Smart City Engineering

Stadt im Weltraum. Bild: Nasa

Science-Fiction und Stadtentwicklungspolitik

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Am Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung wurde eine Studie in Auftrag gegeben, die den Einfluss der SF-Kultur auf die technologische Entwicklung unserer Städte untersuchen sollte. In einer frei erhältlichen Broschüre werden die Erkenntnisse zusammengefasst.

Diplom-Ingenieur Stephan Günthner führt im TELEPOLIS-Interview die Implikationen dieser Studie wie auch gegenwärtige Überlegungen in Bezug auf die Digitalisierung unserer Städte aus. Es geht nicht so sehr um die Zukünftigkeit der geschilderten Technologien, als vielmehr um den weitreichenden Ideen-Pool, der sich in Artefakten der SF-Kultur finden lässt. Eine mögliche Ausprägung von SF wäre die einer Ideenliteratur, die Szenarien der Zukunft im Fiktionalen durchspielt. In den untersuchten Büchern, Filmen und Videospielen zeigen sich gewisse Tendenzen, die auf ihre Anschlussfähigkeit für eine smarte Stadtentwicklung befragt werden können.

Wie entstand die Idee, von Science-Fiction für die zeitgenössische Stadtplanung zu lernen?

Stephan Günthner: Tatsächlich entstand die Idee bei einem Glas Weißwein auf einem hochsommerlichen Balkon. Hintergrund war, dass wir heute im Alltag mit Technologien umgehen, die in einigen älteren SF zu finden waren. Das ist aber nicht zufällig so. Die IKT-Ingenieure ließen sich tatsächlich von SF inspirieren. Sie hatten gezielt geprüft, ob die Technologien, die sie in SF fanden, für unsere Welt/Zeit nützlich sind und ob sie diese umsetzen können. Für uns stellte sich die Frage, ob Stadtentwicklungspolitik ebenfalls von SF lernen kann und wenn ja was.

Es fällt auf, dass in einigen Werken der SF-Kultur eine hohe Tendenz zu dystopischen Schilderungen vorherrscht. Können also aus solchen Extremsituationen Konsequenzen für eine Planung in der Gegenwart gezogen werden?

Stephan Günthner: Ja, die Mehrzahl der untersuchten Werke ist dystopisch und auch viele andere SF, die ich gelesen habe, ist eher düster. Das bedeutet aber nicht, dass die Autoren Pessimisten sind. Die dystopische Stimmung hat eine erzählerische Funktion: Sie dient der Dramatik.

Ich würde auch davor warnen, Ausgangssituationen, Entscheidungen und Entwicklungslinien der Werke schematisch auf die Wirklichkeit zu übertragen. Das Potenzial der SF für die Zukunftsforschung ist ein anderes: Immer wenn es um viele Akteure, individuelles Handeln und komplexe Systeme geht - und das ist bei Städten der Fall - sind Voraussagen über die Zukunft sehr schwierig. Da stoßen auch traditionelle Verfahren der Vorausschau, wie quantitative Prognosen, an ihre Grenzen. Die SF kann dagegen wie ein klassisches Szenario eine mögliche Entwicklungslinie in Szene setzen. Man kann quasi rückwärts lernen: Wenn ich diese und jene Situation gar nicht haben will, dann sollte man bei diesen und jenen Ausgangssituationen aufpassen. Das zweite Potenzial der SF ist abstrakter: Sie kann als Radar für Themen dienen, die wir noch nicht auf dem Schirm haben.

In der Fiktionalität sind verschiedene Konstruktionen denkbar. Welche Herausforderungen stellen denn die SF-Städte bei der Umsetzung in der Realität?

Stephan Günthner: Dem würde ich teilweise widersprechen. Die SF zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass sie eben nicht alle möglichen Konstruktionen zulässt, sondern sich innerhalb eines Universums befindet, in dem gleiche Naturgesetze herrschen, wie in unserem. Ok, manchmal werden einige dieser Gesetze durch Technologie umgangen (etwa beim Beamen). Aber grundsätzlich gibt es ein konsistentes Universum, das unserem ähnelt. Etwa im Gegensatz zur Fantasy (auch wenn die Abgrenzung teilweise unscharf ist).

