Weißbuch: Bundeswehr soll bunter werden

Wie in anderen Berufsarmeen auch, will sich die Bundeswehr als Arbeitgeber einem Kulturwandel unterziehen, um ausreichend Personal rekrutieren zu können

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Im gerade von Verteidigungsministerin von der Leyen veröffentlichten Weißbuch geht es nicht nur um die wachsenden Aufgaben, die die Bundeswehr auch im Ausland nach Ansicht der Regierung und des "Münchener Konsenses", wie es so schön heißt, zu erfüllen hat. Natürlich geht es um mehr Geld für Einsätze, vor allem aber für die Ausrüstung und das Personal (Streitkräfte im Innern einsetzen und eine "Fremdenlegion" schaffen).

Eine "Trendwende" sei in der Personalpolitik notwendig, heißt es, man müsse eine "moderne, nachhaltige und demographiefeste Personalpolitik" in der "Konkurrenz um die klügsten Köpfe und die geschicktesten Hände" schaffen. Es werden immer mehr Experten benötigt, zudem wächst der Personalbedarf mit den zunehmenden "sicherheitspolitischen Erfordernissen", während gleichzeitig die demografische Entwicklung den Anteil der jungen Menschen in der Bevölkerung sinken lässt und damit die Konkurrenz zum normalen Arbeitsmarkt in zweierlei Hinsicht schärfer wird (Die Bundeswehr auf Personalsuche).

Im Weißbuch heißt es, man wolle, wie das auch das Pentagon versucht, "Austauschmodelle zwischen Bundeswehr und Wirtschaft" einführen, was bedeuten soll, dass mehr externes Personal zeitweise und wahrscheinlich nicht unter den normalen Befehls- und Verhaltensstrukturen eingebunden werden soll, das nicht bei der Bundeswehr eingestellt ist und dann auch nicht den Anfordernissen, denen Soldaten genügen müssen, unterliegen. Überdies sollen Vielfalt und Chancengerechtigkeit mit "Diversity Management" und "interkultureller Kompetenz und Mehrsprachigkeit" wichtig werden, um Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und solche mit anderer sexueller Orientierung, aber auch ältere Menschen, solche mit unterschiedlichen Religionen oder mit Behinderungen, also letztlich alle, die irgendwie in Frage kommen, mit einzubeziehen.

Bild: Wald-Burger8/CC-BY-3.0

Multikulti also als Versuch, Rekruten aus bislang noch nicht richtig erschlossenen Bevölkerungsgruppen zu gewinnen, um die anvisierte Personalstärke zu sichern. Dazu wird verkauft, was die Regierung in Berlin nicht so laut sagen würde, zumal auch Bundeskanzlerin Merkel gerne mal vom Scheitern von Multikulti spricht, dass Vielfalt besser oder effektiver sei als Homogenität: "Gerade Teams mit unterschiedlichen Erfahrungen und Prägungen agieren erfolgreicher als homogene Gruppen." Ob das dann vielleicht auch bei Gesellschaften ähnlich ist?

Die Personalstärke soll flexibel sein, ohne Obergrenzen, die neue Personalpolitik soll "verbesserte Karrierebedingungen", also auch eine bessere Bezahlung, bessere Unterkünfte und bessere Arbeitsbedingungen mit dem Schwerpunkt der Balance von Privatleben und Dienst bieten, die sich vom bislang gewohnten soldatischen Alltag unterscheiden. Auch eine stärkere Dezentralisierung wird angedacht, um die Organisation "agiler" und anpassungsfähiger zu machen. Insgesamt soll die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver werden, obgleich sie ja bereits eine attraktive "Marke" ist und als "verlässlicher Arbeitgeber" gilt.

Von den Anforderungen an die körperliche Fitness für die Personalpolitik ist im Weißbuch nicht die Rede, aber bei dem Zwang, dringend die Möglichkeiten zur Rekrutierung zu erweitern, wird es neben dem bunten Personal auch darum gehen, die Anforderungen zumindest teilweise zu senken und flexibel zu handhaben. Bei allen Berufsarmeen wird die Notwendigkeit der traditionell hoch bewerteten körperlichen Fitness hinterfragt. Es wachsen auch deswegen die Schwierigkeiten, überhaupt noch geeignete Rekruten zu finden. Die Fitness der jungen Menschen, die zunehmend übergewichtig und sportlich abstinent sind, schafft Probleme. Dazu kommt, dass die Arbeit des Soldaten mehr und mehr mit komplizierter und vernetzter Technik stattfindet, Soldaten Roboter aus der Ferne steuern und von Maschinen ersetzt werden und der Cyberspace zum neuen Schlachtfeld erhoben wurde, in dem nerdige Cybersoldaten vor Bildschirmen sitzend den Cyberwar führen.

Wozu sollten viele Rekruten noch erfolgreich einen Sprinttest, Klimmhang oder einen 3.000-Meter-Belastungstest auf dem Fahrrad-Ergometer wie beim Basis-Fitness-Test (BFT) der Bundesweehr absolvieren müssen, wenn sie dann vor allem eine sitzende Tätigkeit ausüben? Zumal wenn man dann Bewerber abweisen muss, die etwa für die IT-Abteilungen oder das Cyberkommando geeignet wären. Verteidigungsministerin von der Leyen dachte im März schon mal laut im Rahmen von Überlegungen, wie man die Bundeswehr attraktiver machen könnte, darüber nach: "Beispiel körperliche Fitness: Es stellt sich die Frage, ob jeder einzelne Soldat und jede einzelne Soldatin, gleich welche Aufgabe sie im Riesenkonzern Bundeswehr ausfüllt, tatsächlich einen langen Marsch mit schwerem Gepäck bewältigen können muss."

Kampagne "Projekt Digitale Kräfte". Bild: Bundeswehr

Oberstleutnant Uwe Roth vom Presse- und Informationsstab wiegelte daraufhin ab: "Zunächst einmal ist es so, dass jeder Soldat eine gewisse Grundfitness haben muss. Es gibt aber bei der Bundeswehr ein breites Spektrum an Tätigkeiten oder Verwendungen und Aufgaben, und für dieses breite Spektrum gibt es auch unterschiedliche körperliche Anforderungen und Voraussetzungen. Sie können zum Beispiel die Anforderung an einen Jet-Piloten, einen Kampfschwimmer oder einen Fallschirmjäger nicht mit der vergleichen, die an einen IT-Spezialisten gestellt wird, der im Bereich des Stabsdienstes oder des Geschäftszimmers eingesetzt ist. Daran wird sich auch zukünftig nichts ändern. Aber wir müssen gucken, ob wir nicht zurzeit Ausschlusskriterien haben, die es einem qualifizierten Seiteneinsteiger vielleicht nicht ermöglichen, bei uns einen Karriereweg zu durchlaufen, weil er vielleicht die vorgegebene Zeit beim 5000-Meter-Lauf um ein, zwei Sekunden verfehlt. Da müssen wir schauen, ob es dort Kriterien gibt, die nicht mehr zeitgemäß oder nicht mehr angebracht sind, damit wir auch solche Leute zu uns bekommen können." Wie Thomas Wiegold berichtete, sagte er, jeder Soldat müsse "eine gewisse Grundfitness" haben. Aber es gebe unterschiedliche körperliche Anforderungen für einen eine Kampfschwimmer und einen IT-Spezialisten.