Rente mit 73?

Grafik: IW

Schock-Rechnung des Instituts der Deutschen Wirtschaft

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Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) ist eine Forschungseinrichtung, die von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und vom Bundesverband der Deutschen Industrie getragen wird. Zu den Themenfeldern, in denen die dort tätigen Ökonomen forschen, zählt auch die Zukunft der Rente.

Zu diesem Thema hat die IW-Wirtschaftswissenschaftlerin Susanna Kochskämpen eine Kurzstudie verfasst, die seit ihrer Veröffentlichung am Freitag viel Medienaufmerksamkeit genießt:

Das liegt vor allem daran, dass sie anhand der Trends bei der Lebenserwartung und der Geburtenrate zu einem Ergebnis kommt, das viele Arbeitnehmer schaudern lässt:

Als sie ins Arbeitsleben einstiegen, lag das Renteneintrittsalter für Männer bei 65 und für Frauen bei 60 Jahren. Darüber hinaus gab es Vorruhestandsregelungen und der CDU-Minister Norbert Blüm versprach, die Rente sei "sicher". Kurz darauf behauptete die Politik das Gegenteil, führte die private "Riester-Rente" ein und erhöhte das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre.

Im April 2016 verlautbarte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, das Renteneintrittsalter müsse noch weiter hinaufgesetzt werden. Der Junge-Unions-Vorsitzende Paul Ziemiack nannte der Rheinischen Post dafür die vorläufige Zielzahl 70 (vgl. Schäuble will Renteneintrittsalter weiter nach hinten schieben). Kochskämpens Berechnungen nach reicht das nicht: Sie kommt zum Ergebnis, dass die Deutschen ab 2030 erst mit 69, ab 2035 mit 71 und ab 2041 mit 73 in Rente gehen können, wenn die Beiträge nicht stark angehoben oder die Renten deutlich gekürzt werden.

Kochskämpen arbeitet in ihrer Berechnung mit einem Rentenquotienten, der Auskunft darüber gibt, wie viele Rentner auf wie viele Erwerbstätige kommen. Derzeit liegt dieser Rentenquotient bei etwa 34 Prozent, was bedeutet, dass ein Rentner von drei Erwerbstätigen finanziert wird. Bei ihren Renteneinrittsalterserhöhungen setzte die Wirtschaftswissenschaftlerin das Ziel, dass dieser Quotient höchstens um einen Punkt ansteigen darf. Akzeptiert man einen Anstieg um elf Punkte 45 Prozent wäre eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 69 Jahre erst ab 2036 und auf 70 Jahre ab 2045 nötig.

Gegen eine deutliche Beitragserhöhung spricht, dass sie die Standortbedingungen verschlechtern und auf den Widerstand der Wirtschaft stoßen würde. Dass eine Bundesregierung aus CDU und SPD Renten kürzt, ist noch deutlich unwahrscheinlicher: Rentner sind die treuesten Wähler der beiden ehemaligen Volksparteien - die belohnten sie dafür zuletzt mit einer Rentenerhöhung um 4,2 Prozent in West- und um 5,95 Prozent in Ostdeutschland. Insofern ist wenig überraschend, dass das Rentenpaket, dass die sozialdemokratische Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles ein Jahr vor der Bundestagswahl 2017 vorstellen will, nur Zeit bis 2030 behandeln soll.

Die Linkspartei setzt - wie die AfD - darauf, dass auch Selbständige und andere bislang befreite Gruppen in den Rententopf mit einzahlen sollen. Dadurch und durch die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze will man die 2007 von Union und SPD beschlossene Erhöhung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre rückgängig machen und das Rentenniveau auf 53 Prozent anheben. Eine Einbeziehung geringverdienender Freiberufler könnte allerdings negative Konsequenzen haben: Sind die geforderten Beiträge zu hoch, führen sie potenziell dazu, dass Selbständige schon vor Erreichen des Rentenalters zu Sozialfällen werden (vgl. Erweiterung der Altersarmut ins Berufsleben).

FDP-Chef Christian Lindner und die Jugendorganisation der Freien Wähler möchten dagegen das Renteneintrittsalter "flexibilisieren". Dabei sagt die FW-Jugend klarer, was das konkret bedeuten soll: Sie setzt auf eine Lebensarbeitszeit anstatt eines festen Renteneintrittsalters: Danach soll jemand Ansprüche haben, wenn er 45 Jahre lang gearbeitet hat - auch dann, wenn er erst 60 Jahre alt ist, weil er schon mit 15 Jahren eine Lehre begonnen hat.

Bernd Lucke propagiert mit seiner Fortschrittspartei ALFA einen "nationalen Rentensicherungsfonds, bei dem der Staat selbst - aus Steuermitteln - Vermögen bildet". Die Erträge dieses Staatsfonds sollen Geringverdienern eine Zusatzrente sichern. Voraussetzung dafür sind höhere Zinsen als jetzt, die Lucke über eine andere Zentralbankpolitik erreichen will. Höhere Zinsen sieht auch die Bayernpartei als Antidot gegen Altersarmut. Sie fordert einen Austritt des Freistaats aus der Bundesrepublik und dem Euro-Raum und eine Rückkehr zur D-Mark oder zum alten bayerischen Gulden (vgl. Rückkehr zum Gulden?).