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir ganz unterschiedliche Modelle von Städten in der SF finden. Es gibt die ultra-dichte Hochhausstadt, meist mit Verkehr auf mehreren Ebenen, eine Art Mega-Manhattan. Teilweise überziehen diese Städte den ganzen Planeten. Aber nicht immer. Dann gibt es Städte, die sich ganz streng von ihrer Umwelt abgrenzen. Entweder militärisch (Festungsstädte, Keeps) oder ökologisch (unterirdisch, Kuppelstädte, Unterwasser o. ä.). Dann gibt es noch die "Gartenstadt mit Fassadenriss". Hier sieht alles erstmal ganz nett aus - aber man sollte sich nicht täuschen lassen.

Es gibt also "die SF-Stadt" gar nicht, sondern viele unterschiedliche Varianten.

Das Konzept einer "Smart City" kann ziemlich viel umfassen. Was verstehen Sie denn in Ihrer eigenen täglichen Arbeit darunter?

Stephan Günthner: Das Smart-City-Schlagwort beschäftigt uns in der Tat derzeit regelmäßig. Es handelt sich dabei aber nicht um ein klares Konzept oder das, was wir in der Stadtentwicklung unter einem Leitbild (also einem durch gesellschaftliche Diskussion und Abstimmung entstandenen Konsens über eine gemeinsame Zukunft) verstehen würden. Smart City ist derzeit ein Schlagwort, das vor allem von großen und kleinen Technologie-Unternehmen und einigen Städten genutzt wird. Als gemeinsamen Nenner kann man die intensive Nutzung von IKT und Daten, die Vernetzung von Infrastrukturen, eine Kritik an sektoralem Denken und das Versprechen eines besseren und ökologischeren Lebens identifizieren.

Smart City bedeutet auch, die digitalen Technologien an entsprechender Stelle einzusetzen. Eine Stadt soll sich bis zu einem gewissen Grad selbst verwalten können. Kommen solche Technologien auch in den SF-Städten zur Verwendung?

Stephan Günthner: Diese Frage verstehe ich vielleicht nicht richtig. Smart City baut auf intensivem Einsatz zahlreicher digitaler Technologien. Die Selbstverwaltung der Kommunen ist ein Grundsatz des deutschen Staatsgebildes und im Grundgesetz verankert.

Klar werden digitale Technologien auch in der SF eingesetzt. In ganz unterschiedlichem Maße. Denken Sie an die Autopiloten ("Fünftes Element", "I Robot", …), die Überwachung im Game "Watchdogs" oder die Künstliche Intelligenz Gaia in "Appleseed". Häufig werden die internen Funktionsweisen der Infrastruktur aber nicht erzählt, sondern bleiben im Hintergrund. Das war etwas schade für unseren Forschungszweck.

Bei eigener Recherche fiel mir auf, dass zwar Zukunftsstädte in den SF-Werken auftauchen, aber häufig der Bezug zum "Smart City-Konzept" eher vage scheint. Die technologischen Neuerungen wie auch die datentechnischen Auswertungen der zahlreichen Energie-, Transport-, Kommunikations- und Informationsströme in einer Stadt dienen als Grundlage für eine Handlung. Manchmal fehlt aber die Vernetzung zwischen den einzelnen Elementen, so dass es letztlich eher wie eine Kulisse scheint. Die Frage ist ja erneut, ob das in der Realität so funktionieren kann? Auch technologisch vor allem.

Stephan Günthner: Genau. Das ist auch eines unserer Ergebnisse: Die Betriebsweise der Infrastrukturen, von Technologie insgesamt, bleibt bei heutiger SF häufig im Dunkeln. Ich glaube, das war bei der frühen SF anders. Die heutigen Autoren interessieren sich offenbar eher für gesellschaftliche Fragen als für technologische. Und ob die Vernetzung am Ende funktionieren kann, ist wohl eher eine Frage, die man den Ingenieuren als den Künstlern stellen muss.

Wenn in einem Film wie "Soylent Green" (1973) Menschen auf geheimen Wegen wieder zur Nahrung verarbeitet werden, um die Nahrungsknappheit zu bewältigen, kann das auch zur Spannungskurve eines fiktionalen Werks dienen. Wie ernst nehmen Sie solche Schilderungen, die ja auch Lösungsvorschläge für den urbanen Raum darstellen?

Stephan Günthner: "Soylent Green" ist ein wunderbares Beispiel für die Radar-Funktion der SF: Die SF liefert uns keine Lösungen, aber sie weist auf Aufgaben hin, um die es sich zu kümmern gilt. "Soylent Green" setzt sich mit dem Thema Ressourcenknappheit auseinander und zeigt eine radikale Lösung für ein bestimmtes Knappheits-Problem. Diese konkrete Lösung kann natürlich kein Vorbild sein.

