Syrische Armee kontrolliert die Versorgung für Aleppo

Die dschihadistisch-salafistische Opposition gerät militärisch auch bei Damaskus in Schwierigkeiten. Ein Ende des Krieges sei aber nicht in Sicht, sagen Beobachter

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Die syrische Armee und ihre Verbündeten haben bei Aleppo deutliche militärische Erfolge erzielt. Nachdem es ihnen vergangene Woche gelang, die sogenannten al-Mallah Höfe im Nordwesten Aleppos, die lange umkämpft waren, zu erobern, war es ihnen zuletzt möglich eine wichtige Versorgungsroute unter Feuerkontrolle zu bringen: die Castello Road.

Truppen konnten nun in Aleppos Stadtdistrikte Bani Zeid und al-Laraymoun vorstoßen, die, laut einem Lagebericht des schwedischen Journalisten Aron Lund seit zwei Wochen bombardiert wurden.

Lund stellt heraus, was auch in seltenen deutschen Berichten mit detaillierterem Hintergrund als entscheidendes strategisches Ergebnis betont wird: Nach der Eroberung der Route nach Azaz im Februar und der jetzt erlangten Feuerkontrolle über die Castello-Road ist der Nachschub für die gegnerischen Milizen "stark eingeschränkt". Er dürfte derzeit nur noch über angelegte Tunnelsysteme oder etwaige Schleichwege möglich sei, berichtet das Magazin Hintergrund.

Daraus ergibt sich eine für die syrische Armee günstige, für die Bevölkerung der Stadteile unter der Herrschaft von salafistisch-dschihadistischen Gruppierungen und ihnen angeschlossenen Milizen eine fürchterliche Situation. Die syrische Armee wird versuchen, ihre Gegner über Aushungern zum Aufgeben zu zwingen. Die Milizen werden die Not der Zivilbevölkerung für ihre Ziele ausnutzen.

Kriegszone Aleppo. Screenshot, Youtube

Von über 300.000 möglichen Betroffenen, berichtet die Publikation Middle East Eye. Aus Furcht vor einer Blockade würden bereits Nahrungsmittel rationiert.

(Einfügung: Die oben genannte Quelle ist nicht zuverlässig, worauf Leser aufmerksam machten - danke an dieser Stelle ans Forum - die Zahlen scheinen sehr übertrieben, wenn man sie etwa den Recherchen des Guardian-Korrespondenten Martin Chulov gegenüber stellt. In dessen Situationsbericht über Alleppo vom März letzten Jahres ist von 40.000 Bewohnern der östlichen, von gegnerischen Milizen beherrschten, Stadtteile Aleppos die Rede. Innerhalb eines Jahres dürfte sich die Zahl unter gegebenen Umständen zumindest nicht deutlich vergrößert haben.)

Wie immer sind Berichte über das Geschehen in Aleppo von gegenseitigen Schuldzuweisungen geprägt, deutlich sichtbar in in sozialen Netzwerken (und hier).

Gegnerische Milizen am Rand der Niederlage

Aus der militärischen Perspektive, die der genannte schwedische Journalist Lund darlegt, hat die syrische Armee nach einigen Rückschlägen, auch andernorts wichtige Gewinne gemacht. (Zu Lund ist zu bemerken, dass er sich seit vielen Jahren mit dem Konflikt in Syrien und seinen Beteiligten befasst und er dabei immer wieder eine Position durchscheinen lässt, die Verständnis für die Gegner Assads aufzeigt. Allerdings gibt es wenige, die sich derart gut unterrichtet sind, was selbst seine Kritiker zugestehen, die nicht seiner Meinung sind).

Umso mehr lässt seine Einschätzung aufhorchen, wonach die Salafisten und Dschihadisten militärisch am Rand der Niederlage stehen. Denn der syrischen Armee sei es gelungen auch in der Region bei Damaskus, bei der Stadt Daraija und in Ost-Ghouta wichtige Fortschritte zu machen. Die strategischen Absprachen zwischen Syrien, Russland und Iran erzielen offensichtlich Wirkung. Lund analysiert, dass die gegnerischen Milizen immer mehr wichtige urbane Stellungen verlieren und, so seine Aussicht, bald nur mehr die Kontrolle über ländliche Regionen haben werden.

Seiner Auffassung nach würde dies auch bei weiteren militärischen Erfolgen der syrischen Armee und ihrer Verbündeten den Krieg nicht beenden. Denn, so argumentiert Lund: "Der Aufstand ist gewiss abhängig von den ausländischen Staaten, die ihn unterstützen, aber seine Wurzeln sind hausgemacht".

Tausende Gegner Assads würden weiterkämpfen, im Untergrund der Regionen, die die Regierung Assad bereits unter Kontrolle hat. Die von Dschihadisten besetzten Regionen im Osten des Landes würden weiterhin Probleme bereiten und der kurdische Norden würde wegen der Autonomiebestrebungen auch ein Hindernis der vollständigen Restaurierung darstellen.

Bekanntlich gibt es zum Ursprung des Kriegs in Syrien andere Ansichten als die Lunds, die hausgemachten Problemen ein starkes Gewicht zuschreiben. Für nicht wenige gilt, was der deutsche Journalist Scholl-Latour mit dem "Fluch der bösen Tat" bezeichnet hat: Die Interventionen der ausländischen Mächte, Türkei, Saudi-Arabien und vor allem die Einmischung der USA, haben den Funken eines syrieninternen Konflikts, der lange Zeit noch regelbar schien, erst zum Krieg werden lassen.

Die Frage wird nun sein, wie sich diese Mächte zur Aussicht verhalten, dass die syrischen Truppen und ihre Verbündeten auf der militärischen Siegesstraße sind.