Attentat in Nizza: Ein Lastwagen als Waffe

Der Anschlag mit 84 Toten ereignete sich in einer Stadt, die ein großes Problem mit IS-Anhängern hat

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Alles kann zur Waffe werden. Zum Terror-Anschlag gestern Abend in Nizza wurde ein Lastwagen benutzt, der in eine größere Menschenmenge fuhr, die sich zum Nationalfeiertag an der Promenade des Anglais versammelt hatte, um einem Feuerwerk zuzusehen.

Nach bisherigem Informationsstand tötete der Mann am Steuer 84 Menschen. 18 Personen sollen sich in einem kritischen Zustand befinden. Es sind Kinder darunter; der Mann steuerte eine Menschenmenge an, er traf keine Auswahl.

Nach einer Zeugenaussage hatte er zuvor in einer Nebenstraße Fahrmanöver geübt. Bildaufnahmen des ARD-Mitarbeiters Richard Gutjahr, der die Feier zum Nationalfeiertag aus einem Hotelzimmer an der berühmten Prachtstraße verfolgte, zeigen, wie der Lastwagen beschleunigt, um hundert Meter weiter mit Wucht in die Menge zu fahren. Nach einer kurzen Zeit sind Schüsse zu hören.

Man geht nach bisherigen Informationen von einem Schusswechsel aus, in dessen Verlauf der Attentäter getötet wurde. Einsatzkräfte der Nationalpolizei, sogenannte Gardien de la Paix, waren sehr schnell vor Ort, zwei Polizisten sollen den Mann erschossen haben. Zur Identität des Mannes übermittelte Le Monde, dass es sich laut Polizei anhand eines im Lastwagen gefundenen Dokuments um einem im Jahr 1985 geborenen Mann aus Tunesien handelt, der in Nizza wohnhaft war und eine carte de séjour, eine Aufenthaltsgenehmigung, besaß.

Laut Angaben aus Ermittlerkreisen soll der Mann aus dem Lastwagen heraus mit einer Pistole geschossen haben. Dies widerspricht ersten kursierenden Meldungen, die den Einsatz größerer Feuerwaffen vermuteten. Der frühere Bürgermeister von Nizza, Christian Estrosi, jetzt Präsident der Region, sprach in einer ersten Reaktion davon, dass der Fahrer seinen Anschlag "strukturiert und mit Vorbedacht" durchgeführt habe.

Als Zeichen einer ausgeklügelten Vorbereitung führte Estrosi an, dass der Mann, während er Menschen zu Tode fuhr, gleichzeitig Schüsse aus dem Fenster abgab. Das gibt - nach Stand der Dinge am Vormittag - den Ablauf nicht korrekt wider; derzeit wird der Hergang so geschildert, dass die Schüsse erst am Ende der mörderischen Fahrt fielen, mit dem Eintreffen der Polizei.

Das ist ein Detail, verbunden ist es mit den größeren Fragen: Wie viel Vorbereitung brauchte der Anschlag? Wie gut kann man sich gegen solche Anschläge schützen?

Hollande spricht von einem Terroranschlag und verlängert den Ausnahmezustand

Frankreich ist seit Monaten in einem Alarmzustand, der nun wieder auf die höchste Stufe gesetzt wurde; es herrschte Ausnahmezustand, dessen Verlängerung um weitere drei Monate Präsident Hollande gestern Nacht ankündigte. Das Parlament muss noch zustimmen. Es gab in den letzten Wochen wiederholt Warnungen, dass Frankreich weiter ein bevorzugtes Ziel von Anschlägen ist.

Nizza ist eine der Städte in Frankreich, die vom Phänomen des Dschihadismus am meisten berührt sei. Mehr als hundert Personen aus Nizza sind nach Syrien gereist, schreibt der Beobachter der französischen Dschihadisten-Szene, David Thomson.

Nach seiner Kenntnis hat es bislang keine Bekenner-Nachricht zum Anschlag aus Kreisen des IS gegeben. Er verweist aber, wie andere auch, darauf, dass es ein Anschlag mit einem Lastwagen schon seit 2014 als IS-Konzept kursierte.

In der Publikation Inspire 2 soll laut Site zu lesen sein:

Die Idee ist, einen pickup truck als Mähmaschine zu benutzen, nicht um Gras zu mähen, sondern um die Feinde Allahs niederzumähen.

Nun werden sich die Anti-Terror-Behörden, die der Präsident - davon überzeugt, dass es sich um nichts anderes als um einen Terroranschlag handelt - bei ihren Ermittlungen mit dem Dschihadisten-Netzwerk in Nizza befassen: Wie viel Vertraute, wie viel Vorbereitungen, wie viel Aufwand braucht es, um einen solchen Anschlag durchzuführen, wie schnell ist er in die Tat umzusetzen? Der Lastwagen wurde laut Information von Nice Matin am Mittwoch gemietet.

Die französische Regierung soll in einer ersten Reaktion beschlossen haben, Luftangriffe auf IS-Ziele im Irak und in Syrien zu verstärken.