Clintongate

Hillary Clinton in Phoenix, als alles noch relativ in Ordnung war. Bild: Gage Skidmore/CC-BY-2.0

Die Email-Affäre der demokratischen US-Präsidentschaftsanwärterin Hillary Clinton könnte ihre politische Karriere abrupt beenden

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Es ist erstaunlich, wie schnell der Wind im Pressewald drehen kann. Noch vor wenigen Tagen wurde die ehemalige First Lady Hillary Clinton vom Mainstream der Massenmedien buchstäblich in das Präsidentenamt hineingeschrieben, für das sie - neben dem linken Senator Bernie Sanders - bei den Vorwahlen der Demokraten kandidiert.

Nachdem ein Bericht des Office of the Inspector General (einer internen Kontrollinstanz) des US-Außenministeriums eine vernichtende Kritik an der verdächtigen digitalen Kommunikationspraxis und dem damit einhergehenden dubiosen Verhalten der ehemaligen US-Außenministerin während ihrer Amtszeit übte, gehen viele Meinungsmacher in den Vereinigten Staaten vorsichtig auf Distanz zu Clinton.

Die Washington Post etwa, die mit ihren massiven Angriffen auf den demokratischen Sozialisten Sanders zu den treuesten medialen Sturmgeschützen Clintons gehörte, empörte sich nun über die "unentschuldbare, absichtliche Missachtung von Regeln" durch Hillary Clinton.

Die New York Times, die Clinton als eine "zutiefst qualifizierte Kandidatin" für das Präsidentenamt bezeichnete, listete akribisch alle Unzulänglichkeiten und Ungereimtheiten der offiziellen Verteidigungsstrategie der ehemaligen Außenministerin in der sogenannten Email-Affäre auf. Und selbst den hartnäckigen Clinton-Fans bei Spiegel-Online fällt inzwischen auf, dass der Wahlkampf dieser Kandidatin des Establishments der Demokraten von "Fehlern und Pannen" überhäuft sei.

Der Anlass für diesen Meinungsumschwung scheint auf den ersten Blick eher harmlos, sodass die Ausreden des Clinton-Lagers, es handele sich bei der Affäre um eine bloße Hexenjagd konservativer Hardliner, durchaus stichhaltig erscheinen. Es geht um die Benutzung einer privaten Emailadresse durch Hillary Clinton während ihrer Amtszeit als Außenministerin, sowie um die Einrichtung eines eigenen, privaten E-Mail-Servers in ihrem Haus, auf dem ein Teil der amtlichen Korrespondenz abgewickelt wurde (WikiLeaks hat über 30.000 Emails veröffentlicht). Clinton hat bei den bisherigen Anhörungen immer wieder beteuert, dies nur der "Bequemlichkeit" halber gemacht zu haben - und überdies sei diese Praxis "erlaubt" gewesen. Sie habe unwissentlich einen Fehler begangen, den sie nicht wiederholen werde, so die Verteidigungsstrategie der ehemaligen Außenministerin.

Dabei wurde immer wieder behauptet, die Außenministerin habe ihren laxen Umgang mit den "neuen" Medien mitunter wegen mangelnder Erfahrung und unzureichenden IT-Kenntnissen gepflegt. So soll die demokratische Präsidentschaftskandidatin das private Handy nur deswegen benutzt haben, weil sich "nicht erfahren" war im Umgang mit einem Desktop-Computer und dort keine Mails abrufen konnte, wie es in einem Untersuchungsausschuss hieß.

Der nun veröffentlichte Regierungsbericht lässt diese Verteidigungsstrategie Clintons, die sich auf die Ignoranz und Bequemlichkeit der damaligen Außenministerin bereif, weitgehend zusammenbrechen. Insbesondere der von Clinton eingerichtete private Mailserver sehe "nicht wie ein ehrlicher Fehler" aus, bemerkte etwa die Chicago Tribune in ihrer Auswertung des Berichts des Office of Inspector General. Die Benutzung eines privaten Mailservers für amtliche Korrespondenz sei nicht "normale" Praxis gewesen, bemerkte die Chicago Tribune. Der Bericht stelle zudem ausdrücklich fest, dass dies durch die damaligen Regeln "nicht erlaubt" gewesen wäre.

Damit widerspricht der vorab durchgesickerte Regierungsbericht der Obama-Administration ausdrücklich der Darstellung ihrer früheren Außenministerin in einer entscheidenden Wahlkampfphase. Clinton hat somit sich selbst die Erlaubnis erteilt, einen privaten Mailserver für amtliche Korrespondenz zu betreiben. Die ehemalige Außenministerin habe aus Ignoranz nicht nur gegen die Sicherheitsregeln bei der regierungsinternen Kommunikation verstoßen, hieß es in dem Regierungsbericht. Clintons enge Mitarbeiter haben Kritik an diesem Vorgehen barsch zurückgewiesen. Zwei Angestellte des Ministeriums, die Sicherheitsbedenken gegenüber dieser Praxis äußerten, haben aus Clintons Umfeld die Anweisung erhalten "nie wieder über das private Mailsystem der Außenministerin" zu sprechen, wie die New York Times aus dem Regierungsbericht zitierte.

Somit hat Clinton Kritik an ihrer Praxis bewusst unterdrücken lassen - von "Bequemlichkeit" und Unwissenheit kann hier keine Rede mehr sein. Dies stellte zum einen ein großes Sicherheitsrisiko dar. Es sind mehrere Fälle bekannt, bei denen Hacker versuchten, sich Zugang zu dem Server zu verschaffen. Der rumänische Hacker Guccifer behauptet gar, dass es ihm gelungen sei, sich Zugang zu dem Mailserver Clintons zu verschaffen. Inzwischen hat der IT-Spezialist und Clinton-Vertraute Bryan Pagliano, der den privaten Server einrichtete, im Rahmen der FBI-Ermittlungen gegen Clinton Immunität zugesichert bekommen.

Der an Clinton - insbesondere aus Sicherheitskreisen - gerichtete Vorwurf lautet somit, sie habe die nationale Sicherheit aufs Spiel gesetzt. Es sei nämlich weiterhin unklar, ob ihr privater Server nicht doch von feindlichen Geheimdiensten unbemerkt gehackt wurde. Unter den rund 60.000 Mails auf den privaten Server der Außenministerin befand sich auch sensibles Material, darunter auch 22 Mails mit der höchsten Geheimhaltungsstufe. Und es ist kaum nachvollziehbar, wie diese Informationen auf den privaten Server Clintons ohne Gesetzesbruch gelangen konnten, wie der Publizist H. A. Goldman in einem Videobeitrag ausführte.