Die Furcht der Balkanländer vor einem Brexit

Folgt der Grexit? Plötzlich werden solche Fragen in Griechenland diskutiert

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Bedeutet der Brexit auch den anschließenden Grexit? Verhindert der Austritt des Vereinigten Königsreichs gar den Eintritt Serbiens und Albaniens in die EU? Plötzlich werden solche Fragen in Griechenland diskutiert. Während im übrigen Europa die Debatte über die britischen Austrittsgedanken bereits seit langem tobt, lief der Brexit in Griechenland unter ferner liefen.

Schließlich stand bis zur endgültigen Überweisung der Kredittranche von knapp 7,5 Milliarden Euro theoretisch immer noch die Gefahr des Grexit im Raum. Monatelange Verhandlungen, welche aufgrund ihrer Nebenwirkungen die griechische Wirtschaft lähmten, ließen den Politkern kaum Raum für einen Blick über den Tellerrand. Bei den Verhandlungen mit den Kreditgebern war der Brexit für Premierminister Alexis Tsipras ein As im Ärmel.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit Regierungschef Alexis Tsipras. Bild: W. Aswestopoulos

Ein Chaos in Griechenland vor dem britischen Referendum hätte Wasser auf die Mühlen der dortigen EU-Gegner gespült. Zumindest für die kritischen Arbeitsmarktreformen konnte die griechische Regierung so wichtige Zeit bis zum September gewinnen. Sie wurden von den Kreditgebern verschoben.

Nachdem das Geld Anfang der Woche überwiesen war, folgte auf das kurze Aufatmen die Sorge, dass ein Brexit auch einen Grexit nach sich ziehen kann. Die griechischen Medien analysieren, dass es im Ernstfall außer dem Stocken der Eintrittsverhandlungen für die Balkanstaaten auch direkte finanzielle Auswirkungen auf Zypern geben würde.

Politisch hat Tsipras zudem sein Geschick mit dem Verbleib in der Eurozone verbunden und dies mit der realpolitischen Abkehr von nahezu sämtlichen linken Idealen bezahlt. Die Zustimmung der Griechen zur EU, die vor fünf Jahren noch bei knapp zwei Dritteln der Bevölkerung vorhanden war, schrumpfte im Rahmen der Sparpolitik. Nur noch etwas mehr als ein Viertel der Griechen ist von der EU überzeugt.

Tsipras nutzte daher den Besuch von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker um seine EU-Verbundenheit zu betonen. "Wir diskutierten mit dem Vorsitzenden Juncker auch die Entwicklungen in Europa. Wir votieren beide für den Verbleib der Briten in der EU", erklärte Tsipras. Dabei schien er zu vergessen, dass er vor einem Jahr bei ähnlichen Aussagen von Regierungschefs aus anderen EU-Staaten eine unerwünschte Einmischung in die inneren Angelegenheiten Griechenlands sah.

Damals hatte Tsipras bei seinem Referendum zur Ablehnung der von Juncker vorgeschlagenen Sparmaßnahmen aufgerufen. Zudem war Tsipras bei den Europawahlen 2014 als Kandidat der europäischen Linken Konkurrent Junckers.

Ganz scheint Juncker all dies nicht vergessen zu haben. Bei der Jahresversammlung des griechischen Unternehmerverbands SEV war er Ehrengast. Dem ebenfalls anwesenden Tsipras legte er ans Herz, daran zu denken, dass er nicht der letzte griechische Premier sein würde. Er solle sich daher seinen politischen Gegnern gegenüber gut verhalten.