UN-Söldner-Truppen aus korrupten Staaten

Bild: UNAMID/Albert Gonzalez Farran

Nach Ende des Kalten Kriegs schicken die reichen westlichen Staaten Blauhelmsoldaten aus armen Ländern auf UN-Friedensmissionen

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Die reichen Staaten haben es sich einfach gemacht. Wenn sie nicht selbst militärisch in ein Land intervenieren wollen, gibt es mittlerweile eine Reihe von Staaten, die Söldnerdienste für UN-Friedensmissionen anbieten, die also Soldaten schicken und daran verdienen. Das ist so seit dem Ende des Kalten Krieges (Die Mietregimenter der UN).

Bis 1990 hatten meist westliche, meist neutrale westliche Nationen die Truppen für die Friedensmissionen gestellt, beispielsweise Kanada, Schweden, Irland, Finnland oder Norwegen. Dann rückten andere Staaten nach, was auch mit dem Scheitern der Friedensmission in Somalia zu tun haben dürfte, wo zuerst die US-Truppen nach der "Schlacht von Mogadischu" (1993) abgezogen wurden. 1995 endete die gesamte UN-Mission ergebnislos und hinterließ einen failed state bis heute. Auch der Bosnienkrieg wird eine Rolle gespielt haben, als 1995 niederländische Blauhelmsoldaten das Massaker von Serben an muslimischen Bosniern nicht verhindert haben. In die Situation wollten westlichen Staaten nicht mehr gerne kommen und setzten auf Söldnertruppen aus armen Staaten, während sie sich unter wechselnden Koalitionen der Willigen an militärischen Interventionen und Kriegen beteiligten.

Bild: UNAMID/Albert Gonzalez Farran

Seitdem zahlen die reichen Länder in der Regel arme Länder wie Bangladesch, Pakistan, Nigeria oder Äthiopien, für Frieden mit Bodentruppen zu sorgen. Die Finanzspritzen nutzen die Länder, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren und durch die Verstärkung der Streitkräfte die Macht der Regierung zu sichern.

Nach einem Bericht von Transparency International sieht es allgemein mit den Blauhelmtruppen nicht gut aus. Die Organisation hat einen Korruptionsindex aus 77 Indikatoren von A (sehr geringes Korruptionsrisiko) bis E (sehr hohes Risiko) und F (gefährliches Risiko) für staatliche Verteidigungs- und Sicherheitsinstitutionen veröffentlicht. Die Bestbewertung A gibt es nur für zwei Länder: Großbritannien und Neuseeland. Deutschland findet sich zusammen mit den nordeuropäischen Ländern, Polen, Japan, Australien, Kanada und den USA auf B. Die meisten europäischen Länder wurden mit C eingestuft. Russland findet sich ebenso wie die Türkei, Indien, oder Südafrika in D. Im Nahen Osten und Afrika sowie in China sieht es nach dem Ranking am übelsten aus und massieren sich die Bewertungen mit E und F.

Korruption, so Transparency International, sei eine der Hauptursachen für Konflikte und Instabilität und beeinträchtige Friedensmissionen. Die Organisation verweist auf einen Bericht über Vorwürfe des massenhaften sexuellen Missbrauchs durch ausländische Truppen und eben durch Blauhelmsoldaten (Von Hunden und Friedenstruppen). Ausgerechnet die Länder, die für Friedensmissionen am meisten Soldaten stellen (Troop Contributing Countries - TCCs) bekämpfen Korruption weder in den nationalen Verteidigungsinstitutionen noch bei UN-Friedensmissionen und bilden ihre Blauhelmsoldaten nicht angemessen aus.

So seien unter den 25 TCCs, die am meisten Soldaten stellen, 5 in der schlechtesten Kategorie F (Burkina Faso, Kamerun, Ägypten, Tschad, Marokko und Togo), 11 in E (sehr hohes Risiko) und 6 in D (hohes Risiko). Auch die drei Länder, die am meisten Truppen stellen, mit mehr als 25.000 etwa ein Viertel der Blauhelmsoldaten, schneiden schlecht ab. Bangladesch und Indien werden auf D, Äthiopien auf E eingestuft.

