Gericht spricht Gabriel das Misstrauen aus

Kaiser's-Supermarktfiliale. Foto. Noebse. Lizenz: CC BY-SA 2.5

Tengelmann-Übernahmeerlaubnis rechtswidrig - Inhalt von Sechs-Augen-Gesprächen wurde "nicht aktenkundig gemacht"

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Der Erste Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriels Sondererlaubnis zur Übernahme der Kaiser's-Tengelmann-Supermärkte durch den Edeka-Konzern nach einer vorläufigen Prüfung im Eilverfahren für rechtswidrig erklärt und außer Kraft gesetzt (VI - Kart 5/16 (V)).

Diese "peinliche Niederlage" des SPD-Bundesvorsitzenden (wie die Zeit formulierte), wäre alleine noch nicht unbedingt eine Meldung wert. Sieht man sich die Prüfergebnisse jedoch genauer an, dann wird deutlich, dass Gabriel die Übernahme gegen die Fachmeinungen des Bundeskartellamts und der Monopolkommission in einer Art und Weise durchdrückte, die auf eine allgemein problematische Haltung schließen lässt, welche sich möglicherweise auch in anderen Politikakten wiederfindet.

Nicht aktenkundig gemachte Geheimverhandlungen

Gabriel führte den Erkenntnissen des Gerichts nach nämlich am 1. und am 16. Dezember 2015 auf eigene Veranlassung hin "Sechs-Augen-Gespräche" mit dem Vorstandsvorsitzenden von Edeka und einem maßgeblichen Miteigentümer der KT-Supermärkte. Den Inhalt dieser "Hinterzimmergespräche" machte man - so das Gericht - ebenso wie ein dort überreichtes Gutachten "nicht aktenkundig". Das ist nicht nur im Hinblick auf die Überprüfung der Entscheidungsfindung bemerkenswert, sondern auch deshalb, weil es mit der Rewe-Gruppe und der Markant AG neben Edeka noch zwei andere Konzerne gab, die die KT-Supermärkte übernehmen wollten, aber weder an den Gesprächen beteiligt noch darüber informiert wurden.

Die Richter am Oberlandesgerichts äußerten deshalb die "Besorgnis der Befangenheit des Bundeswirtschaftsministers" - anders formuliert: Sie sprachen ihm ihr Misstrauen aus haben Zweifel daran, dass er in dieser Sache neutral und nur im Interesse des deutschen Volkes agierte.

Untaugliche Arbeitsplatzgarantien

Das zentrale Argument, mit dem der SPD-Vorsitzende seine Sondererlaubnis rechtfertigte, waren die Arbeitsplätze bei KT, die nach einer Übernahme durch Edeka bis 2021 größtenteils erhalten werden sollten. Die Richter sahen sich dieses Argument genauer an und entdeckten, dass Edeka zwar versprochen hatte, keine Arbeitsplätze bei KT abzubauen - aber nicht, dass es zu keinem ersatzweisen Arbeitsplatzabbau in anderen Konzernteilen kommt. Das Wirtschaftsministerium, monierte das Gericht, hätte hier nachfragen müssen, weil im ersten Edeka-Angebot ein "signifikanter Arbeitsplatzabbau" enthalten war, den der Konzern erst korrigierte, nachdem die Rewe-Gruppe in ihrem Angebot vom 30. November 2015 den Erhalt aller KT-Arbeitsplätze versprach.

Insgesamt kommt das Gericht zum Ergebnis, dass der Bundeswirtschaftsminister "den Gemeinwohlbelang der Arbeitsplatz- und Beschäftigungssicherung bei KT nicht unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte bewertet" hat, weil der Begründung der Ministererlaubnis "nicht zu entnehmen [ist], ob und in welchem Umfang die Möglichkeit eines fusionsbedingten Stellenabbaus bei Edeka in die Abwägungsentscheidung einbezogen wurde", was "bei den Abwägungsüberlegungen berücksichtigt werden [hätte] müssen", weil "den Angaben von Edeka bis zum Ende des Verhandlungstermins am 16. November 2015 […] deutlich zu entnehmen [gewesen sei], dass der geplante Unternehmenszusammenschluss aus Sicht von Edeka bei kaufmännisch vernünftigem Handeln mit einem erheblichen Personalabbau verbunden sein müsse".

Außerdem glauben die Richter nicht, dass die "verfügten Nebenbestimmungen" dazu taugen, "die 16.000 Arbeitsplätze bei KT in vollem Umfang zu sichern", weil sie "Klauseln [enthalten], die einen Arbeitsplatzabbau auch innerhalb des zu sichernden Fünf-Jahreszeitraums mit Zustimmung der Tarifparteien [zulassen] und [zum Teil] nicht ausreichend bestimmt" sind.

Grundgesetzwidrige Berücksichtigung von Verdi-Interessen

Dafür seien Interessen der Gewerkschaft Verdi in die Abwägung eingeflossen, die man nicht hätte berücksichtigen dürfen, weil "das im Grundgesetz in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 schrankenlos gewährte Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen [Gewerkschaften] zu bilden, beinhalte gleichrangig und unterschiedslos das Recht, einer solchen Vereinigung auch fern zu bleiben" beinhaltet, weshalb solche Interessen "kein Gemeinwohlbelang" seien.

Will Edeka KT immer noch übernehmen, geht die noch nicht rechtskräftige Düsseldorfer Entscheidung möglicherweise noch vor den Bundesgerichtshof. Dort könnte es für Gabriel noch mehr Aufmerksamkeit geben - und noch peinlicher werden.

[Update: Inzwischen hat Gabriel verlautbart, er werde gegen das Urteil "Rechtsmittel prüfen und einlegen". Seiner Schilderung nach fanden in der Entscheidung verwertete Treffen nicht unter sechs, sondern unter vier Augen und an anderen Tagen als den vom Gericht benannten statt. Außerdem habe es sich nicht um Geheimtreffen gehandelt und man habe die anderen Verfahrensbeteiligten im Nachhinein informiert.]

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