Neue Wege in der Entwicklungszusammenarbeit

Wie werden Religionen und religiöse Organisationen eingebunden?

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Was kann Entwicklungszusammenarbeit - "Entwicklungshilfe" sagt man nicht mehr - erreichen? Und wie kann sie es erreichen? Klar ist zumindest eines: Ihr Ruf ist nicht immer und überall der beste.

Dieses Problems ist man sich bewusst, das zeigt schon die Wortwahl. Ihre Aufgabe ist aber auch nicht die einfachste. So soll sie die Welt besser machen, aber eben nicht nur als Selbstzweck oder für die Armen, sondern auch, um Armutsmigration nach Europa zu verhindern. Außerdem fließen viele Gelder, die eigentlich für die Bekämpfung von Hunger und Krankheiten gedacht sind, in die Taschen irgendwelcher Despoten. Und wer fragt überhaupt die Bewohner eines Staates nach ihrem Willen? Der Nobelpreisträger Angus Deaton bezeichnete denn auch erst kürzlich in der Neuen Zürcher Zeitung manche Formen als "Kolonialismus.

Ein Ansatz spiegelt die Ambivalenz, aber auch die Weiterentwicklung in diesem Bereich wieder: Seit einigen Jahren werden religiöse Akteure einbezogen. Dies tut auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Es nimmt für sich eine "wertebasierte Entwicklungspolitik, die den einzelnen Menschen ernst nimmt", in Anspruch.1 Und dazu gehöre auch Religion, denn die meisten Menschen sind religiös - über 80 Prozent der Weltbevölkerung - und ihre Religion beeinflusst ihr Fühlen, Denken und Handeln. Und wer einen Menschen ernst nimmt, "muss auch seinen Blick auf die Welt ernst nehmen."

Man kann sicherlich kritisieren, dass viele Menschen nicht freiwillig religiös sind, und der eine oder andere wird behaupten, dass eine Beeinflussung durch Religion auch eine Art der Kolonialisierung darstelle. Andererseits erbringen religiös motivierte Organisationen sehr viele soziale Dienstleistungen, in manchen Ländern der Subsahara sogar über 50 Prozent dieser Dienstleistungen, so das BMZ.2 Viele große Entwicklungsorganisationen sind religiös motiviert. Und Missionare - man mag von der Mission halten, was man will - haben viele Sprachen verschriftlicht (und damit zu bewahren geholfen) und mit Bibelübersetzungen in indigene Sprachen den dortigen Ureinwohnern eine religiöse Würde gegeben, selbst wenn diese durch die "fremde" Religion definiert war.

Die Zusammenarbeit mit den Religionen betrachtet auch das BMZ als ambivalent: Sie birgt besondere Potentiale, etwa wegen ihrer politischen Gestaltungskraft, weil Religionsvertreter oft hohes Vertrauen genießen, und weil die Bewahrung der Schöpfung ein zentrales Anliegen der meisten Religionen sei. Andererseits berge sie auch negatives Potential, etwa weil religiöse Autoritäten auch "Brandbeschleuniger" in Konflikten sein könnten, oder weil aus religiösen Überlieferungen immer wieder gesellschaftliche Regeln abgeleitet würden, die im Widerspruch zu Menschenrechten stünden. Nicht immer sei eine enge Einbeziehung religiöser Akteure sinnvoll, aber manchmal könne gemeinsam mehr erreicht werden, und da strebe man eine Kooperation an. In Deutschland gibt es diesen Ansatz seit Anfang der 2000er Jahre. Er besteht aber auch auf internationaler Ebene bei anderen Gebern und multilateralen Organisationen wie etwa den Vereinten Nationen und der Weltbank.