Frankreich treibt Endlagerpläne gegen allen Widerstand voran

Verbarrikadierte Zugänge zum Hüttendorf. Bild: Wolfgang Oberacker

Nach der Räumung eines Hüttendorfs wurde nahe dem lothringischen Bure nun ein Wald von Atomkraftgegnern zurückerobert

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Das Atomstromland Frankreich hat bekanntlich viele Probleme mit seinen Atomkraftwerken. Die geraten bisweilen wie in Fessenheim schon außer Kontrolle oder der Neubau zum Start einer neuen Kraftwerksgeneration kommt in Flamanville unter anderem deshalb nicht voran, weil sogar Sicherheitszertifikate wichtiger Bauteile gefälscht wurden. Zudem ist der staatliche Kraftwerksbauer Areva pleite und wird gerade zerschlagen. Zudem urteilte der oberste Gerichtshof kürzlich, dass der hoch verschuldete Atomstromkonzern EDF den Strom nicht einmal kostendeckend verkauft, um das Märchen vom angeblich billigen Atomstrom zu pflegen.

Dabei explodieren überall wie in Flamanville die Kosten. Das gilt auch, und ganz besonders, für die Achillesferse der gesamten Atompolitik: die Endlagerfrage (Die lästige teure Endlagerfrage). Die explodierenden Kosten dafür sind genauso wenig in den Strompreisen enthalten, wie das Land nach Jahrzehnten auch nur ein Endlager für den hochradioaktiven und hochgiftigen Müll vorweisen könnte. Mit aller Gewalt und allen Tricks soll deshalb ein Standort wie erwartet im grenznahen Lothringen festgeklopft werden.

Nach dem Senat hat vergangene Woche auch die französische Nationalversammlung den Standort des Endlagers in Lothringen praktisch genehmigt. Ab 2030 soll der Atommüll aus den 58 französischen Atomkraftwerken in einer Lehm-Ton-Schicht in einer Tiefe von gut 500 Metern in Lothringen eingelagert werden, wogegen es im Saarland bis zur Landesregierung Kritik gibt. Angeführt werden schon bisherige tödliche Unfälle bei der Untersuchung der Schicht und die Tatsache, dass das Öko-Institut Darmstadt in einer Studie anzweifelt, dass diese Gesteinsformation sich überhaupt als Endlagerstandort eignet.

Das Endlager soll weiter in der Nähe des kleinen lothringischen Dorfes Bure errichtet werden. Bild: R. Streck

Beschlossen wurde in Paris nun, dass der Atommüll für 100 Jahre rückholbar gelagert werden soll, falls in dieser Zeit bessere technologische Lösungen auftauchen. Diese Entscheidung war ein weiterer wichtiger Schritt, um den Standort festzuklopfen. Nach dem Zeitplan soll die französische Atommüllbehörde Andra 2018 eine Betriebserlaubnis für das Endlager beantragen. 2025 soll dann von der Atomaufsicht eine endgültige Entscheidung getroffen werden und dann in einer Pilotphase im Endlager experimentiert werden.

Geschehen soll all das im Umfeld des kleinen lothringischen Dorfes Bure. In der fast menschenleeren Gegend war es der Andra gelungen, ein sogenanntes "Versuchslabor" zu errichten. Für die Gegner war schon vor mehr als zehn Jahren klar, dass man hier gegen das Gesetz zur Suche eines Endlagers verstoßen würde. Denn das sah die Erforschung verschiedener Standorte und Lagermedien vor. Das gelang der Andra nicht, weshalb die Gegner seit vielen Jahren überzeugt sind, dass bei Bure mangels Alternativen ein Endlager gebaut werden soll. Diese Befürchtungen haben sich bewahrheitet und alle andersartigen Bekundungen als Lügen herausgestellt.

Widerstand gegen die Abholzung des Waldes

Um das Projekt voranzutreiben, wurde auch mit allerlei Tricks gearbeitet. So wurden die Regelungen des sogenannten "Cigéo"-Projekts sogar in einem Gesetzespaket mit dem Label "Wirtschaftswachstum" versteckt und ohne Abstimmung im Parlament beschlossen. Allerdings machte der Verfassungsrat dem Spiel ein Ende und kippte das Gesetz wieder. Doch es wird weiter mit höchst undemokratischen Tricks und mit Gewalt gearbeitet, um das Projekt durchzudrücken. Um nun angeblich nur geotechnische Untersuchungen vorzunehmen, soll der einzige verbliebene Wald der Gegend nun abgeholzt werden. Dagegen regt sich massiver Widerstand.

Dieser Wald gehört seit 200 Jahren der Gemeinde von Mandres-en-Barrois. Er wurde unter skandalösen Bedingungen der Andra nach mehreren Anläufen über einen Tausch zugeschanzt. "Ermöglicht durch eine Gemeinderatssitzung morgens um 6 Uhr, mit geheimer Abstimmung", berichtete sogar der Deutschlandfunk und fügte an: "Zwei Jahre zuvor hatten die Dorfbewohner mehrheitlich gegen diesen Tausch gestimmt." Dann wurde der Wald mit einem Stacheldrahtzaun abgesperrt und von einem Sicherheitsdienst bewacht.

Das wollten sich Bewohner, Umweltschützer und Atomkraftgegner nicht bieten lassen. Am 19. Juni drangen sie in das Gelände ein, besetzten den Wald und errichteten ein Widerstandsdorf. Sie sehen ihn weiter als ihr Eigentum an, eine entsprechende Klage gegen das Vorgehen ist eingereicht. Sie sehen sich zudem dadurch im Recht, dass es eine Baugenehmigung für Cigéo frühestens 2018 geben soll. Und ohne entsprechende Genehmigungen hat die Andra mit der Abholzung begonnen, die seit vielen Jahren verzweifelt versucht, das Endlager zu schaffen. Die ließ wiederum am 3. Juli das Widerstandsdorf mit einem riesigen Polizeiaufgebot räumen. Mit Bulldozern wurden die Hütten dem Erdboden gleichgemacht und mit Tränengas und Gewalt die Aktivisten vertrieben. Sogar Hubschrauber mit Wärmebildkameras wurden eingesetzt, um versteckte Protestierer zu finden, die sich hoch in den Wipfeln der Bäume angekettet hatten.

In der Nähe des besetzten Waldes. Bild: Wolfgang Oberacker

Die Aktivisten von BureStopp wollten sich das nicht bieten lassen. Sie kündigten eine baldige "Rückkehr" an. Offen wurde zur "Massiv Reoccupation Demo" für den vergangenen Samstag aufgerufen, um das Gelände wieder zu besetzen. Der Aufruf richtete sich auch an Aktivisten aus Deutschland und Luxemburg im Dreiländereck. Mit gemeinsamer Kraft gelang es, trotz eines großen Polizeiaufgebots, den Wald wieder in Beschlag zu nehmen, wie auch das französische Fernsehen gezeigt hat. Das Netzwerk der Atomkraftgegner, die für den Ausstieg aus der Atomenergie kämpfen, meldet Vollzug. "Der Lejuc-Wald, in dem die Andra mit den Arbeiten zum Bau des Cigéo begonnen hat, wurde wieder von der Besatzung durch die Andra befreit."