Post aus Japan: Der asiatische Weg zum freihändigen Fahren

Nippons Autohersteller setzen die neuen Vorstufen des autonomen Fahrens vorsichtiger um als Tesla. Wenn man in Nissans erstem Modell mit einem smarten Tempomaten die Hände vom Lenkrad nimmt, fängt das Auto an zu schimpfen.

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Von
  • Martin Kölling

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus – und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends.

Nach ein paar Sekunden freihändigen Fahrens blinkt mein Auto erst ein Warnsignal. Dann fängt es auch schon an zu schimpfen, dass ich doch bitte die Hände ans Lenkrad legen möge. Willkommen in Nissans neuem Minivan für den japanischen Markt, dem Serena.

Das Modell ist ein weitere Meilenstein für Nissan auf dem Weg zum selbstfahrenden Auto. ProPilot heißt der Fahrassistent, den Nissan nun auf Wunsch in Japan und ab 2017 in Europa ausliefern wird. Das System soll das Auto auf der Autobahn automatisch in der Spur halten, im Verkehr mitschwimmen und stoppen sowie wieder anfahren können.

Irgendwie kommt das Konzept bekannt vor. Ach, ja, der Tesla S soll das ja auch können, jenes kalifornische Kultmodell, das kürzlich durch einen tödlichen Unfall für negative Schlagzeilen gesorgt hat. Aber der Unterschied in der Umsetzung der Systeme könnte nicht größer sein.

Tesla-Gründer Elon Musk nannte sein Produkt Autopilot, was in meinem Wortverständnis suggeriert, das der Fahrassistenz das Auto selbst steuern kann. Das Unternehmen schob zwar die Warnung nach, dass es sich um eine Beta-Version handele, und dass die Fahrer aufpassen und bereit zum Eingreifen bleiben müssen.

Doch Videos von Tesla-Fahrern, die die Fahrt ihres Teslas von der Rückbank dokumentierten, zeigen, dass viele amerikanische Fahrer dem Autopilot zutrauten, ein Autopilot zu sein – und nicht nur eine smartere Cruise Control für den Highway.

Nissans Ingenieure hingegen sorgten sich von Beginn der Entwicklungen darum, wie man die Fahrer davon abhalten könnte, sich in falscher Sicherheit zu wiegen. Die Lösung: Ein Drehmomentsensor in der Lenkung misst anhand der Lenkradbewegungen, ob der Fahrer wie rechtlich und vom Hersteller verlangt während der Fahrt die Hände am Steuer hat.

Ein Selbsttest zeigt, dass das System recht feinfühlig agiert. Um die harmonische Atmosphäre im Auto nicht zu stören, muss zumindest eine Hand unten locker im Lenkrad hängen. Und wenn das nicht der Fall ist, schreitet das Auto mahnend zur Tat – und dies nicht zu knapp. "Wir haben so viele Warnungen eingebaut, dass der Fahrer das Auto eigentlich nicht allein lassen kann", sagte mir ein Nissan-Mitarbeiter

Doch Nissans Ingenieure denken schon weiter in die Zukunft. Denn 2018 wollen sie den ProPiloten soweit haben, dass er auf mehrspurigen Autobahnen selbst Spuren wechseln kann. 2020 soll automatisierteres Fahren im Stadtverkehr folgen. Um die Fahrer dann noch wach zu halten, müsse das System wohl noch weitaus kräftigere Warnungen aussenden, sagte ein Nissan-Manager.

Die Lehren: Wir nähern uns dem Roboterauto in kleinen Schritten. Und es werden noch recht viele Schritte und vor allem viel Zeit folgen, bis die Vision vom freihändigen Fahren voll autonom verwirklicht werden kann. Bis es so weit ist, werden die Autos penetrant werden, wenn ein Fahrer sich nicht an das oberste Gebot in der derzeitigen Vorstufe des autonomen Fahren hält: Legen Sie die Hände bitte ans Steuer.

Wird diese Einschränkung akzeptiert werden? Ich denke schon. Ich könnte mir es jedenfalls vorstellen, den ProPilot auf Japans Autobahnen einzuschalten. Denn bei einem Tempolimit von 100 km/h kommt nicht wirklich Fahrspaß auf. ()