Der Bundestag und das Geldsystem

Follow the money! - Teil 1

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Was passiert eigentlich im Finanzausschuss? Wie denken die Abgeordneten dort über das Geldsystem? Verstehen sie es überhaupt? Telepolis fragte nach und erhielt interessante Antworten - nur die SPD blieb stumm.

Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages ist der Ort, wo gewählte Abgeordnete Einfluss auf die Finanzpolitik des Landes nehmen können. So zumindest die Theorie. Wichtige Gesetzesvorlagen der Regierung rund um Geld, Steuern, und Finanzwirtschaft sollen vom Ausschuss geprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Der Ausschuss selbst gibt sich dabei realistisch und betont in einer Eigendarstellung auf den Webseiten des Bundestages:

Der etappenreiche Weg der Gesetzesvorhaben von der Koalitionsvereinbarung zum Finanzausschuss verdeutlicht, dass ein Gesetzentwurf der Bundesregierung bei Beginn der Ausschussberatungen bereits ein gewisses Reifestadium erreicht hat. Deshalb sind fundamentale Änderungen der Vorlage (...) im Ausschuss die Ausnahme.

Selbstbeschreibung Finanzausschuss

Mit anderen Worten: grundsätzliche Entscheidungen werden anderswo getroffen. Aus der Selbstbeschreibung geht weiterhin hervor, dass die Initiativen für Gesetze, die am Ende auch verkündet werden, zum größten Teil von der Regierung ausgehen und nicht etwa vom Parlament. Den Mitgliedern des Ausschusses sind ihre beschränkten Möglichkeiten bewusst. Zu den öffentlichen Anhörungen zu Gesetzesvorlagen, wo verschiedene Experten, meist auch zahlreiche Lobbyisten der Finanzwirtschaft, von den Abgeordneten befragt werden können, kommen viele der Politiker gar nicht mehr.

Laut den veröffentlichten Protokollen nahmen an den Anhörungen in diesem Jahr durchschnittlich nur 12 der 37 Mitglieder des Finanzausschusses teil. Zwei Drittel der für Finanzen zuständigen Parlamentarier bleiben dem öffentlichen Teil der Beratungen im Ausschuss also von vornherein fern. Über die nichtöffentlichen Sitzungen des Ausschusses sind keine Daten zur Anwesenheit verfügbar.

Von Paul Schreyer ist zuletzt im Westendverlag erschienen: "Wer regiert das Geld? Banken, Demokratie und Täuschung".

Im Dickicht der Technokraten

Die Arbeit des Ausschusses ist mühsam und kleinteilig. Eine fertige Beschlussempfehlung zu einem Gesetzesvorhaben kann schon mal 100 Seiten umfassen, die dann mit Änderungsvorschlägen wie dem Folgenden gefüllt sind:

In Nummer 7 wird im Wortlaut nach Buchstabe e nach den Wörtern "noch fortbesteht" ein Komma eingefügt und werden nach den Wörtern "des Kapitalanlagegesetzbuchs hat", die Wörter "oder die von einer EU-Verwaltungsgesellschaft ausgegeben werden, die eine Erlaubnis nach Artikel 6 der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften …

Änderungsvorschlag

Und so weiter. Man fragt sich, wer tatsächlich die Nerven besitzt, das durchzuarbeiten. Während der öffentlichen Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung Anfang Mai meinte der als Experte geladene Professor Lorenz Jarass dazu in pointierter Weise:

Ich vermute mal, dass nur ein oder zwei Beamte im Bundesfinanzministerium Zeit dafür haben, diesen Steuergesetzentwurf vollständig durchzuarbeiten, oder gut bezahlte Professoren wie ich, die abends und am Wochenende Zeit dafür haben. Wenn Sie den Gesetzentwurf mit seinen 149 engbedruckten Seiten und 56 Paragrafen durcharbeiten - irgendwann nimmt man sich ein Glas Rotwein und überlegt sich, warum es diesen Gesetzentwurf überhaupt gibt. (…)

Man kann z. B. ein Gesetz wie das hier vorliegende machen, das - es ist schon erwähnt worden - in einigen Teilen ein bisschen Vereinfachung, in vielen Teilen aber auch eine Verkomplizierung bringt und das in jedem Fall aber ein riesiges neues Beschäftigungsprogramm für die Beratungsindustrie darstellt. Das ist die eine Möglichkeit. Ich bin ganz sicher, dass wir hier nächstes Jahr schon wieder zusammensitzen und über Nachbesserungen sprechen.

Lorenz Jarass

Solche Prozesse machen in der Praxis einen großen Teil der Arbeit des Finanzausschusses aus. Wann aber geht es dort dann mal um grundsätzlichere Fragen? Und wie schätzen die Mitglieder diese eigentlich ein? Eine Umfrage unter den Parlamentariern sollte das beleuchten. Dazu wurden alle 37 Mitglieder des Finanzausschusses einzeln von Telepolis angeschrieben. In den Fragen ging es unter anderem um die Staatsverschuldung, die Geldschöpfung, die Rolle der EZB, Bilanzregeln, sowie die Bedeutung des Bargelds.

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