Warum "Linke" an der Ökonomie zu scheitern pflegen

Grafik: Telepolis

Unterlassenes oder außer Acht gelassenes Zusammenfügen ist das größte intellektuelle Manko unserer Zeit

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Begeisterungswellen pflegen zu wogen, wenn "linke" Bewegungen und Parteien aufkommen, Aufschwünge erleben, wiederbelebt werden und gelegentlich sogar in Regierungsverantwortung gelangen. Stets erwachsen in vielen Ländern Hoffnungen auf Muster und Vorbilder, dass und wie eine sozialere, solidarische, gerechtere, vielleicht sogar eine radikal-"progressive" oder "sozialistische" Politik ausgeübt werden kann.

Jedoch: Derartige politische Projekte, so sie denn in Verantwortung gelangen, pflegen in schöner Regelmäßigkeit an der Ökonomie zu scheitern. Stellen wir die Frage, ob "links" (oder "sozialistisch") noch eine sinnvolle Kategorie ist oder überhaupt noch sein kann, einmal beiseite - tun wir der Einfachheit halber so, als wäre dies der Fall. Bleibt die Frage: Warum können "Linke" keine Ökonomie?

Ein banaler, indes stets vernachlässigter Grund liegt in der Fokussierung auf Ideologie: Es wird politischen Projekten und Anführern überaus leicht gemacht, sich fortschrittlich zu gerieren. Ansatz- und Angriffspunkte für radikale Kritik finden sich allüberall und zuhauf, denn alle zeitgenössischen Gesellschaft kranken an fundamentalen Widersprüchen und Gegensätzen, an dramatischen Konflikten und irrsinnigen Weichenstellungen. Man nehme also diese, füge einige "linke" Schlagworte und Programmatik und kernige "linke" Rhetorik hinzu, am besten noch eine Prise Populismus - fertig ist ein "linkes" Projekt.

Nicht bloß in der Selbstwahrnehmung der Akteure. Es ist immer wieder überraschend, wie kritiklos und naiv vorgeblich so kritische "Linke" auf derartiges (Selbst-)Marketing hereinfallen. Kaum jemand macht sich die Mühe, solchen Politikvorhaben analytisch auf den Grund zu gehen und sie anhand tatsächlichen Handelns kritisch zu beurteilen. Es funktioniert wie bei der Waschmittelreklame. Ein Erzeugnis wird mit passendem Budenzauber umgeben - und schon ist das Publikum geneigt, Etiketten für Substanz zu halten. Gerade in den Ländern, in denen sie eher schwach sind, scheinen die "Linken" selbst nach den fadenscheinigsten Strohhalmen zu greifen.

Da taucht zum Beispiel ein Beppe Grillo auf, spitzt die in der Bevölkerung Italiens seit eh und je kursierende massive Unzufriedenheit und Kritik rhetorisch extrem zu - und wird seit 2012 regelmäßig in nahezu alle Parlamente des Landes gewählt. Zudem erhielt und erhält er reichlich Zuspruch aus "linken" Lagern anderer Länder. Dass er ein reicher Autokrat ist, der "seine Bewegung" als persönliches Machtinstrument verwendet und sich politischer Verantwortung konsequent entzieht - kann das "links" sein? Seine Wähler verdienen politische Aktivitäten, konkrete Taten anstelle ritueller Dauerzeterei. Und ob sie in einem Italien leben möchten, in dem der angestrebte politische Umsturz einen Grillo zum starken Mann machen würde?

Er sieht sich vor allem im Zweikampf mit Ministerpräsident Matteo Renzi (der seinerseits als "Il Rottamatore", der Verschrotter, angetreten war und vor allem Egomanie geliefert hat). Mit seinen Marotten wertet Grillo noch ein durchaus erwägenswertes Politikvorhaben wie den geordneten Austritt Italiens aus dem Euro zur Farce ab. Leider aufschlussreich: Gravierende ökonomische Weichenstellungen mit weitreichenden Folgen für das ganze Land, die gesamte Ökonomie und die gesamte Bevölkerung, werden zur bloßen Manövriermasse reduziert. Man könnte geneigt sein, dies als typisches Autokraten-Problem abzutun. Jedoch verbirgt sich darin ein weit über Italien hinausreichendes systematisches Problem, das gleichsam die Nagelprobe dafür liefert, wie "links" "Linke" sind.

Zumeist verdanken sich Aufschwünge der "Linken" den Widersprüchen und Konflikten bestehender Zustände. "Linke" üben Kritik, die von anderen politischen Kräften nicht geübt wird. Ein vergleichsweise einfaches Unterfangen: Es genügt, die erwähnten Ansatz- und Angriffspunkte sowie die Interessen der Benachteiligten und Bedrängten zu nehmen und das Abstellen all der offensichtlichen Missstände, Bürden, Zurücksetzungen, Drangsalierungen und Repression zu verlangen. In Fragen, die eher politischer Natur sind, ist dies ein durchaus stimmiges Vorgehen, das (oft in Allianzen mit Verbündeten) zu Erfolgen führt.