Brasiliens Regierung am Abgrund

Nach dem neuen Planungsminister musste nun ausgerechnet der Minister abtreten, der für Transparenz gegen die verbreitete Korruption sorgen sollte

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Es zeigt sich immer klarer, dass es in der Übergangsregierung in Brasilien seltsam zugeht. Nach dem Planungsminister Romero Jucá musste nur eine Woche später der für die Korruptionsbekämpfung zuständige Minister Fabiano Silveira seinen Hut nehmen. Auch er stolperte über Aufnahmen, in denen er sich eher in der Rolle zeigt, Korruption zu befördern und zu decken, statt sie zu bekämpfen.

Nun war es der Sender TV Globo, der Telefonaufnahmen veröffentlicht hat. Silveira unterhält sich mit dem Senatschef Renan Calheiros und Sérgio Machado, gegen die wegen Korruption ermittelt wird. Er äußert sich nicht nur abfällig über die Ermittlungen des Staatsanwalts, der "auf verlorenem Posten stehe", sondern das damalige Mitglied des Justizrats berät Calheiros und Machado sogar noch, wie sie sich gegenüber den Ermittlern verhalten sollen, um ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Inzwischen ist klar, dass es Machado war, ehemaliger Chef der Ölgesellschaft Transpetro, einer Tochtergesellschaft von Petrobras, der auch diese Aufnahmen gemacht hat. Auch gegen ihn wird im Rahmen der enormen Korruption bei der ruinierten staatlichen Petrobras vorgegangen. In dem riesigen Skandal sollen nach Schätzungen zwischen drei und neun Milliarden Euro an Politiker, Manager und Unternehmer abgezweigt worden sein. Machado, nicht nur Transpetro-Präsident, sondern auch ehemaliger Senator für die nun regierende rechte "Partei der demokratischen Bewegung" (PMDB) erhofft sich über die Kooperation mit der Justiz mildernde Umstände.

Die Lage für den Übergangspräsidenten Michel Temer wird nun noch schwieriger. Deshalb wurde Silveira geschasst, nachdem er nach der Veröffentlichung der Aufnahmen zunächst keine Anstalten zum Rücktritt gezeigt hatte. Er hatte sich verteidigt und von "allgemeinen Kommentaren" und "Meinungen" gesprochen. Schließlich protestierten aber auch etliche Mitarbeiter in seinem Ministerium. Sie kehrten vor der Tür des Ministeriums und forderten seinen Rücktritt. Erst danach zog Temer auch in diesem Fall verspätet die Reißleine und entließ seinen zweiten Minister.

Es ist schon interessant, dass ausgerechnet der Mann, der die Korruption bekämpfen soll, ihr Vorschub leistet. Und der Fall zeigt, welche Leute von Temer auf diese bedeutsamen Posten gehoben wurden. Ihm kann kaum unbekannt gewesen sein, welche "Meinung" Silveira zu Korruptionsermittlungen hat. Sogar noch dramatischer war der Fall des in der letzten Woche geschassten Planungsministers. Jucá, ein Vertrauter von Temer, hatte offen an einer Verschwörung mitgewirkt, um die Absetzung der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff voranzutreiben.

"Man muss die Regierung wechseln, um dieses Blutbad zu stoppen", sagte Jucá im Telefonat mit Machado in Bezug auf Korruptionsermittlungen. Der hatte darauf im März erwidert: "Die einfachste Lösung wäre, Michel [Temer] hinzustellen." Unverblümt wurde von "Auswegen" und einem "Abkommen" gesprochen, auch um Ex-Präsident Lula da Silva von der Arbeiterpartei (PT) und alle anderen vor der Justiz zu schützen.

Das Problem von Rousseff wiederum ist, dass auch sie ihren Vorgänger und Genossen der PT schützen wollte, indem sie ihn eilig noch in ihr Kabinett zu holen versuchte, um ihm Immunität zu verleihen. Das trug nicht gerade zu ihrer Beliebtheit bei und beförderte das Vorgehen gegen sie sogar noch. Letztlich war das Ziel der Verschwörer kürzlich erreicht. Rousseff wurde suspendiert und Temer Übergangspräsident. Umgesetzt war somit, was Jucá und Machado in dem im März geführten Telefonat besprochen hatten, das die Tageszeitung "Folha de São Paulo" veröffentlicht hatte.

Doch nach dem zweiten Rücktritt wird die Lage für die Übergangsregierung zunehmend explosiver. Es zeigt sich immer deutlicher, dass sie kaum für das stehen kann, was sie vorgibt. Denn angeblich will sie vordringlich die Korruption der PT-Regierung von Rousseff bekämpfen. Erneuerung, das zeigen die beiden aufgedeckten Fälle, ist aber kaum zu erwarten. Denn das erklärte Ziel von Mitgliedern der Regierung ist ja, genau die Aufdeckung der vielen Korruptionsfälle zu verhindern. Man darf nun gespannt sein, welche Aufnahmen von Machado noch an die Presse durchgereicht und für Aufruhr sorgen werden.