Amnesty International erhebt Foltervorwürfe gegen türkische Polizei

Die Absicht ist eindeutig: Es geht um Demütigung und um die Erzeugung von Furcht

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Seit dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei kursieren Bilder von Gefangenen im Netz. Sie stellen Menschen bloß, die malträtiert werden oder wurden. Die Absicht der entwürdigenden Bilder ist eindeutig: Es geht um Demütigung und um die Erzeugung von Furcht. Menschen in der Türkei werden sich reiflich überlegen, was sie wem genau sagen. Die Bilder werden in der Türkei gesehen. Die türkischen Medien sparen nicht mit Anschauungsmaterial, so der Vorwurf, der einem Bericht von Amnesty International zu entnehmen ist.

Manche Bilder zeigen zum Beispiel zusammengepferchte bis auf die Unterwäsche entkleidete Männer mit am Rücken verbundenen Händen oder einen General, der mit Spuren von Prügeln oder Schlägen vorgeführt wird. Laut Berichten, die der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zugegangen sind, stellen die genannten Beispiele nur einen relativ harmlosen Ausschnitt der peinvollen Situationen dar, der die nach dem Putschversuch Festgenommenen ausgeliefert sind.

Laut jüngsten Angaben des türkischen Präsidenten Erdogan sind augenblicklich 13.165 Personen infolge des Putschversuches: inhaftiert:

8.838 sind Soldaten. 2.101 sind Richter und Staatsanwälte. 1.485 sind Polizisten, 52 sind Vertreter von Kommunen und 689 sind Zivilisten.

Hinweisen zufolge, die Amnesty International in einem Bericht versammelt hat, ist zu befürchten, dass viele Verhaftete übel behandelt werden. AI erhebt Foltervorwürfe gegen die türkische Polizei.

In Gesprächen mit Anwälten, Ärzten und einem Mitarbeiter einer Gefangenenanstalt - allesamt aus Sicherheitsgründen ungenannte Zeugen - hat die Menschenrechtsorganisation erfahren, dass die türkische Polizei in Ankara und Istanbul Gefangene bis zu 48 Stunden in schmerzhafte Positionen zwingt, dass ihnen Wasser und Nahrung vorenthalten werden sowie medizinische Versorgung. Die Gefangenen müssen sich schlimmste Beleidigungen gefallen lassen, Drohungen, in den übelsten Fällen werden sie verprügelt, gefoltert und mit Stöcken vergewaltigt.

Was man erfahren habe, sei nur ein Ausschnitt, kommentiert der Leiter des europäischen Zweiges von AI, John Dalhuisen. Die Organisation spricht von glaubwürdigen Nachweisen für Behandlungsmethoden von Inhaftierten, die ganz offensichtlich gegen Menschenrechte verstoßen. Man drängt auf eine genaue Überprüfung der Lage durch unabhängige Beobachter, die Zugang zu allen Anlagen erhalten sollen, in denen die nach dem Putschversuch Festgenommen inhaftiert sind.

Die Erlaubnis dürfte nicht leicht zu erhalten sein, zumindest nicht in der nächsten Zeit. Die türkische Regierung wird sich hier nicht in die Karten schauen lassen. Regierungsvertreter bestreiten die Vorwürfe.

Als besonders als schlimm hebt AI Haftanstalten in Ankara hervor. In der Sporthalle des Polizeihauptquartiers sollen 650 bis 800 Soldaten gefangen sein. 300 weisen nach Aussagen der Quellen, auf die sich die Menschenrechtsorganisation beruft, Spuren von Prügeln auf, von Prellungen bis zu sichtbaren Knochenbrüchen, 40 seien derart schwer misshandelt worden, dass sie nicht mehr gehen können. Geschildert wird ein Gespräch, in dem Gefängnisaufseher erkennen lassen, dass es ihnen egal ist, ob ein Gefangener überlebt.

Ärztliche Behandlung der Misshandelten ist nach den Schilderungen, die AI weitergibt, nicht vorgesehen. Anwälte sind nicht zugelassen, ebenso wenig Anrufe, die Familien wissen in vielen Fällen nicht, wo ihre Angehörigen sind, ob sie überhaupt noch leben. Das erfülle den Tatbestand der Verschleppung, so der Bericht.

AI-Europa-Chef John Dalhuisen wirft der Regierung Schweigen vor, zwar würden erschreckende Bilder und Videos von Folter im ganzen Land versendet werden, die Regierung sage dazu nichts. Das so, Dalhuisen, sei gleichbedeutend mit einer Zustimmung.

Durch das neu erlassene Dekret (siehe Link auf 48925) infolge des Ausnahmezustands wurden der Polizei weiter Möglichkeiten für Willkür und Folter eröffnet. Damit können Menschen bis zu 30 Tagen gefangen gehalten werden können, bevor sie einem Richter vorgeführt werden müssen. Zuvor betrug die Frist zwei Tage. Nach der Massenentlassung von Richtern kann man davon ausgehen, dass es keine unabhängige Rechtssprechung mehr gibt.