Oliver Kahn spricht von "eklatanter Falschmeldung", die ARD von "vorsätzlicher Böswilligkeit"

Der Branchendienst kress pro behauptet, Kahn und Scholl würden bis zu 50.000 Euro pro Auftritt bei der EM erhalten

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Oliver Kahn ist sauer. Der Branchendienst kress pro berichtete heute, dass Mehmet Scholl, der für die EM bei der ARD als Sportexperte aufgeboten ist, und Oliver Kahn, der nämliches beim ZDF macht, jeweils pro Auftritt bis zu 50.000 Euro Honorar beziehen sollen. Das will man so errechnet haben, heißt es in kress.de, wo für das Schwesternblatt Werbung gemacht wird:

1,6 Millionen Euro soll ARD-Experte Mehmet Scholl im EM-Jahr verdienen, beim ZDF soll Oliver Kahn ebenfalls siebenstellig im Jahr überwiesen bekommen, schreibt "kress pro". Und die Kollegen von unserem Schwesterblatt rechnen vor: "Demnach dürften Mehmet Scholl und Oliver Kahn pro Auftritt bis zu 50.000 Euro an Gebührengeldern kassieren."

kress.de

Ob die Zahlen stimmen, wird von ARD und Kahn dementiert. Kress.pro behauptet offenbar nicht, dass die beiden tatsächlich für ihren Auftritt bei den Spielen als Gesprächspartner so viel verdienen, wie viele im ganzen Jahr, sondern es wurde der angebliche Jahresverdienst umgerechnet. Kritisiert werden nicht in erster Linie die beiden Ex-Fußballspieler, sondern vor allem die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, die mit den zwangseingetriebenen Gebühren solche Honorare zahlen, während Privatsender weit darunter bleiben würden. Gleichwohl kriegen auch Scholl und Kahn etwas ab.

Im Netz wird dies etwa so kommentiert: "#MehmetScholl verdient in der #ARD für seine Kommentare zur #em2016 mehr, als die gesamte isländische Mannschaft, Trainer + Ergotherapeuten."

In einem Editorial schreibt Markus Wiegand, Chefredakteur von kress pro: "Solange Scholl und Kahn durch Gebührengelder honoriert werden, ist es ein Skandal. Die überragende Mehrheit der Zuschauer würde solche Summen niemals billigen, wenn sie davon wüsste. Darum halten ARD und ZDF die Honorare für ihre Fußballvolksaufklärer lieber geheim. Eigentlich müssten Scholl und Kahn Geld mitbringen, um die gemeinschaftlich finanzierte Plattform nutzen zu dürfen. Schließlich vermarkten sich beide als Werbeträger und ihr Wert liegt vor allem darin, dass sie auf quotenträchtigen Plätzen dauerhaft präsent sind."

Oliver Kahn dementiert: "Hierbei handelt es sich um eine eklatante Falschmeldung, die jeglicher Grundlage entbehrt." Er bemühe sich vor der Kamera um Objektivität, während kress.de eine Fehlinformation verbreitet, "die bewusst Neid und Missgunst in der Öffentlichkeit in Kauf nimmt und den Zuschauern die Freude an der Berichterstattung vermiesen soll". Er erinnert auch andere Redakteure von Online-Diensten an ihre "publizistische Verantwortung", droht kress.de mit rechtlichen Schritten, belässt aber seinen Verdienst im Dunklen, wohl vor allem, um selbst nicht den Zuschauern die Freude an der Berichterstattung zu vermiesen.

Empörte Zurückweisung pflegt man auch bei der ARD, wo man sich aber auch nicht in die Karten blicken lassen will, um die Zuschauer, die zwangsverpflichtet ihre Gebühren entrichten, nicht zu verärgern, indem sie wissen, wie der Sender das Geld ausgibt. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky schreibt: "Es gleicht beinahe schon vorsätzlicher Bösartigkeit, welche Zahlen auch hier im Zusammenhang mit dem Expertenvertrag von Mehmet Scholl geschrieben und vervielfältigt werden. Generell werden wir uns zu vertraglichen Inhalten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht äußern. Nur so viel, auch diese derzeit im Raum stehenden Summen entsprechen nicht annähernd der Realität und entbehren jedweder Grundlage."

Gerade zog auch noch das ZDF nach. Der ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz stimmt in der von Kahn und ARD angestimmten Zurückweisung ein, ohne den Gegenbeweis anzutreten: "Das ZDF äußert sich grundsätzlich nicht zu Vertragsinhalten. Nur so viel - die Zusammenarbeit mit Oliver Kahn basiert auf einer Pauschalvereinbarung über zwei Jahre. Die genannten Zahlen entbehren jeglicher Grundlage."

Update: Auch Mehmet Scholl hat sich noch eingeschaltet, allerdings blieb er auch der Devise treu, nur zu dementieren, aber nichts zu konretisieren: "Die von einem offenbar bösartigen Journalisten in Umlauf gebrachte angebliche Höhe meines Honorars ist von der Realität genauso weit entfernt wie die Engländer von einem EM-Titel, nämlich meilenweit", sagte er der dpa.

Dass man grundsätzlich sich nicht zu Vertragsinhalten äußert, ist ja recht und schön. Bei öffentlich-rechtlichen Sendern, die zwangsweise von den Bürgern finanziert werden, wäre etwas mehr Transparenz allerdings geboten, schließlich geben sie das Geld der Bürger aus. Und auch nach der Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen in jüngster Vergangenheit wäre ein etwas weniger arroganter Ton gegenüber dem zahlenden Publikum angebracht, anstatt darauf zu setzen, dass die Menschen schlicht einfach Äußerungen ohne jede Grundlage glauben sollen. Gut möglich, dass kress pro mit falschen Zahlen hantiert, aber warum soll man dem eher glauben, der sich gar nicht anheischig macht, etwas Nachprüfbares zu äußern?