Spanisches Linksbündnis auf Siegeskurs

Die rechte Volkspartei und die Sozialisten fürchten die aufstrebende Unidos Podemos

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Die Umfragen in Spanien sind sich vor den Neuwahlen in Spanien am Sonntag ausnahmsweise einig. Alle sagen voraus, dass das von Podemos (Wir können es) geführte Bündnis "Unidos Podemos" (Vereint können wir es/UP) vor den Sozialisten (PSOE) zweitstärkste Kraft wird. Anders als bei den Wahlen im vergangenen Dezember, die wiederholt werden, weil keine Regierungsbildung möglich war, soll UP bis zu 26% erhalten. Die Koalition würde sich so an die rechte Volkspartei (PP) heranschieben, die die Wahlen mit einem praktisch unverändert mit etwa 29% wieder gewinnen soll.

Die Linkskoalition läge gemeinsam über dem Ergebnis, das Podemos und die Vereinte Linke (IU) einzeln erreicht haben. Im Dezember musste die IU allein kandidieren, weil der Podemos-Chef Pablo Iglesias eine Koalition arrogant abgelehnt hatte. Die IU erreichte alleine mit 3,6% und fast einer Million Stimmen aber nur zwei Sitze. Da das Wahlgesetz große Formationen bevorteilt, kamen sie zusammen nur auf 67 Sitze. Gemeinsam sollen es nun bis zu 95 werden. Damit gibt sich weder Podemos noch die IU zufrieden, wie Sol Sánchez im Interview mit TP erklärte.

Tania Gonzalez, Podemos-Sprecherin im Europaparlament, verweist ihrerseits auf die "Euphorie". "Ich habe große Erwartungen", sagte die Parlamentarierin Telepolis in der Hoffnung, die Wahlen sogar zu gewinnen. "Am kommenden Montag wird ein neues Land erwachen", ist sie überzeugt. Gegenüber Umfragen müsse man "vorsichtig" sein. Immer wieder verweist die Linke darauf, dass sie in Umfragen meist schwächer eingestuft wird, und sie bei Wahlen dann überrascht.

Der Auftrieb für UP geht zu Lasten der Sozialisten. Die PSOE soll erneut hinter ihrem historisch schlechtesten Ergebnis im Dezember zurückfallen, als sie nur noch 22% erhielt. Das dürfte dem geschuldet sein, dass der PSOE-Chef Pedro Sánchez mit Hilfe der rechts-neoliberalen Ciudadanos (Bürger) Regierungschef werden wollte und im Pakt viele ihrer Wahlversprechen begrub. Die PSOE soll deshalb auf höchstens auf 85 Sitze kommen.

Bestenfalls hätte UP und PSOE eine Mehrheit im Parlament. Deshalb betonte der UP-Präsidentschaftskandidat und Podemos-Chef Pablo Iglesias im Wahlkampf gebetsmühlenhaft, die rechte PP sei der "Gegner". Die PSOE sieht er als "Partner". Den progressiven Kräften streckt auch Tania Sánchez deshalb die "Hand für eine Regierung des Wandels" entgegen, um gemeinsam die "Korruption" zu bekämpfen und die "Menschen in den Vordergrund zu stellen".

PP versinkt weiter im Korruptionssumpf

Da seit Dienstag keine neuen Umfragen veröffentlicht werden dürfen, ist unklar, wie sich der Brexit und ein neuer PP-Skandal auswirkt, der wie eine Bombe in den Wahlkampf eingeschlagen ist. Immer neue Korruptionsskandale schienen keinen Schaden mehr in der PP-Traditionswählerschaft anzurichten. Und daran änderte auch nichts, dass erstmals mit der PP eine Partei wegen Korruption angeklagt wird und ihr Industrieminister wegen nach den Enthüllungen der Panama Papers kürzlich zurücktreten musste, weil auch er über Steueroasen Steuern hinterzogen haben soll.

Nun veröffentlichte die Zeitung Publico aber Mitschnitte, in denen der Innenminister sogar versucht, politische Gegner in Katalonien über konstruierte Anschuldigungen zu diskreditieren. "Der Regierungschef ist informiert", sagte Jorge Fernández Díaz, dass er mit dem Plazet von Mariano Rajoy handele. Dem Chef der katalanischen Anti-Betrugsbehörde sagte er, man könne notwendige Schritte veranlassen, da Daniel de Alfonso von nur "schwachen" Indizien sprach. "Das wird die Staatsanwaltschaft anpassen", erwiderte der Innenminister. Auch so könne man großen Schaden anrichten.

Mit allen Oppositionsparteien fordern auch die Ciudadanos die sofortige Absetzung des Ministers. Ihr Chef Albert Rivera macht Rajoy für den Skandal verantwortlich, der sich hinter Fernández Díaz stellt. Für Rivera ist das erneut ein Grund, Rajoy die Stimmen zu verweigern: "Es muss eine Erneuerung in der PP geben", nur dann könne es eine Unterstützung geben.

Rivera, der nach Angaben von Daniel de Alfonso allerdings auch Material verlangt haben soll, um der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung zu schaden, hofft aber, dass der Skandal weitere PP-Wähler in seine Arme treibt. Nach den Umfragen stagnierte seine Partei vor dem Skandal im Bereich von 14%. Die etwa 40 Sitze würden mit denen der PP erneut nicht zur Regierungsbildung reichen.

Die wird ohnehin wieder schwierig. Denn die PSOE wollte von Podemos bisher nur Unterstützung, ohne auch nur ernsthaft zu verhandeln. Den "Blankoscheck" wollte die Linke ihr aber nicht ausstellen, weshalb die PSOE ihr vorwirft, Podemos habe eine "progressive Regierung" zwischen PSOE und Ciudadanos verhindert. Wird die UP nun aber stärker als die PSOE, müsste Pedro Sánchez eigentlich als Juniorpartner den Podemos-Chef unterstützen. Die Widerstände vom rechten PSOE-Flügel werden dann noch stärker, weshalb einige Beobachter auch einen dritten Wahlgang oder eine Koalition mit der PP nicht ausschließen.