An der von den USA und jetzt nur noch von der EU finanzierten, 2007 gestarteten AMISOM-Mission in Somalia (Wie westliches Geld und afrikanisches Blut zusammenkommen) beteiligen sich mit insgesamt 22.000 Blauhelmsoldaten neben Äthiopien Uganda (E), Dschibuti (keine Wertung) und Burundi (E). Nur Kenia ist in D eingestuft. Die EU zahlte AMISOM bis Ende 2015 monatlich 1028 US-Dollar pro Soldat, wovon die jeweilige Regierung für sich 200 US-Dollar einbehält. Auch ein Sold von mehr als 800 US-Dollar ist noch ein Vielfaches vom Durchschnittsverdienst in den Ländern. Anfang 2016 reduzierte die EU den Sold um 20 Prozent, was einige Beunruhigung ausgelöst hat, zumal es weiterhin schwere und verlustreiche Kämpfe mit den Al-Shabab-Kämpfern gibt. Der Kampf soll nun stärker von den Bodentruppen weg auf den Einsatz von Kampfhubschraubern verlegt werden.

Die USA setzen weiter auf äthiopische Truppen. 2006 hatten die USA äthiopische Truppen mit Unterstützung der US-Luftwaffe nach Somalia geschickt, um die im Rückblick gemäßigten Islamisten der Union der islamischen Gerichte, die die Hauptstadt Mogadischu und große Teile des Landes kontrollierte, aber keine Verbindungen zu al-Qaida hatte, zu vertreiben. Dabei wurden von der CIA auch Warlords unterstützt. 2009 mussten die in Somalia allgemein unbeliebte Invasionsarmee wieder abziehen. Die Invasion führte allerdings zu einer Radikalisierung, beendeten die Möglichkeit einer friedlichen Lösung, verstärkte die Piraterie und brachte neben anderen islamistischen Gruppen eben al-Shabab hervor, zuvor eine Jugendorganisation der Islamischen Gerichte, die sich al-Qaida anschloss und sich seitdem Kämpfe mit der AMISOM liefert.

Bild: AMISOM/Tobin Jones

Für die Menschen in dem Land, das immer wieder von Dürren heimgesucht wird, hat sich nichts geändert. Über eine Million sind intern vertrieben, fast 5 Millionen, d.h. 40 Prozent der Gesamtbevölkerung, sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Nach einem Bericht von Wissenschaftlern des Washington College of Law an der American University gibt es immer wieder Vorfälle des sexuellen Missbrauchs durch Soldaten der AMISOM-Truppen. Ein Problem der Friedenstruppen ist, dass sie in dem Land, in dem sie eingesetzt sind, durch das zuvor ausgehandelte SOMA (status of mission agreement) weitgehend Immunität genießen und nur der Strafverfolgung durch ihre Länder unterliegen. Tatsächlich werden in dem Geschäftsmodell der Bereitstellung von Friedenstruppen durch arme Staaten Soldaten, die Verbrechen im Ausland begehen, kaum jemals geahndet.

Der Freibrief dürfte die Hemmschwelle senken, zumal unter Bedingungen des Krieges. Die Vereinten Nationen und die Geldgeber können sich die Hände in Unschuld waschen, ist die strafrechtliche Verfolgung doch geregelt, auch wenn sie praktisch von dem Land, das sich für das Stellen von Blauhelmtruppen bezahlen lässt, nicht vorgenommen wird. Sonst würde das staatliche Geschäft leiden und es auch schwieriger werden, Menschen zu finden, die sich im Ausland als Soldaten verdingen. So verbreiten mitunter diejenigen, die für Frieden und Schutz der Zivilbevölkerung sorgen sollen, zusätzliche Gewalt und Unrecht. Nick Birnback, Sprecher für die UN-Friedensmissionen, will das alles nicht so sehen: "Es gibt eine ganze Reihe von Prüfungs- und unabhängigen Kontrollsystemen, um gegen solche Risiken zu schützen, wenn bestimmte Einheiten für Friedenssicherungsmissionen eingesetzt werden."