Klimaschutzplan weichgespült

Nachdem das Wirtschaftsministerium den Entwurf in den Fingern hatte, ist kaum noch ein Datum und eine konkrete Maßnahme zu finden

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Es hört sich alles ziemlich basisdemokratisch an, was das Bundesumweltministerium für die Erstellung eines "Klimaschutzplans" veranstaltet hat. Einen Dialog mit Umwelt- und diversen anderen Verbänden, „Delegiertenversammlungen“ und derlei mehr hat es gegeben. Dort durfte auch ein Maßnahmenkatalog zusammengetragen werden. Allein, von all dem ist außer vielen allgemeinen Floskeln kaum etwas übriggeblieben, nachdem das vom SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel geleitete Wirtschaftsministerium den Entwurf der Kollegen aus dem Umweltressort in der Mangel hatte. Klimaretter.info hat die jüngste Fassung für die Internetgemeinde zugänglich gemacht.

Insbesondere sind alle konkreten Ziele für den Ausstieg aus der Kohle verschwunden. Stattdessen heißt es jetzt: "Eine wichtige Funktion auf diesem Weg (zur CO2-neutralen Wirtschaft) nehmen als Übergangstechnologie CO2- arme Erdgaskraftwerke und die bestehenden modernsten Kohlekraftwerke ein“. Und: "Die Kohleverstromung wird in diesem Prozess schrittweise an Bedeutung ab und die Erneuerbaren Energien weiter an Bedeutung zunehmen." Aber kein Zeitplan, kein Ausstiegsdatum und allgemeinen Floskeln kein Plan, wie dieser Umbau sozialverträglich für die betroffenen Beschäftigten und Regionen gestaltet werden kann.

Interessant auch, wie die Verantwortung der Energiekonzerne und Kraftwerksbetreiber beschrieben wird, deren Sektor für immerhin 40 Prozent der deutschen Emissionen verantwortlich ist: "Mit Blick auf das Ziel für 2030 ist klar, dass die Energiewirtschaft einen angemessenen Beitrag zum Gesamtminderungsziel leisten muss. Bis 2040 sind weitere Reduktionen erforderlich, um die Emissionen bis 2050 nahezu vollständig zu vermeiden." Schwammiger geht es eigentlich kaum.

Die energiepolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Eva Bulling-Schröter, spricht von einem "herben Tiefschlag. (…) Das Versprechen von Paris, die Erderwärmung möglichst auf 1,5-Grad zu begrenzen, hat Deutschland damit nur wenige Monate später gebrochen." Ähnlich äußert sich unter anderem auch die entwicklungspolitische Organisation Germanwatch.

"Nach ihrem Kniefall vor der Union, im Koalitionsvertrag auf das im Wahlkampf versprochene Klimaschutzgesetz zu verzichten, hat die SPD in der Klimapolitik endgültig die Hosen runtergelassen. Kein Fracking-Verbot, ein Ende der Bürgerenergie bei der Energiewende und Umweltrabatte für die Industrie durch die Ökostrom-Novelle, das Einknicken bei den Rücklagen der Energiekonzerne für Atommüll, allein in der Energiepolitik macht sich die Große Koalition komplett zum Befehlsempfänger von RWE, Shell und Co."

Eva Bulling-Schröter, Linkspartei

Das vom Wirtschaftsministerium angeführte Argument, der Klimaschutz gefährde durch hohe Energiekosten die Position der deutschen Wirtschaft, verweist die die linke Abgeordnete ins Reich der Märchen. Der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen habe gezeigt, dass die Energiekosten für die hiesige Industrie durchschnittlich nur etwa zwei Prozent der Gesamtkosten ausmachen.

Für die Mehrzahl der Industriebetriebe wären daher selbst substanzielle Energiekostensteigerungen verkraftbar. Auch seien die Energiestückkosten, das heißt, der Anteil der Energiekosten an der Bruttowertschöpfung, der deutschen Industrie im internationalen Vergleich geringer als in den meisten andren europäischen Staaten oder in China.

Bei germanwatch verweist man außerdem darauf, dass in der ursprünglichen Fassung "das massive Problem der fossilen Überkapazitäten insbesondere bei der Braunkohle konkret benannt und der Abbau der Hälfte der Kohlekapazität bis 2030 zum Ziel erklärt worden (war). Eine Kommission hätte den Kohleausstieg sozial- und strukturverträglich diskutieren und bereits 2017 Ergebnisse liefern sollen“. Davon ist in der neuen Fassung kaum noch etwas zu finden. Germanwatch hält übrigens den Ausstieg aus der Kohle bsi 2035 für nötig und machbar.

Bevor der Klimaschutzplan vom Bundeskabinett im September verabschiedet wird, muss er nach der Sommerpause noch mit den beiden von der CSU geleiteten Ministerien für Verkehr und Landwirtschaft abgestimmt werden. Als Sprecherin der bayerischen Linkspartei befürchtet Bulling-Schröter, dass dem auch die letzten konkreten Maßnahmen zum Opfer fallen könnten. Als bloßer Plan wird er jedoch ohnehin unverbindlich bleiben. Die Linkspartei fordert hingegen wie auch die Grünen ein Klimaschutzgesetz. Die SPD hatte im letzten Bundestagswahlkampf ein solches versprochen, hatte sich damit jedoch in den Koalitionsverhandlungen mit der Union nicht durchgesetzt.