefunden werden, die die Aufgabe einer kritischen Berichterstattung übernehmen.

In Griechenland soll AthensLive an den Start gehen, eine Nachrichtenplattform, die sich der Berichterstattung der Mainstream-Medien entgegenstellt. Wie das Europäische Journalismus Observatorium (EJO) berichtet, handelt es sich bei AthensLive um eine durch Crowdfunding finanzierte Plattform, die durch eine Kooperation zwischen griechischen Journalisten und Medienschaffenden aus anderen Ländern einen Journalismus bieten möchte, der nur den Lesern gegenüber verpflichtet sein soll. In englischer Sprache werde AthensLive eine nachrichtliche Berichterstattung, aber auch Analysen und Kommentare aus Athen und Griechenland liefern.

Auf AthensLive finden die Macher der Plattform deutliche Worte zur Situation der Medien in Griechenland. Demnach kontrolliere die politische Elite die Medien seit Jahren und die Situation sei in den Krisenjahren noch schlimmer geworden. Die Journalisten zeichnen das Bild einer Medienlandschaft, in der Schlüsselfiguren eng mit Eliten aus anderen gesellschaftlichen Teilbereichen, wie der Wirtschaft und Politik, verzahnt sind: "Die Medien in Griechenland sind nichts anderes als ein Instrument der politischen Parteien und der Unternehmen. Die Medien haben das Vertrauen der Öffentlichkeit verloren."

Auch mit den ausländischen Medien ("Über Mitglieder der griechischen Regierung wurde mehrheitlich negativ berichtet") geht AthensLive hart ins Gericht. Bei ihnen sei keinerlei Verpflichtung zu erkennen, die ganze "griechische Geschichte" zu erzählen, ihre Berichterstattung beschränke sich auf Ausschreitungen und größere Vorfälle im Zusammenhang mit der Bankenwelt. So entstehe eine geradezu karikaturhafte Berichterstattung.

In Griechenland sei es für viele Journalisten ziemlich normal, erst einmal ohne Bezahlung zu arbeiten und dann darauf zu hoffen, dass irgendwann das Gehalt noch gezahlt werde. Nicht anders sei es bei den Freiberuflern unter den Journalisten. Auch diese erhielten oft erst ein halbes Jahr später die Entlohnung für ihre Arbeit.

Der Journalist und Mitbegründer des alternativen Nachrichtenformates, Tasso Morfis, sagte, dass es in Griechenland bisher keine vergleichbare Plattform gäbe: "Die Mainstream-Medien haben keine Meinungen, die sich gegen die Sparpolitik richteten, veröffentlicht. Leser, die sich im Vorfeld des griechischen Referendums ausschließlich in Mainstream-Medien informiert über die Rettungspläne haben, hätten mit Sicherheit gesagt, dass die Mehrheit der griechischen Öffentlichkeit für die Fortsetzung der Sparmaßnahmen ist."

Wie EJO berichtet, hatten die Sparmaßnahmen in Griechenland aber 61 Prozent der Menschen zurückgewiesen. Außerdem sei im Nachhinein bekannt geworden, "dass einflussreiche Mitglieder der Partei Nea Dimokratia (Neue Demokratie) ein Memo an die wichtigsten Medien geschickt hatten, in dem sie Anweisungen gaben, wie die Berichterstattung über diese umstrittene Abstimmung auszusehen habe".

In Griechenland, so heißt es auf der EJO-Webseite, sei es durch die "strenge Kontrolle der Herausgeber" möglich, auch auf die Interessen von Unternehmen zu achten. So habe etwa ein Reporter einer Athener Tageszeitung einen exklusiven Zugang in Sachen Luxemburg Leaks erhalten und dabei die Namen "einflussreicher griechischer Firmen, die in den Steuerhinterziehungsskandal verwickelt waren", erfahren. "Trotzdem", so EJO weiter, "veröffentlichte Ta Nea nur einen kleinen Artikel darüber - ohne Namen zu nennen. In ganz Griechenland verhängten sich die Mainstream-Medien selbst eine Nachrichtensperre über diese Geschichte."

Dass die Nähe zwischen Medien und Herrschenden auch den Griechen nicht unbemerkt blieb, liegt nahe. In einem Interview merkte Tasso an, dass bei Demonstrationen hunderttausende Menschen auf der Straße riefen: "Diebe, Arschlöcher, Journalisten."

Das angespannte Verhältnis der griechischen Bevölkerung zu den Medien, erinnert auch an die Situation in Deutschland ("Medienkritik" mit Pfefferspray). Auch hierzulande stehen die Medien seit geraumer Zeit unter einer heftigen Kritik (Journalisten unter Schutz: Mit Bodyguards auf Demonstrationen). Viele Mediennutzer gehen von einer "gesteuerten Berichterstattung" aus und haben Zweifel an der Unabhängigkeit der Medien und dem gelieferten Journalismus (Ein Journalismus, nahe an der Grenze zur Manipulation).