Aber "Soylent Green" wurde 1973 veröffentlicht. Zum damaligen Zeitpunkt war das gesellschaftliche Bewusstsein über die Knappheit der Ressourcen noch kaum entwickelt. Erst kurz davor, 1972 veröffentlichte der Club of Rome die richtungsweisende Studie "Die Grenzen des Wachstums" und legte damit die Wurzeln der Nachhaltigkeitsdebatte. "Soylent Green" gehört zu den ersten Beiträgen dieser Debatte. "Soylent Green" hätte den Fachleuten sagen können: "Schaut Euch dieses Thema an, das bewegt die Leute. Das ist wichtig."

Ähnlich weisen Werke, die Überwachung thematisieren, darauf hin, dass auf lokaler kommunaler Ebene mit entschieden wird, wie unser digitaler Alltag in Zukunft aussehen wird. Es gibt derzeit z. B. einige Städte, die ihre Straßenbeleuchtungen modernisieren müssen, weil die Systeme schon so alt sind, dass sie hohe Unterhaltungskosten verursachen. Eine gasbetriebene Straßenlaterne benötigt jährlich so viel Gas wie ein Einfamilienhaus. Zusätzlich müssen ständig die Brenner ausgetauscht werden. Düsseldorf besitzt z. B. 65 000 Straßenlaternen. Da kommt ganz schön was zusammen. Andererseits gibt es die Forderung, gesamtstädtisch kostenlos WLAN anzubieten. Große Konzerne der Datenökonomie würden Städten liebend gerne die neuen Straßenlaternen und das Internet dazu bezahlen, wenn sie im Gegenzug die Nutzerdaten erhalten. SF zeigt uns, was bei engmaschiger Überwachung passieren kann und wie Konzerne Weltherrschaft ausüben können.

Das muss man sich dann überlegen, ob man das will. Und genau das entscheiden Städte, wenn sie über "Details" der Sanierung & Finanzierung der Straßenbeleuchtung entscheiden: Ob und wer diese Daten zukünftig besitzen wird, wer sie nutzen wird und wie sie gesichert werden. Damit entscheiden sie über unsere digitale Identität. Das kann man digitale Stadtentwicklung nennen.

Guangzhou. Bild: jo.sau/CC-BY-SA-2.0

Die Verstädterung nimmt auch in wenig industrialisierten Nationen zu. Es entstehen so genannte Mega-Cities, die sich über große Flächen verteilen. Eine Stadtgrenze als solche gibt es nicht mehr. Zeichnen sich ähnliche Entwicklungen in Europa ab?

Stephan Günthner: Hier spielen Sie vermutlich auf die Mega-Cities in Indien und China und anderen Ländern der Südhalbkugel an. Die Entwicklungen dort sind sehr dynamisch und vielfältig. Man sollte sie nicht über einen Kamm scheren. Alleine Indien hat ja über eine Milliarde Einwohner. Das ist so viel wie Nord- und Südamerika zusammen. Indien hat mehr Städte mit mehr als einer Million Einwohner als wir alle zusammen Namen indischer Städte kennen. Zudem ist unsere Wahrnehmung der Stadtentwicklung im Fernen Osten verzerrt, weil wir mit unseren eigenen Bildern hinsehen und diese über die dortigen Strukturen stülpen. Daher Vorsicht mit solchen Vergleichen.

Auch in Europa gibt es unterschiedlichste Entwicklungen. Wir haben sich entleerende ländliche Räume, aber auch wachsende ländliche Räume. Ähnliche Vielfalt gibt es bei großen und kleinen Städten. Eine Entgrenzung - die Auflösung der Stadtgrenze - erleben wir aufgrund Suburbanisierung und Automotorisierung schon seit mehreren Jahrzehnten in Europa und noch mehr in den USA. Mega-Cities mit 20 oder 30 Millionen Einwohnern erwarte ich aber in Europa nicht.

Können Smart Cities auch sozial unverträgliche Entwicklungen auf eine intelligente Art und Weise lösen? Ich denke hierbei an die zunehmende Gentrifizierung in den Städten Europas und Nordamerikas. Sind Smart Cities auch sozio-ökologisch sinnvoll?

Stephan Günthner: Hierüber können wir bisher nur spekulieren. Für die Niederlande und die USA gibt es Studien, die zeigen, dass die Digitalisierung eher zu einer neuen sozialen Spaltung führt. Aber nicht weil der Zugang zu Internet und digitalen Technologien fehlt, sondern weil die Kompetenzen fehlen, diese sinnbringend einzusetzen. Für Deutschland steckt diese wissenschaftliche Auseinandersetzung aber noch in den Kinderschuhen.

