"Mit dem Wort Gottes gegen das Wort Gottes"

Auch 1533 war es ratsam, nicht alles zu glauben, was in gedruckter Form vorlag

Der Papst weist die Schuld an den Hexenverfolgungen "Buchstabengelehrten" zu

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Im Rahmen seiner regelmäßigen Morgenmesse hat Papst Franziskus der vatikanischen Tageszeitung Osservatore Romano zufolge die Schuld an Hexen- und Ketzerverfolgungen "Buchstabengelehrten" zugeschoben, die "mit dem Wort Gottes gegen das Wort Gottes" verurteilt und damit solches Unrecht begangen hätten, wie es der Heilige Stephanus erfuhr, als er von antiken Schriftgelehrten zu Unrecht der Gottes- und Prophetenlästerung beschuldigt wurde.

Hexenprozesse fanden - entgegen eines weitläufigen Irrglaubens - weniger im Mittelalter als in der frühen Neuzeit statt. Ebenso wenig waren sie ein Alleinstellungsmerkmal der katholischen Kirche - auch Kalvinisten und andere Protestanten beteiligten sich an der Festnahme, Folterung und Verbrennung von Personen, die sie der Hexerei beschuldigten (vgl. Der Stalin der Reformation).

Die katholische Kirche trägt jedoch insofern besondere Verantwortung als die von ihr im Kampf gegen Glaubensabweichler aufgebauten aufwendigen Apparate sich ihre Beschäftigung ab dem 16. Jahrhundert zunehmend unter katholischen Frauen suchten, wenn keine echten Glaubensabweichler mehr zur Hand waren, weil diese in protestantisch beherrschten Gebieten lebten.

Vom Aberglauben zum Glaubensinhalt

Bemerkenswert ist die Entwicklung des Umgang mit den Beschuldigten: Als es vorchristliche Vorstellungen von Magie noch gab, vertrat die Kirche weitgehend die Ansicht, es gebe gar keine Hexen - und Personen, die so etwas glaubten, hingen einem heidnischen Aberglauben an. Verdächtige wurden damals meist nur mit Bußen belegt. Erst nach der praktisch vollständigen Ausrottung der vorchristlichen europäischen Religionen stellte man sich auf den Standpunkt, dass Personen durch einen Pakt mit dem Teufel tatsächlich das Wetter verschlechtern, Ernten vernichten, Vieh sterben lassen und Krankheiten verbreiten könnten.

Eine wichtige Rolle dabei spielt der Theologe von Thomas von Aquin, der sich die Zaubereiverdächtigen im 13. Jahrhundert als Angehörige eines "Dämonenstaates" vorstellte, dessen Bürger durch Geschlechtsverkehr mit Dämonen ihren Herrn wechseln. Der Begriff "Hexe" ist erst seit dem späten 14. Jahrhundert belegt. Danach verwendete man ihn teilweise für Bibelstellen, in denen von Zauberern die Rede ist, und übersetzte zum Beispiel 2. Mose 22,17 mit "Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen".

Auch wenn es wahrscheinlich Personen gab, die selbst glaubten, zaubern zu können, dürfte der Großteil der Opfer in den Hexenprozessen wohl nur deshalb festgenommen, verhört, verurteilt und gegebenenfalls verbrannt worden sein, weil er von Dritten beschuldigt wurde und nach ersten Folterungen durch meist weltliche Gerichtshelfer Sex- und Schleck-Exzesse mit Satan und andere physikalisch unmögliche Taten gestand. Dokumentiert sind Aufforderungen, etwas zu gestehen, was man gar nicht getan hat, unter anderem in einem Brief des 1628 verbrannten Bamberger Bürgermeisters Johannes Junius an dessen Tochter. Er ist auch ein Beispiel dafür, dass es sich bei den mehreren 10.000 als Hexen Verbrannten durchaus nicht nur um Frauen handelte, auch wenn diese insgesamt etwa drei Viertel der Opfer ausmachten.

Entglittene Suchen nach Abweichlern und Sündenböcken

Wurde jemand als Hexe beschuldigt, sperrte man die Person nackt ein und schor sie kahl, damit sie keine magischen Objekte bei sich verstecken und so die Untersuchung beeinflussen konnte. Dann untersuchte man sie auf Hexenmale und befragte sie zu den Vorwürfen. Stritt sie diese ab, wurden ihr Folterinstrumente gezeigt. Blieb sie bei ihrer Aussage, setzte man diese Folterinstrumente ein.

Auch die Nennung der Namen anderer angeblich Beteiligter erfolgte regelmäßig im Rahmen solcher "peinlicher Befragungen" mit Zangen, Streckbänken und anderen Instrumenten. Bei den Aussagen legten die Hexenverfolger oft großen Wert darauf, dass die "Hexen" die Billigkeit ihrer Behandlung einsahen. Aufzeichnungen lesen sich deshalb teilweise wie Gerichtsreportagen von den sowjetischen Schauprozessen der 1930er Jahre und anderer entglittener Suchen nach Abweichlern und Sündenböcken, für die sich "Hexenprozess" als Metapher einbürgerte.

Ein Hexen-Passionsfilm und eine Serie über von Hexen angezettelte Hexenverfolgungen

Einer der ersten Kirchenmänner der darauf aufmerksam machte, welch grotesken Unsinn die Kirche mit den Hexenprozessen trieb, war der rheinländische Jesuit und Kichenlieddichter Friedrich Spee von Langenfeld: Er veröffentlichte 1631 anonym seine Cautio Criminalis, in der er vorsichtig fragte, ob Gefolterte unter Schmerzen wirklich die Wahrheit sagen.

Trotz dieser Schrift hielten die Hexenverfolgungen bis ins 18. Jahrhundert an. Besonders hervor tat sich dabei der Salzburger Fürsterzbischof Maximilian Gandolf Graf von Kuenburg, dessen Wirken die Inspiration für den nicht historisch korrekten aber dafür aber eindrucksvoller Hexen-Passionsfilm Mark of the Devil lieferte, in dem der spätere Grünen-Politiker Herbert Fux in der Rolle eines Hexenfolterers ausgesprochen überzeugend wirkt. Eine über die bloße Unterhaltung hinaus interessante Betrachtung des Hexenwahns findet sich auch in der US-Fernsehserien Salem: Hier werden die Hexenverfolgungen vor allem von den echten Hexen angezettelt.

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