Französische Demonstrationen: Erdoğan kritisiert westliche Medien

Der türkische Präsident tritt für die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ein und spricht von Gleichgültigkeit und innerer Zensur der westlichen Medien gegenüber der Gewalt der Polizei

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Man muss auch im französischen Mainstream nicht lange suchen, um auf Nachrichten über rabiate Gewaltanwendung der Polizei gegen Demonstranten (vgl. Machtkampf in Frankreich spitzt sich zu) zu stoßen. Le Monde berichtete am vergangenen Donnerstag über gewaltsame ad-hoc-Festnahmen, über Demonstranten, die über Verbrennungen und Blutergüsse klagen, über unangebracht hartes Vorgehen von Polizisten gegen Schüler und davon, dass sich mehr und mehr Kollektive bilden, die Demonstranten über ihre Rechte informieren und die selbstherrlichen Praktiken der Vertreter der Staatsmacht mit Kameras aufzeichnen und auf Twitter posten, auf Facebook oder auf Periscope.

Auch regionale Zeitungen berichten mit Foto-und Filmmaterial.

Ganz oben beim Magazin L‘Obs findet sich am Montagspätnachmittag die Meldung, dass der Verteidiger der Rechte (Défenseur des droits), eine unabhängige Verfassungsinstitution, nun eine Ermittlung eingeleitet hat im Fall eines jungen Mannes, der von einer Polizeigranate schwer verletzt wurde. Auch dieser Vorfall wurde gefilmt.

Auf der Seite des französischen Nachrichtenmagazins ist auch die Meldung aus der Türkei zu lesen, mit dem Teaser, wonach der türkische Präsident Erdoğan die Gewalt der französischen Polizei verurteile und die Zensur der Presse in Frankreich darüber kritisiere.

"Ich bin auch sehr beunruhigt über die gegenwärtigen Vorfälle in Paris. Ich verurteile die Gewalt der französischen Polizei gegen die Menschen, die ihr Recht auf Demonstrationen nutzen und die westlichen Medien, die über solche Vorgänge nicht berichten", wird der türkische Präsident von der englisch-sprachigen Ausgabe von Hurriyet wiedergegeben.

Demnach forderte Erdoğan bei einem Auftritt in Istanbul, dass Menschenrechtsorganisationen und Politiker dem Thema mehr Bedacht und Aufmerksamkeit schenken sollten, die westlichen Medien würden Gleichgültigkeit gegenüber der Polizeigewalt an den Tag legen. Er stellte einen Zusammenhang mit den Gezi-Park-Protesten (vgl. Link auf 39370) vor drei Jahren her.

"Heute brennen Paris und Brüssel", sagte er, "auch in anderen westlichen Städten gibt es schwerwiegende Proteste. Medien, die vor drei Jahren beinahe non-stop aus Istanbul berichtet haben, geben sich blind und bleiben taub und stumm gegenüber diesen Ereignissen".

Zuvor hatte der Sprecher des Außenministeriums, Tanju Bilgiç, seine Sorge über das zunehmend aggressive Vorgehen der französischen Polizeikräfte ausgedrückt, mit der Empfehlung an die französischen Behörden, vom Gebrauch unangemessener Gewalt Abstand zu nehmen. Die Türkei sei von der Notwendigkeit des Dialogs in Demokratien überzeugt. Viele Bewohner im mehrheitlich kurdisch besiedelten Südosten des Landes und kritische türkische Journalisten könnten diese Aussage als Persiflage empfinden.