Es scheint auch eher so zu sein, dass hypertechnisierte Häuser und Wohnungen erst einmal nichts für den Massenmarkt sind, sondern auf dem Luxussegment angeboten werden. Auch mit dem Begriff der Gentrifizierung wäre ich vorsichtiger. Da wird ein wissenschaftlicher Begriff, der eine ganz bestimmte Art des mehrfachen Austauschs der Bevölkerung eines Gebietes beschreibt, heute recht inflationär gebraucht. Die Medienwahrnehmung scheint mir hier sehr stark durch Erfahrungen in wachsenden Städten wie Berlin, Hamburg, Stuttgart oder München geprägt zu sein. Wir haben aber auch eine ganze Reihe von Städten, die mit ganz anderen Problemen zu kämpfen haben.

Können Sie mir ein Beispiel geben, was Ihnen vorschwebt, wie Digitalisierung soziale Probleme lösen kann? Ich habe dazu keine Idee, aber da bin ich vielleicht zu fantasielos.

Dabei dachte ich an eine kommunale Kreativitätsplattform, die z.B. mit niedriger Hemmschwelle Jugendliche zur Thematisierung von Problemen ihres Stadtviertels anregt, die sie in selbstkreierten Videoclips musikalisch oder als kleines Theaterstück/ Performance präsentieren können. Eine andere Überlegung ist es, was aber datensensibel wäre, Fälle von häuslicher Gewalt beim entsprechenden Jugendamt hochzuladen. Mit einem Smartphone ist es heute ja nicht mehr besonders schwierig, audiovisuelles Material zu erstellen. Da stehen aber auch noch juristische Hürden an, denn ob solch gewonnenes Beweismaterial vor Gericht Bestand hätte, ist zu bezweifeln. Interessant auch, dass ein Data-Multi wie Google das "Google Impact Challenge" für besondere Projekte im sozial-kreativen Bereich auslobt.

Stephan Günthner: Ja, das ist wirklich interessant und dabei konnten ja auch schöne Ideen gesammelt werden: Informationen, Wissen und Kontakte werden leichter erschließbar und so kann mancher sich selber helfen oder leichter jemanden treffen, der helfen kann. Aber, um soziale Schieflagen zu vermindern, braucht man am Ende wohl doch auch Änderungen in der realen Welt. Eine "Billiger-Wohnen"-App z.B. nutzt nichts, wenn es keinen günstigen Wohnraum gibt. Ähnlich ist es mit den verschiedenen Mobilitäts-Apps. Klar ist es toll, wenn ich mich mobil informieren kann, welche Möglichkeiten ich habe, um von A nach B zu kommen. Aber dass das wirklich funktioniert - und vielleicht auch einen positiven ökologischen Einfluss hat -, dafür braucht die Region, in der ich mich befinde, auch einen guten Nahverkehr und sichere Fahrradwege.

Eine Smart City wird erst durch die Menschen, die sie bewohnen, zu einer lebenswerten Stadt. In den SF-Werken ist die Überwachung ein wichtiges Thema. In dieser Hinsicht regt sich in den letzten Jahren auch vermehrt politischer Protest. Ein Smart-City-Konzept integriert dann auch Technologiekritik?

Stephan Günthner: Ein jedes gutes Konzept sollte sich mit möglicher Kritik an ihm auseinandersetzen und diese prüfen. Neben Datenschutz/Überwachung wäre hier jedenfalls auch die Frage der Resilienz, Entstehung von neuen Abhängigkeiten und nicht intendierten Effekten zu prüfen. Ein weitere wichtige Anforderung sind Technologie-Offenheit und offene nicht-proprietäre Datenstandards, so dass man nicht von einer Firma abhängig wird.

Kam es infolge der Studie bereits zu Überlegungen, mit SF-AutorInnen konkret an einem Raumkonzept für eine Smart City zusammenzuarbeiten?

Stephan Günthner: Von den Bearbeitern unserer Studie wurde angeregt, SF als Instrument zur Beteiligung in Planungsprozessen zu nutzen. So könnten schwer zu vermittelnde Planungen leichter dargestellt werden und es können zusätzliche Menschen für Stadtentwicklung interessiert werden. Das hat Potenzial.

Songdo. Bild: Ken Eckert/CC-BY-SA-4.0

In Südkorea findet man die Modellstadt Songdo oder in Japan die Fujisawa Sustainable Smart Town. Ist so etwas auch für den mitteleuropäischen Raum angedacht?

