Anschlagsziele: EM, eine Synagoge, eine Moschee und ein Finanzamt

Der ukrainische Geheimdienst nimmt einen des Rechtsextremismus verdächtigen Franzosen fest mit einem großen Waffenarsenal, das ihm der SBU selbst verkauft hat

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In Frankreich sind die Behörden nervös angesichts der bevorstehenden Fußball-EM. Eine Menge Sicherheitskräfte werden aufgeboten: 42.000 Polizisten, 30.000 Gendarmen, 5.200 Mitglieder des Zivilschutzes, 10.000 Soldaten und 13.000 Angestellte von privaten Sicherheitsunternehmen. Die Angst vor möglichen Anschlägen spielt da mit.

15 Anschläge

In diese Nervosität hinein traf heute die Nachricht von der Festnahme eines 25-jährigen Franzosen, der angeblich vorhatte, 15 Anschläge auszuführen - auf ganz unterschiedliche Ziele: Einrichtungen, die mit der EM zu tun haben, eine Moschee, eine Synagoge, ein Finanzamt und Straßenkontrollpunkte an Autobahnen. Schon die Aufzählung erscheint ungewöhnlich; die Geschichte, die dahinter steckt ist es auch.

Die Informationen stammen vom Leiter des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU, Wassyl Hryzak. Der sah sich zu einer Pressekonferenz gezwungen, nachdem französischen Medien bereits über den Fall Grégoire M. berichtet hatten. In dem 80-Einwohner-Dorf Nant-Le-Petit (Departement Meuse) hatte es vor zehn Tagen eine Hausdurchsuchung in der Wohnung des landwirtschaftlichen Angestellten gegeben. Das spricht sich dann herum. Der Fall gelangte zu einem Fernsehsender.

Grégoire M. sitzt seit Mai in der Ukraine in Untersuchungshaft. Der SBU-Leiter wollte eigentlich erst nach der EM öffentlich über die Festnahme berichten. Nachdem der Fall schon an Medien durchgesickert war, sah er sich gezwungen, schneller zu handeln, betonte er.

Ein Waffenarsenal und ein unbekannter Beifahrer

Am 21. Mai wurde Grégoire M. festgenommen, an der Grenze zwischen der Ukraine und Polen, beim ukrainischen Übergang Jagodin. Sein Auto, ein Kangoo, war vollgepackt mit Waffen, Sprengstoff und Munitionskisten, ein Arsenal. Der SBU-Leiter, Wassyl Hryzak, zählt auf: 5 Kalaschnikow, 1.080 Patronen Munition pro Sturmgewehr, zwei RPGs mit 18 Granaten, 125 Kilogramm TNT, 100 elektrische Sprengzünder und 20 Balaclava-Mützen.

Schaut man sich das die Festnahme dokumentierende SBU-Video an, so staunt der Laie darüber, wie das ganze ausgebreitete Arsenal im Kangoo Platz gefunden haben soll. Viel mehr noch wundert, dass vom Beifahrer, der wie der Mann am Steuer, Grégoire M., ebenfalls von SBU-Mitarbeitern in Kampfmontur aus dem Auto gerissen wird, augenscheinlich weder in der Pressekonferenz noch in den Berichten in den französischen und ukrainischen Medien die Rede ist. Er wird nicht erwähnt.

Die Falle

Eine der möglichen Erklärungen wäre, dass er ein SBU-Mitarbeiter war. Denn die Waffen stammen vom SBU. Der Geheimdienst hatte dem landwirtschaftlichen Inseminator aus Lothringen eine Falle gestellt. Man hatte ihm die Waffen besorgt und dazu eine Erlaubnis, die Grenze zu passieren.

Der Passiersschein mag dann auch erklären, weshalb der junge Mann es wagte, sich in einem kleinen Auto mit einer solch auffälligen Ladung, die unweigerlich bei jeder Kontrolle auffallen würde, auf den Weg von der Ukraine nach Frankreich zu machen.

Laut ukrainischem Geheimdienst hatte der Franzose anscheinend zuvor vergeblich versucht, Leute zu finden, die ihm den Waffentransport abnehmen. Er war bereit, dafür 3.000 Euro zu bezahlen. Aber das war nicht im Sinn des SBU, das die Verhaftung in flagranti geplant hatte.

Kontaktsuche zum Militär im Osten der Ukraine

Beim SBU war man im Dezember letzten Jahres auf den Mann aufmerksam geworden, wird SBU-Chef Wassyl Hryzak von Le Monde zitiert, weil er bewaffnete Einheiten im Osten der Ukraine kontaktiert habe, , sie zu unterstützen. Schließlich habe er aber ein deutliches Interesse daran gezeigt, Waffen zu kaufen. Als er dann für ein Geschäft "einige tausend Euros und später mehr" auf den Tisch legte, sei man von der Ernsthaftigkeit seines Vorhabens überzeugt gewesen.

In ukrainischen Wiedergaben der Pressekonferenz ist die Rede von einer sechs Monate dauernden Spezialoperation des Geheimdienstes und davon, dass Grégoire M. ukrainische Soldaten im Osten des Landes angesprochen habe.

Bei Censor.net wird die Pressekonferenz so wiedergegeben, dass der SBU "eine terroristische Gruppe", also mehrere Personen, aufgedeckt habe. Laut Le Monde hat Grégoire M. mehrere Reisen in die Ukraine unternommen, dabei war er nicht immer alleine. Es werde derzeit nach mehreren Personen gefahndet.

Spekulationen zum politischen Hintergrund

Interessant sind Indizien und Spekulationen, die zum Motiv des Waffenkäufers und mutmaßlichen Attentatplaners gehören, denn Frankreichs Medien gehen von einem rechtsradikalen Hintergrund aus. Dazu stützen sie sich auf zwei Grundlagen. Einmal die Aussage von Hryzak, wonach der Franzose die Einwanderungspolitik der Regierung kritisiert und sich besonders gegen die Verbreitung des Islam und die Globalisierung ausgesprochen habe.

Als zweites Indiz wird ein T-Shirt angeführt, gefunden von der Polizei bei der Hausdurchsuchung in der Wohnung des Verdächtigen. Es weise auf eine Gruppe der extremen Rechte hin, berichtet Libération mit Verweis darauf, dass der Inlandsgeheimdienst schon seit längerem auf die Gefahr hinweise, dass Ultrarechte Anschläge in Frankreich verüben könnten.

Die französische Polizei bestätige die Anschlagpläne, die der SBU-Leiter erwähnt habe, noch nicht, heißt es bei Le Monde. Die Ermittlungen werden nicht von der Anti-Terror-Abteilung der Staatsanwaltschaft durchgeführt, sondern von Einheiten, die sich mit organisierter Kriminalität und Waffenhandel befassen. Wann der Mann aus der U-Haft in der Ukraine nach Frankreich ausgeliefert werde, stehe nicht fest.