Stephan Günthner: Die Bauaufgaben in Deutschland befinden sich eher in der Entwicklung des Bestandes als im Bau neuer Städte. Songdo und Fujisawa sind, glaube ich, auch keine Lösungsstrategien für europäische Bauaufgaben. In Songdo wird versucht, eine Stadt als komplettes Produkt mit all ihren Infrastrukturen zu entwickeln, die überall so gebaut werden kann. In Deutschland werden seitens des Städtebaus dagegen seit Mitte der 1970ern eher Lösungen gesucht, die individuell für einen konkreten Ort entwickelt wurden. Fujisawa erinnert mich persönlich eher an die oben genannte Gartenstadt mit Fassadenriss.

Deutsche Städte brauchen angepasste, kleinteilige Lösungen, die ganzheitlich und in guten Planungsprozessen (das heißt mit Beteiligung/Partizipation) für die jeweilige Situation entwickelt wurden. Im Einzelfall braucht es natürlich auch mal eine größere Entwicklungsmaßnahme. Aber im Gesamtblick über die gut 11 000 Städte und Gemeinden in Deutschland werden es vielfach eher kleinteilige Lösungen sein.

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung hat die Studie in Auftrag gegeben. Heißt das, dass auch das zuständige Bundesministerium zukünftig in der eigenen Politik SF-Konzepte anwenden wird?

Stephan Günthner: Auch hier würde ich nicht von SF-Konzepten sprechen. Die Ergebnisse der Studie finden großes Interesse im BMUB [Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit] und auch außerhalb. Und: Tatsache ist, dass sich das BMUB - und zwar sowohl im Umwelt-, als auch im Bau/Städtebaubereich - um Themen kümmert, die SF immer wieder anspricht: Reaktorsicherheit, Ressourcenknappheit, Umwelt/Lebensbedingungen des Menschen und Bevölkerungsentwicklung/Demografie.

Wer sich fragt, wo in Deutschland solche Smart Cities zu finden sind, wird darauf keine leichte Antwort erhalten: Hinter dem Begriff "Smart City" kann sich vieles verbergen. Stephan Günthner nennt mehr als 150 Definitionen. Deshalb ist es auch schwierig, zu bestimmen, welche deutschen Städte bereits ein fortgeschrittenes Smart City-Konzept realisieren.

Als Anhaltspunkte nennt Günthner: Hamburg (vor allem der Smart Port), das EU-geförderte Projekt "Smarter Together" in München: es umfasst ein Altbau- und ein Neubauquartier, Köln (dort geht es eher um energetische Sanierung), Leipzig (als Follow-Partner im Triangulum-Projekt, ebenfalls durch EU-Förderung) wie auch Berlin (das aber bisher eher als Strategie).

Im globalen Maßstab zeigen sich deutliche Unterschiede. Ohne eine ausreichende digitale Infrastruktur lässt sich eine Smart City nur schwer umsetzen. Doch auch die möglichst ökologische und ökonomische Planung einer Stadt z.B. in einem bevölkerungsreichen Land der südlichen Hemisphäre könnte als ein Konzept von Smart City verstanden werden. Dort müssen andere Probleme als in Mitteleuropa auf eine smarte Weise gelöst werden. Der globale Kontext schafft jedoch eine Vernetzung, die zu Verbindungen und damit einhergehenden Veränderungen führt. Diese machen nicht vor nationalen Grenzen Halt.

Die Vernetzung der Welt fördert und fordert eine Smart City - die Science-Fiction projiziert die Möglichkeiten in die Zukunft. Daraus könnte man für die Gegenwart lernen. Wie es letztlich politisch und technologisch umgesetzt wird, steht auf einem anderen Blatt. Eine Smart-City-Konzeption sollte helfen, Ungleichgewichte in der Entwicklung auszuräumen. Gerade in der Hinsicht könnten erneut SF-Literatur und SF-Filme eine Sensibilisierung erreichen.

Neben dem BBSR haben an dieser Studie noch von der BTU Cottbus-Senftenberg folgende Lehrstühle mitgewirkt: Lehrstuhl Stadtmanagement, Prof. Dr. Silke Weidner, Carolin Pätsch, Moritz Maikämper
Lehrstuhl Angewandte Medienwissenschaften, Prof. Dr. Christer Petersen, Steffen Krämer
Lehrstuhl Entwerfen und Gebäudekunde, Belinda Rukschcio
Lehrstuhl Plastisches Gestalten, Bodo Rott